Behandelter Abschnitt Jes 23
Jesaja 23
Der Ausspruch über Tyrus. In der Schrift ist Tyrus ein Bild der Welt in ihren Handelsaktivitäten, ihren Geschäften, ihren Reichtümern, ihrer Verdorbenheit und ihrem Hochmut. Tyrus war der große Meereshafen, wo Handelsgüter aus den entferntesten Ländern eintrafen, das Handelszentrum der antiken Welt und der große Stapelplatz damaliger Luxusgüter. Diese Stadt war zur Kronenspenderin geworden, ihre Kaufleute waren Fürsten und ihre Händler die Vornehmen der Erde.
Tyrus musste eingenommen werden, und sein Fall würde notwendigerweise eine tiefe Erschütterung aller Völker längs der Küste des Mittelmeers mit sich bringen. Große Angst würde Ägypten aufgrund der Gerüchte über die Geschehnisse in Tyrus erfüllen. Wo wird man nun das Getreide verkaufen können, das in Ägypten in Hülle und Fülle wächst, und wer wird einen leichten Absatzmarkt in den großen Meereshäfen finden? Zidon, die Nachbarstadt, war in ihren Handelstätigkeiten ebenfalls zu sehr mit Tyrus verbunden, um die schmerzhaften indirekten Folgen ihres Sturzes nicht zu spüren. Der Zusammenbruch eines großen Handels hat notwendigerweise vielfältige und weitreichende Folgen. Die Tarsis-Schiffe, von denen die Schrift so oft spricht, können nicht mehr kommen und ihre Ladung löschen, noch können sie anderes für das Land Kanaan mitnehmen. Sie heulen in ihrer Bedrängnis, denn Tyrus war für sie eine Festung, und siehe da, sie ist zerstört.
Diese Schilderung lässt uns an das denken, was sich in der Zukunft abspielen wird, wenn die Kaufleute und die Schiffsbesitzer auf dem Meer trauern werden, weil niemand mehr ihre Güter kaufen wird (Off 18,11-13). Das hier angekündigte Gericht wurde durch Nebukadnezar ausgeführt, wie es uns der Prophet Hesekiel mitteilt (Hes 29,18). Aber nach 70 Jahren, als das Babylonische Reich unterging, wurde Tyrus, genau wie das jüdische Volk, von seiner Knechtschaft befreit. Während dieser Zeitspanne hat es nichts vergessen und auch nichts gelernt. Es hat seine Geschäftstätigkeiten und seine Ungerechtigkeiten wieder aufgenommen – wie eine Prostituierte, die eine Zeitlang vergessen wurde und nun ihr altes Leben von neuem beginnt, indem sie die schlimmsten menschlichen Mittel gebraucht, um ihre Ziele zu erreichen, und die sich allen Königreichen der Erde verkauft. Das Gericht, das auf die Stadt gefallen war, hatte keine Wirkung gezeigt und ihr Herz nicht geändert. Aber der Ausspruch über Tyrus geht noch viel weiter. Er beschränkt sich nicht auf das, was in verflossenen Zeitaltern geschehen ist, sondern er führt uns bis in die Endzeit, wie es der Heilige Geist so oft tut.
In jenen glücklichen Tagen werden die Reichtümer der Nationen nicht mehr zur Befriedigung der Habgier, des Hochmuts und der Leidenschaften der Gottlosen verwendet, im Gegenteil, die Tochter Tyrus und die Reichen der Völker werden mit Geschenken die Gunst des Königs der Herrlichkeit suchen (Ps 45,12). So werden jene, die vor dem Herrn wohnen, die Güter und Geschenke aus Tyrus erhalten. In dieser wohl nahen Zeit werden sie essen und gesättigt und prächtig bekleidet sein. Alles wird dann zur Verherrlichung des Herrn dienen.