Behandelter Abschnitt Jes 5
Jesaja 5
Dieses Kapitel zeigt uns das dritte Thema der Prophezeiungen Jesajas. Der Prophet singt hier dem Herrn, seinem Geliebten, ein Lied über seinen Weinberg. Dies mag uns seltsam erscheinen. Es hat sicher viele Leser überrascht, den Propheten im gleichen Augenblick, da er so zahlreiche Wehe über sein Volk aussprechen muss, singen zu sehen. Unser Erstaunen rührt davon her, dass wir vergessen, dass der Glaube Gott über den Umständen sieht, ganz gleich, wie sie sein mögen. Die Sünde und ihre Folgen können unsere arme Erde sehr wohl wie eine düstere Wolke bedecken, aber sie können den Augen des Glaubens die Güte und die Treue Gottes gegen jene, die auf Ihn vertrauen, nicht verhüllen. Über diesen Wolken sieht der Glaube die Sonne der Gerechtigkeit, die bald eine Welt erleuchten wird, die jetzt noch völlig von der Nacht der Sünde erfasst ist. Diese Sonne wird in ihren Flügeln die Gesundheit und Heilung für alle Plagen, die unsere arme Menschheit bedrängen, bringen. Sogar im Gericht über seine Feinde wird unser Gott, wie in allen seinen Werken, verherrlicht.
Schon Mose redete ein Lied zu den Ohren der ganzen Versammlung Israels, als er ihnen aufzeigte, was die Folgen ihrer Übertretung des Gesetzes sein würden (vgl. 5Mo 31,30). Die Offenbarung, ein Buch des Gerichts, enthält mehrere Lieder; und die Gläubigen am Anfang dieses Buches beten den an, der als Richter kommt. Ist es nicht der, der sie liebt und sie in seinem Blut von ihren Sünden gewaschen und sie seinem Gott zu Königen und Priestern gemacht hat? Möge unser Gott uns Barmherzigkeit erweisen, damit unser Glaube unaufhörlich tätig sei und auf der Höhe seiner eigenen göttlichen Gedanken erhalten bleibe. Sie stehen ja so weit über den unseren, wie die Himmel über der Erde sind. Und erinnern wir uns schließlich daran, dass alle seine Wege zur vollkommenen Befreiung seiner Geliebten und zu ihrer ewigen Freude führen werden. Hier liegt der Ursprung des Wortes „Lied“, das in der Schrift gebraucht wird, um eine Befreiung zu feiern.
Bevor er die sechs bekannten „Wehe“ dieses Kapitels ausspricht, besingt der Prophet die Treue Gottes seinem untreuen Volk gegenüber. Muss denn die Torheit seines Volkes Gott um das Lob bringen, das Ihm gebührt? Gewiss kann der Glaube Ihm dieses Lob jederzeit darbringen. Lasst uns dies auch heute tun, inmitten des Verfalls, der die Christenheit kennzeichnet. Es ist genauso gut möglich wie in den schönsten Tagen der Geschichte der Versammlung. Wer Lob opfert, verherrlicht Gott.
Das Haus Israel war der Weinberg des Herrn, und die Männer von Juda waren die Pflanzung seiner Wonne. Was hatte Er nicht alles für sein Volk getan? In den Versen 3 und 4 nimmt Er sogar die Bewohner von Jerusalem und die Männer von Juda als Zeugen, indem Er spricht: „Richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg! Was war noch an meinem Weinberg zu tun, das ich nicht an ihm getan hätte?“ Wie in Matthäus 21,45, wo das gleiche Thema behandelt wird, müssen sie selbst ihr eigenes Urteil aussprechen.
Nachdem wir in den ersten sieben Versen den Gesamtzustand des Weinbergs betrachtet haben, werden uns in den Versen 8 bis 30 die Einzelheiten ihrer Ungerechtigkeit angezeigt, während gleichzeitig ein Wehe nach dem anderen über das schuldige Volk ertönt. Am Ende von Kapitel 3 hat Gott alles, was die Frauen taten, gesehen. Auch hier sieht Er, was sich in der Mitte des Volkes abspielt, und zählt es auf. Nichts entgeht seinem Blick. Er hatte sie schon geschlagen, denn einige hatten sein Gesetz verworfen und seine Worte verschmäht. Aber sein Zorn hatte sich noch nicht abgewandt, und seine Hand blieb noch ausgestreckt. Diese Hand erscheint in Kapitel 9 und 10 wieder. Trotz der Härte der erhaltenen Schläge war das Volk noch nicht zu dem, der sie gezüchtigt hatte, umgekehrt und suchte den Herrn noch nicht (Jes 9,13).