Behandelter Abschnitt Jes 6
Jesaja 6
Wir finden hier, wie in Kapitel 5, einen Schauplatz des Gerichts. Wir sehen den Thron des Gerichts und Den, der darauf sitzt. In Kapitel 5 werden die Wehe über das Volk ausgesprochen, weil es das Gesetz verworfen und das Wort des Heiligen Israels verschmäht hat. Es ist ein Gericht, das mit der Übertretung des Gesetzes zusammenhängt. In Kapitel 6 rührt dieses Gericht daher, dass das Volk sich nicht selbst verurteilte, als die Herrlichkeit Gottes offenbart wurde. Johannes 12,37-43: „Obwohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn, damit das Wort des Propheten Jesaja erfüllt würde, das er sprach: ‚Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbart worden?‘ Darum konnten sie nicht glauben, weil Jesaja wiederum gesagt hat: ‚Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht sehen mit den Augen und verstehen mit dem Herzen und sich bekehren und ich sie heile.‘ Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete. Dennoch aber glaubten auch von den Obersten viele an ihn; doch wegen der Pharisäer bekannten sie ihn nicht, um nicht aus der Synagoge ausgeschlossen zu werden; denn sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott.“
Tatsächlich hat das Volk Den, der die vollkommene Offenbarung dieser Herrlichkeit war, gehasst, verachtet und verworfen. Wir finden daher in diesen Kapiteln zwei sehr ernste Vorwürfe gegen Israel:
1. Es hat das Gesetz Gottes übertreten.
2. Es hat nicht geglaubt, als seine Herrlichkeit in der Person Christi offenbart wurde.
Dieses undankbare und rebellische Volk sagte nicht wie der Prophet: „Wehe mir, denn ich bin verloren!“ Als Folge davon wurden sein Herz verhärtet, seine Augen verblendet, seine Ohren schwer, seine Städte verwüstet, so dass sie ohne Bewohner sind, das Land zur Öde verwüstet ist, so dass es viele verlassene Orte im Land gibt. Dies ist eine Prophezeiung, die, wie wir wissen, der Herr selbst den Jüngern in Erinnerung rief, als Er verworfen wurde (vgl. Mt 13,13-15). Auch der Apostel Paulus erinnerte die Juden in Rom an diese Prophezeiung kurz vor ihrer buchstäblichen Erfüllung bei der Zerstörung Jerusalems und der Zerstreuung des Volkes (vgl. Apg 28,26.27).
Seit bald zweitausend Jahren trägt dieses Volk nun die Folgen seiner Sünden und seines Unglaubens. Es ist vor den Augen aller Menschen ein Zeuge für die Heiligkeit Gottes, einer Heiligkeit, die von den über dem Thron stehenden Seraphim verkündet wurde.
Aber betrachten wir nun das vor uns liegende Kapitel ein wenig genauer. Der Nachkomme Davids, Ussija, der erste der Könige, unter welchen Jesaja prophezeit hat, stirbt aussätzig, unrein, vereinsamt und vom Haus Gottes ausgeschlossen. In welch einen verabscheuenswerten Zustand war das königliche Haus gefallen! Und genau in diesem Augenblick offenbart der Herr seine Herrlichkeit, sitzend auf dem Thron des Gerichts. Hier können wir Ihn als den Schöpfer betrachten, denn die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit.
Wenn der Herr der Heerscharen die Seraphim zu Dienern hatte, damit sie sein Wohlgefallen erfüllen, so hatten die Jünger, im Gegenteil, das unschätzbare Vorrecht, die Herrlichkeit Jesu anzuschauen, die in seiner Erniedrigung hier auf der Erde hell geleuchtet hat. „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut“, schreibt der geliebte Jünger (Joh 1,14). Und „Jesaja sah seine Herrlichkeit“, sagt er an einer andern Stelle (Joh 12,41). Aber ob diese Herrlichkeit auf dem Thron oder in einem Schiff am Ufer des Sees Genezareth offenbart wird, sie führt alle, die Augen haben, um sie zu sehen, dahin, ihre Schuld einzugestehen.
Der Fischer Simon Petrus sagt: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Der Prophet Jesaja, der sechs „Wehe“ über ein schuldiges Volk ausgesprochen hat, sagt: „Wehe mir, denn ich bin verloren!“ Das siebte Wehe spricht er über sich selbst aus. Vor der herrlichen Majestät des Herrn ist der Prophet, ebenso wie der Fischer aus Galiläa, schuldig. In der Gegenwart des Herrn wird jeder Mund verschlossen, und alle sind schuldig. Glücklich sind die, die ihren Zustand einsehen, denn es gibt ein Heilmittel für sie. In der Nähe des Throns befindet sich ein Altar, und auf dem Altar liegen glühende Kohlen, die daran erinnern, dass ein Opfer verzehrt worden ist. Die Berührung mit diesem Opfer reinigt die unreinen Lippen des Propheten und all derer, die den Wert eines solchen Opfers annehmen.
Hier wird Jesaja zu einem Bild des treuen Überrests, der vom Gewicht seiner Ungerechtigkeit befreit werden wird, weil Sühnung getan wurde für seine Sünden. Nachdem er so befreit wurde, kann der Prophet ein von Gott gesandter Bote sein, um seine Worte dem ungehorsamen Volk bekanntzumachen. Aber wir wissen anderseits, dass Israel nicht hören wollte. Der Herr hielt seine Hände den ganzen Tag gegen ein ungehorsames und widersprechendes Volk ausgestreckt. Dann wurde das Heil, das es verachtete, weit weg zu den Nationen gesandt. Aber diese Punkte werden hier nicht behandelt. Trotz allem sagt der Prophet: „Wie lange, Herr?“ Das Volk wird demnach nicht für immer verworfen, denn ein Überrest wird am Ende zurückkommen. Die Zweige des „edlen Ölbaums“ werden wieder in den Wurzelstock ihres eigenen Ölbaums eingepfropft.