Behandelter Abschnitt Off 22,1-2
Es ist eine der bemerkenswerten Eigenschaften dieses Buches, dass es nur richtig verstanden werden kann, wenn es im Zusammenhang mit dem gesamten übrigen Wort Gottes gesehen wird. Und, auch das ist eigenartig, Gott hat das letzte Buch der Schrift und das allererste auf sehr bemerkenswerte Weise miteinander verbunden. Zum Beispiel finden wir hier Bilder, die der Heilige Geist benutzt, um die Glückseligkeit der himmlischen Stadt in ihrer Beziehung zur Erde während des Friedensreiches zu beschreiben; und woher stammen diese Bilder? Ich muss an den Anfang des Buches Gottes gehen, in das erste Buch Mose, Flüsse und so weiter, auf die sich der Heilige Geist in dem Abschnitt vor uns offensichtlich bezieht.
Dies scheint mir nun ein auffallender Hinweis auf Gottes Absicht zu sein, der sein ganzes Wort so miteinander verzahnt, dass ich, um die volle Bedeutung eines Teils zu erfassen, diesen im Zusammenhang mit dem Ganzen sehen muss. Und dies ist umso wichtiger, als dasselbe Wort Gottes uns verschiedene Zustände und Haushaltungen in völligem Gegensatz zueinander zeigt. Es gab die Zeit der Unschuld; es gab die Zeit, in der es nichts als Sünde gab, soweit es den Menschen betraf – das Böse ohne Schranken, bis das Gericht Gottes durch die Flut kam und alles vernichtete, außer den wenigen Menschen in der Arche. Dann wurde das Gesetz gegeben und danach das Evangelium, jedes mit einem völlig anderen Ziel. Und nun erwarten wir die große Schlussszene dieses Zeitalters, wenn alles, was Gott auf der Erde gewirkt hat und was die Offenbarung durch seinen Geist hervorgebracht hat, aber vom Menschen verdorben wurde, in seinen Ergebnissen offenbart sein wird. Um zu verstehen, was der Heilige Geist mir über diese Ergebnisse sagt, muss ich ganz am Anfang beginnen. Wenn wir nun das erste Buch Mose betrachten, finden wir, dass es zwar eine Art Ähnlichkeit in der Zeit der Unschuld gibt, als Gott mit der Schöpfung handelte, die natürlich dafür verantwortlich war, ihren Platz der Unschuld zu bewahren, aber es gibt einen höchst gesegneten Gegensatz in der Zukunft, der die Tiefen der Gnade, die Gott in dieser heiligen Stadt zeigen wird, noch deutlicher hervorhebt.
Schauen wir uns also ein wenig die Unterschiede an. Im ersten Buch Mose finden wir, dass es vier Flüsse gab; und von diesen Flüssen, obwohl wir wenig oder nichts von den ersten beiden wissen, ist es auf jeden Fall klar, dass die beiden letzten, der Euphrat und der Hiddekel oder Tigris, mit einigen der schmerzlichsten Abschnitte in der Geschichte des irdischen Volkes Gottes zu einem späteren Zeitpunkt verbunden waren. An diesen Flüssen wurden die beiden berühmtesten Städte des Altertums erbaut: der Tigris, an dem Ninive stand, und der Euphrat, an dem Babylon erbaut wurde. Ich spreche jetzt natürlich von einer Zeit lange nach Adam oder sogar der Sintflut. Und obwohl die Flut, wie sie es zweifellos tat, viele andere Merkmale der vorsintflutlichen Erde ausgelöscht haben mag, so finden wir doch diese beiden Flüsse wieder. Das Paradies war verschwunden, aber diese Flüsse sollten eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit spielen, und besonders in der, die durch die Verquickung mit den Wechselfällen und den Züchtigungen des Volkes Gottes, Israel, eine größere Bedeutung erlangt als sie selbst. Diese beiden Flüsse wurden mit den Mächten identifiziert, die das Verderben Israels oder Judas sein sollten. Ninive war die Hauptstadt von Assyrien, das die große Masse der zehn Stämme Israels in die Gefangenschaft führte. Babylon war die Macht, die danach von Gott für die Gefangenschaft dessen eingesetzt wurde, der für Gott nicht weniger als für das Haus Davids standhaft zu sein schien, der aber bald in größere Untreue verfiel als das rückfällige Israel. So wurden diese Flüsse, die anfangs mit dem Paradies verbunden waren, später zu den Vertretern der menschlichen Mächte, die dazu benutzt wurden, das schuldige Volk Gottes zu geißeln.
Dann wiederum gab es zwei Bäume im Garten Eden: den der Erkenntnis des Guten und des Bösen und den des Lebens. Was auch immer nun der Segen sein mochte, der dem Menschen durch den Baum des Lebens zuteilwurde, er war völlig nutzlos für ihn, denn der andere Baum stellte ihn auf eine Probe, die der Mensch nicht bestehen konnte. Er brach zusammen; er hörte auf die Stimme seiner Frau, die selbst auf die Schlange gehört hatte, und er wurde rebellisch. Die Folge war, dass der Baum des Lebens nicht mehr für ihn zur Verfügung stand: Wäre es so gewesen, hätte er nur ein Leben in Sünde und Elend weitergeführt. Obwohl also in dem Handeln Gottes, der die Cherubim mit dem flammenden Schwert aufstellte, um den Menschen vom Baum des Lebens auszuschließen, Gericht lag, war auch Barmherzigkeit damit vermischt. Gott hatte für den Menschen etwas Besseres reserviert – den Baum der Gnade, wenn wir so sagen dürfen.
Wenn wir also zum Schlussbericht kommen, haben wir weder die verschiedenen Flüsse von Eden noch einen Baum, um den Menschen von Seiten Gottes zu prüfen. Es gibt nur einen Fluss und einen Baum. Alles, was mit der Schwachheit und Sünde des Menschen und der Züchtigung des Volkes Gottes verbunden war, ist verschwunden. Die Zurechtweisung durch Scham und die Züchtigung durch Kummer sind nicht mehr nötig. Das Paradies des Menschen hatte versagt, Israel hatte versagt, die Kirche hatte versagt. Jetzt ist es das Paradies, das Volk und die Stadt Gottes, der sich und seine Herrlichkeit dort zeigt; und damit verschwindet alles völlig, was nur der Prüfung oder der Züchtigung des Menschen diente. Jetzt leuchtet Gottes Liebe, seine himmlische Gnade, seine Treue zu Israel, seine souveräne Barmherzigkeit gegenüber den Heiden, seine gerechte und wohltätige Herrschaft. Der Herr und Heiland war hereingekommen; Er hatte selbst die Folgen dessen getragen, was das Volk Gottes verdiente, und hatte es Ihm ermöglicht, ihnen in gerechter Weise nichts als Liebe zu erweisen, indem Er ihnen Leben und Sühnung und Reinigung durch sich selbst, seinen Sohn, gab.
Und er zeigte mir einen Strom von Wasser des Lebens, glänzend wie Kristall, der hervorging aus dem Thron Gottes und des Lammes. In der Mitte ihrer Straße und des Stromes, diesseits und jenseits, war der Baum des Lebens, der zwölf Früchte trägt und jeden Monat seine Frucht gibt; und die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Nationen (22,1.2).
Hier ist es nun offensichtlich, dass wir reine Gnade haben, die durch Gerechtigkeit regiert, was den Baum und den Fluss betrifft. Es gibt nichts, was durch die Macht Satans verdorben werden könnte. Es gibt auch nichts wie die Cherubim, die eifersüchtig darauf bedacht sind, den Menschen von der Sünde fernzuhalten, ganz im Gegenteil. Dieser Baum des Lebens bringt jeden Monat Früchte hervor. Natürlich ist das ein Bild. Es wird keinen buchstäblichen Baum oder Fluss geben; aber wie das Wasser des Flusses des Lebens das reichliche Leben und den Segen symbolisiert, der durch die Stadt (d. h. die Braut, die Frau des Lammes) fließen wird, so folgt hier die segensreiche Bestimmung zur Heilung der Nationen. Es gibt einen Vorbehalt in Bezug auf die zwölf Früchte, die einen weit höheren und vielfältigeren Vorrat für die ständige Erfrischung der himmlischen Gläubigen darstellen können; aber die Blätter werden ausdrücklich als für die Heilung der Nationen erklärt.
Das ist umso bemerkenswerter, als es uns bekannt sein muss, dass das irdische Jerusalem, obwohl in mancher Hinsicht Abbilder von dort entlehnt sind, in anderer Hinsicht bei den Propheten ein ganz anderes Bild liefert, sogar am kommenden Tag der Herrlichkeit. Nehmen wir zum Beispiel die Beschreibung in Jesaja 60. In Jesaja 59 wird gesagt, dass der Erlöser nach Zion kommen würde, und dann haben wir in Kapitel 60 die Beschreibung der Stadt. „Und deine Tore werden beständig offen stehen; Tag und Nacht werden sie nicht geschlossen werden (V. 11). Aber was ist das Prinzip der Beziehung des irdischen Jerusalems zu den Nationen? „Denn die Nation und das Königreich, die dir nicht dienen wollen, werden untergehen“ (V. 12). Es ist die schonungslose Gerechtigkeit und das Gericht, mit dem Gott sein Volk, das unter den Völkern verachtet und niedergetrampelt worden war, dazu zwingt, sie zu ehren. Denn wir wissen, wie die Juden auch jetzt noch in der Christenheit mit Verachtung und Hohn angesehen werden; und wenn sie durch ihren Reichtum oder aus anderen Gründen die Gunst der Welt erlangen, so wird das für ein wunderbares Stück Liberalität gehalten. Die Menschen geben sich selbst viel Ansehen dafür und handeln im Allgemeinen auf höchst irrigem Grund, entweder skeptisch oder pseudochristlich. Man hat sie so daran gewöhnt, sie zu verachten, dass man ihnen diese Zugeständnisse nur abringt, und zwar oft durch so falsche Grundsätze wie die Menschenrechte und so weiter. Ich beziehe mich natürlich nur auf weltgeschichtlich bekannte Tatsachen. Als Christen haben wir mit solchen Fragen nichts zu tun, obwohl wir sie beurteilen können. Denn ein Christ ist nur zu einem einzigen Zweck hier, nämlich um für Christus zu zeugen, der von der Welt verworfen, aber im Himmel erhöht ist; um in Übereinstimmung mit der Gnade und Herrlichkeit Christi zu handeln, der jetzt zur Rechten Gottes ist. Wenn dies aus den Augen verloren wird, ist der Christ Salz ohne Geschmack. Ein Mensch mag menschenliebend sein und sich bemühen, viel Gutes in der Welt zu tun; aber Gott hat ein höheres Ziel für uns als alle unsere Pläne.
Dieser kurze Exkurs ergibt sich aus unserem gegenwärtigen Thema. Denn ob es die Versammlung vor der Herrlichkeit ist, oder wenn die Herrlichkeit kommt, wie hier, das einzig Richtige für uns ist, die Gnade zu offenbaren. Es ist der Charakter der Gnade, der immer die Wahrheit Gottes über die Versammlung vorstellt; es ist die Offenbarung seiner selbst, wie Er sich in Christus gezeigt hat und immer noch zeigt.
Das bringt der Apostel in Epheser 5 zum Ausdruck, wo es sagt: „Seid nun Nachahmer Gottes“ (V. 1). Und wie? „Als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe.“ Auf welche Weise? Im vorhergehenden Kapitel hatte er von Christus als dem Opfer gesprochen, aufgrund dessen Gott die Sünden vergeben konnte (V. 32), und deshalb sollten auch wir einander vergeben, „wie auch Gott in Christus euch vergeben hat“ (Eph 4,32). Aber in Kapitel 5 geht er noch viel weiter: „Wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“ (V. 1.2). Da ist der volle Charakter der Gnade auf einmal, der dem, der sie kennt und in ihr wandelt, die Kraft Christi gibt, unter den Menschen zu wandeln.
Wenn ich meinen Bruder hier oder dort sehe, dessen Geist mit irrigen Gedanken und Hoffnungen erfüllt ist und der ohne Gewissen oder mit schwachen Gewissensbissen Dinge tut, die dem Herrn zuwider sind, wie würde Gott meine Zuneigung zu ihm anregen? Ich muss immer aus der Gnade heraus handeln, in der Gott mit dem Gläubigen handelt, und ich muss ihn nach oben ziehen, wenn ich kann, um zu wissen, was Gott für ihn empfindet und was sein Wille für ihn ist. Wenn er die Gnade wahrnimmt, in der Gott gehandelt hat, wird er bereit sein zu lernen, was er Ihm schuldet. So spricht der Apostel immer.
Betrachten wir noch einmal die Epheser. Was hatte der Apostel Paulus von Anfang des Briefes bis Kapitel 5 getan? Er hatte ihnen die vollkommene Liebe Gottes zu ihnen gezeigt und den Platz der Einheit mit Christus, auf den Er sie gestellt hat; und nun sagt er gleichsam: Wandelt in der Liebe, die Christus euch erwiesen hat.
Dasselbe finden wir hier. Es sind nicht mehr die Donner und Blitze und Stimmen aus der Gegenwart Gottes. All dies ist völlig verschwunden. In Kapitel 4 waren dies die Anblicke und Stimmen, die vom Thron ausgingen. Sie waren damals geeignet und notwendig, um die Heiligkeit dessen, der dort saß, aufrechtzuerhalten und auszudrücken. Sie waren das Zeugnis seines Empfindens, als die Versammlung in den Himmel entrückt wurde und der Mensch sich selbst überlassen blieb, um sich selbst zu erhöhen, nur gebremst durch die Gerichte der Vorsehung. Hier gibt es nichts dergleichen. Der Thron Gottes und des Lammes ist zu sehen; und was geht von ihm aus? Ein Strom des Wassers des Lebens, glänzend wie Kristall. Und warum ist das so? Weil der Thron hier mit der himmlischen Stadt in Verbindung gebracht wird, und diese Stadt ist das Symbol der verherrlichten Heiligen, und der gewöhnliche Charakter der Versammlung, sogar in der Herrlichkeit, ist Gnade. Sie war nicht nur ein Strom des Lebens, nicht des Todes, sondern die Blätter des Baumes waren zur Heilung (nicht zur Zerstörung) der Nationen.
Jerusalem hier auf der Erde ist die Stadt der irdischen Gerechtigkeit – der Ort, an dem Gott die Juden durch eine große Drangsal geführt haben wird. Sie müssen zuerst eine schreckliche Drangsal durchmachen – „eine Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr errettet werden“ (Jer 30,7). Es wird eine gerecht bemessene Züchtigung sein, wegen ihrer Sünden. Sie werden durch all das Leid gehen, das Gott selbst gerichtlich auferlegt; aber die Empörung wird aufhören, und zwar mit der Vernichtung derer, die ihre Werkzeuge waren: „Denn noch eine ganz kurze Zeit, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung“ (Jes 10,25). Gott wird sich der Sache seines Volkes annehmen, und die Berufung Israels im Friedensreich wird jener Gerechtigkeit entsprechen, die das öffentliche Handeln Gottes ihnen gegenüber kennzeichnete, was auch immer die verborgene Quelle der Gnade gewesen sein mag. Alle Nationen werden nach Jerusalem hinaufziehen, wenn der Berg des Hauses des Herrn auf dem Gipfel der Berge errichtet sein wird. „Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des Herrn von Jerusalem“ (Jes 2,3). Das Gesetz ist die Richtlinie der Gerechtigkeit; die Gnade ist etwas ganz anderes. Es ist keine Richtlinie der Gerechtigkeit, bei der der Tod die unausweichliche Strafe ist. Es ist wahr, dass die Gnade durch die Gerechtigkeit regiert, aber dann ist es die Gerechtigkeit Gottes, nicht des Menschen; und diese, unter seiner gnädigen Zucht, erfüllt den Gläubigen mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus zu seiner eigenen Herrlichkeit und seinem Lob ist.
Hier haben wir also eine Szene der vollkommenen Gnade. Nichts könnte den Segen in Bezug auf den Menschen übertreffen. Die Zahl Zwölf wird immer in Bezug auf den Umgang Gottes mit dem Menschen durch die menschliche Verwaltung verwendet. Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit in Bezug auf die Dinge Gottes, oder vielmehr auf die geistige Seite, ob gut oder böse – zwölf in Bezug auf die menschliche Seite. Und als die Apostel berufen wurden, waren es ebenfalls zwölf, die auf die zwölf Stämme Israels Bezug nahmen. In dem Moment, in dem wir den Apostel haben, der speziell mit dem großen Werk betraut wurde, die Versammlung auf ihre festen und himmlischen Fundamente zu stellen, unabhängig von der irdischen Anordnung, wird die Zahl Zwölf durchbrochen, und es erscheinen von den Zwölfen unabhängige Apostel (Apg 14,4.14; Eph 4). Dies mag ein wenig weiter erklären, was ich meinte, als ich sagte, dass die zwölf Tore, zwölf Fundamente und so weiter, die wir in Kapitel 21 sahen, den Aspekt dieser Stadt gegenüber den Menschen darlegen. Sie wird in ihrem öffentlichen, staatlichen Charakter gesehen. Das gilt auch für den Baum. Dadurch, dass er zwölf Arten von Früchten trägt und jeden Monat seine Frucht bringt, wird sein Aspekt gegenüber den Menschen gezeigt. Daher heißt es weiter, dass die Blätter des Baumes zur Heilung der Nationen sind.