Behandelter Abschnitt Heb 12,18-21
Wenn Selbstgerechtigkeit ausgeschlossen ist und äußere Riten an die Stelle von Christus treten, so ist es noch offensichtlicher, dass „irgendeine Wurzel der Bitterkeit“, die aufsprosst, Gott verhasst ist und viele verunreinigt. Denn das ist die Wirkung des Bösen, wie in 1. Korinther 5 und Galater 5 unter dem Bild des Sauerteigs gezeigt wird, wie hier durch eine Wurzel der Bitterkeit. Es kann verschiedene Formen annehmen. Hier werden fleischliche Unreinheit und Gotteslästerung genannt, die beide unerträglich sind, wo Gott ist und erkannt wird. Ein Beispiel für das letztgenannte Übel ist Esau, der sein Erstgeburtsrecht für eine Mahlzeit verkaufte. Jeder Hebräer kannte eine Geschichte, die in der Tat für alle Beteiligten demütigend war; aber Esau befand sich auf nicht geweihtem Boden, wo Gottes Verheißung noch mehr verachtet wurde als ein solches Erstgeburtsrecht. Welch eine Warnung für die Hebräer, die Gefahr liefen, unvergleichlich bessere Segnungen bei dem aufzugeben, dessen Reich nicht sofort erschien, wie sie es sich erhofften! Es war nicht die Reue, die Esau unter Tränen ernsthaft suchte, sondern der Segen, den sein Vater sogar Jakob, dem von dem Herrn schon vor ihrer Geburt bestimmten Erben, zu Unrecht hatte entziehen wollen.
Denn ihr seid nicht gekommen zu dem [Berg], der betastet werden konnte, und zu dem entzündeten Feuer und dem Dunkel und der Finsternis und dem Sturm und dem Posaunenschall und der Stimme der Worte, deren Hörer baten, dass das Wort nicht mehr an sie gerichtet würde (denn sie konnten nicht ertragen, was angeordnet wurde: „Und wenn ein Tier den Berg berührt, soll es gesteinigt werden.“ Und so furchtbar war die Erscheinung, dass Mose sagte: „Ich bin voll Furcht und Zittern.“) (12,18–21).
Von der ungläubigen Verachtung der Gnade in Esau und von ihrem traurigen Ausgang wenden wir uns einerseits zu einem gewaltigen, aber unleugbaren Blick auf das Gesetz mit seinen bedrohlichen, verhängnisvollen Begleiterscheinungen und andererseits zu einer umfassenden Zusammenstellung der leuchtenden Gegenstände, die die Gnade bewirken und zeigen wird, in die der Glaube schon jetzt die Gläubigen einführt. Beide Teile des Gegensatzes führen das Argument und das Ziel des Hebräerbriefs kraftvoll weiter.
War jemand geneigt, vom Christentum abzufallen und zum levitischen System seiner Väter zurückzukehren? Hier werden sie eingeladen, die beiden Seiten des Bildes zu betrachten, das von der untrüglichen Hand des Heiligen Geistes gezeichnet wurde und in dem jedes Element aus Schriften abgeleitet ist, die kein Jude bestreiten könnte. 2. Korinther 3 gab eine ähnliche Antithese, die wunderbar geeignet war, die Versammlung Gottes in der Hauptstadt von Achaja zu erleuchten und zu ermahnen, wo jüdische Prahlerei am Werk war, um auf die einzuwirken, die aus den Heiden kamen. Hier ist die Handlungsweise nicht weniger geschickt darauf ausgerichtet, diejenigen aus Israel zu warnen und zu gewinnen, die versucht waren, zum Judentum zurückzukehren. Schauen wir uns die dunkle Seite an, die zuerst kommt.
Die christliche Stellung ist keine Verbesserung der jüdischen, sondern ein deutlicher und vollständiger Gegensatz zu ihr. Israel ist zum Sinai gekommen. Dort empfingen sie das Gesetz, mit dem sie sich gegenüber den Heiden rühmten, die Gott nicht kennen, die weder ein Amt von Ihm haben noch einen Bund mit Ihm schließen. Was die Völker betrifft, so stammten ihr Urteil und ihre Würde von ihnen selbst. Macht und List waren ihre Götter, und die Dämonen standen hinter ihnen. Darum opferten sie ihrem Netz und räucherten ihrem Garn (Hab 1,16). Der Jude, der durch das Gesetz belehrt wurde, war sich sicher, dass er selbst ein Führer der Blinden und ein Licht für die in der Finsternis war, während er in Wahrheit durch seine Übertretung des Gesetzes Gott im Allgemeinen entehrte. Der Name Gottes wurde unter den Heiden wegen der Juden gelästert, wie ihre Propheten bezeugten.
Aber hier sehen wir, wie Gott am Sinai in feierlicher Weise das Ende vom Anfang her andeutet. Das Gesetz Gottes ist und muss die Ansprüche des Menschen, so wie er ist, zermalmen; denn Israel war ein Sünder wie andere auch, und das Gesetz konnte für diese nur ein Dienst des Todes und der Verurteilung sein. Wenn das Gesetz der Grund des Handelns wäre, wie könnte Gott die Schuldigen freisprechen? Deshalb wird hier unsere Aufmerksamkeit von Anfang an auf die gesamte Szene als eines der schrecklichsten Zeichen Gottes und des Entsetzens seines Volkes gelenkt. Der Berg, zu dem ihre Väter gekommen waren, war sichtbar, wie der Rest ihres Systems; aber mehr noch, er glühte von Feuer, dem Symbol des vernichtenden Gerichts Gottes. Und, was den Schrecken noch vergrößerte, es war düster, dunkel und stürmisch, nicht hell und friedlich, sondern genau das Gegenteil. Über dem grellen Licht, der schwarzen Finsternis und dem Sturm ertönte eine unheimliche Posaune und eine Stimme mit noch schrecklicheren Worten, so dass die, die diese Stimme hörten, es nicht mehr ertragen konnten, dass sie sie erreichte. Am unheilvollsten war das, was da verkündet wurde: Wer von den Menschen konnte es ertragen, dass ein Tier, das den Berg berührte, gesteinigt werden sollte? Wenn dies das Schicksal der unbewussten Tiere sein würde, wo würde dann der Sünder erscheinen? Ja, sogar der Mittler des Gesetzes, der von Gott geehrt wurde und mit seiner Gegenwart vertraut war, konnte bei diesem schrecklichen Anblick nur sagen: „Ich bin voll Furcht und Zittern“ (V. 21).
Das war die vorbildliche Annäherung Israels zu Gott, wenn es das Gesetz hören wollte. Ihre eigenen Schriften erklären, dass dies und Ähnliches nur das Aussehen Gottes ihnen gegenüber war – dies war ihr Empfinden und ihr Zustand vor Ihm. Sicherlich ist es nicht so, dass die Bekenner des Herrn Jesus sich Gott im Evangelium nähern. Dort hören wir von der Gabe seiner Liebe in seinem eingeborenen Sohn, damit jeder, der glaubt, das ewige Leben hat – in Ihm, der für unsere Sünden am Kreuz gelitten hat. Er war es, der das Gericht trug und in den Tod hinabstieg. Das Evangelium offenbart den Erlöser als Leben und als Sühnung; Gott hat seinen eigenen Sohn zu beiden Zwecken gesandt. Wie wir durch Christus leben, so werden wir durch seine Striemen geheilt. Wir sind aus Gnade errettet; aber die Kosten hat Gott getragen durch den versöhnenden Tod seines Sohnes; und die Gnade regiert durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn. Wenn nun einige der Juden, die sich zu einem solchen Erlöser bekannten, müde wurden und zum Judentum zurückkehrten, sollten sie abwägen, was sie im Evangelium aufgeben und wozu sie unter dem Gesetz zurückkehren müssen.