Behandelter Abschnitt Heb 12,12-17
Der Apostel nimmt seine Ermahnung nach der Ausführung der göttlichen Züchtigung wieder auf, die die vorhergehenden Verse eingenommen hatte, und die für jeden heilsam ist, besonders aber für die, die den Herrn Jesus aus der Mitte der Juden bekannt haben. Das Christentum vertieft die persönliche Erziehung, die Hiob uns von Anfang an und auf dem breitesten Boden eröffnet hat; so wie das Buch der Sprüche, auf das hier Bezug genommen wird, sie in Israel, wo der Name des Herrn bekannt war, mit großer Sorgfalt und empfindsamer Weisheit wiedergegeben hat. Aber das Bild wird nun erweitert, von den Wettlauf laufen auf die gerade Bahn für den Wandel, der besonders für die Schwachen auf dem Weg wünschenswert sind; und wir wissen aus Römer 14 und 15, woher diese kamen und worin die Schwachheit im Zusammenstoß mit heidnischen Brüdern bestand, die sich der Stärke rühmten.
Darum „richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten Knie“, und „macht gerade Bahn für eure Füße“, damit nicht das Lahme vom Weg abkomme, sondern vielmehr geheilt werde. Jagt dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne die niemand den Herrn schauen wird; und achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und euch beunruhige und viele durch sie verunreinigt werden; dass nicht jemand ein Hurer sei oder ein Ungöttlicher wie Esau, der für eine Speise sein Erstgeburtsrecht verkaufte; denn ihr wisst, dass er auch nachher, als er den Segen erben wollte, verworfen wurde (denn er fand keinen Raum zur Buße), obgleich er ihn mit Tränen eifrig suchte (12,12–17).
Wir sehen hier, wie wichtig der Glaube für den Lebenswandel ist, wie es Hebräer 11 von früher her veranschaulicht und der ganze Brief als Quelle der Kraft und das Gelenkstück des Segens für den Christen hervorgehoben hat. Es ist das Versagen in dieser Hinsicht, das alle Schwachheit entlarvt; und das Vertrauen auf Gott und das Wort seiner Gnade ist es, das den Funken zu einer beständigen Flamme entfacht. Die Juden waren aufgrund ihres Systems und des Denkens, das es nährte, besonders anfällig dafür, nach unmittelbaren Wirkungen und sichtbarer Macht zu suchen. So wie die Griechen nach Weisheit oder Philosophie suchen, fragen die Juden nach Zeichen; und das konnte die Getauften unbewusst beeinflussen; denn enttäuschte Erwartungen, die durch die Wahrheit nicht gerechtfertigt waren, machten sie müde, erschöpft und schwach. Daher die Aufforderung, die erschlafften Hände und die gelähmten Knie wiederherzustellen und gerade Bahn für ihre Füße zu machen, „damit nicht das Lahme vom Weg abkomme, sondern vielmehr geheilt werde“ (V. 12.13). Die Freude über die gegenwärtige Liebe und die künftige Herrlichkeit werden uns mit der größten Gewissheit vor Augen gestellt; der notwendige Kummer in unserer Erfahrung wird auf dem Weg in Segen verwandelt; und unsere Züchtigung wird als Frucht der göttlichen Liebe zum Nutzen gezeigt, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden, der uns liebt. Denn so lesen wir hier von dem, was wir nur unter dem Gesichtspunkt der Forderung zu betrachten pflegen. Das sind der Zweck und das Ziel seiner Erziehung zum Nutzen der besten Art.
Wenn man aber seine Liebe aus den Augen verliert, erschlaffen die Hände und erden die Knie gelähmt. Der Glaube hat keine andere Kraft als im Vertrauen auf seine Gnade. So steht es überall in der Lehre, vom Römerbrief bis zum Hebräerbrief und vom Hebräerbrief bis zur Offenbarung. Es war immer wahr; es ist klar wie das Licht, seit Christus gekommen ist. Er selbst ist ihr unermüdlicher Zeuge in unvergleichlichen Leiden. Und niemand kann es ohne unmittelbaren Verlust vergessen.
Weiter heißt es: „Jagt dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit,
ohne die niemand den Herrn schauen wird“ (V. 14). Da wir durch unseren
Herrn Jesus Frieden mit Gott haben, werden wir ermahnt, ihn in der
Praxis eifrig zu suchen, wo es so viele Quellen der Uneinigkeit gibt;
und das nicht nur untereinander, sondern mit allen. Gott selbst ist der
Gott des Friedens, und seine Kinder sollen seinen Charakter
widerspiegeln. Aber es gibt eine noch dringendere Warnung, die mit der
Ermahnung zur „Heiligkeit“ verbunden ist, „ohne die niemand den Herrn
schauen wird“. Hier ist es ἁγιασμός (Heiligkeit, Heiligung), nicht nur
die Eigenschaft in ihrer abstrakten Form, sondern in ihrer Wirkung oder
ihrem Ergebnis, wie es auf uns angewandt wird; und so findet man es im
ganzen Neuen Testament (Röm 6,19.22; 1Kor 1,30; 1Thes 4,3.4.7; 2Thes 2,13; 1Tim 2,15; 1Pet 1,2). Darin gibt es nichts, was die Ängstlichsten
beunruhigen könnte, mehr als in allen Schriften, die auf der
Übereinstimmung mit Gottes Willen in allem, was sein ist, bestehen (Röm 2,7-11; 1Kor 9 und 10; 9,27; Gal 5,19.20; 6,7.8; Eph 5,5-7;
Dies wird durch das Folgende nur noch verstärkt: „und achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide“ (V. 15a). Wenn das Herz nicht auf seiner Gnade und folglich auf Christus und seinem Werk ruht, ist alles vergeblich; denn alles ist der Mensch, und zwar der gefallene Mensch, der sich anmaßt, auf andere Weise die Annahme bei Gott zu suchen. In einem solchen Zustand kann es niemals ein angemessenes Bewusstsein für die Sünde geben, ebenso wenig wie für die Heiligkeit. Die Gnade, die Gnade Gottes, befähigt den Menschen, sich selbst schonungslos zu beurteilen und sich an der unbefleckten Natur Gottes zu erfreuen, denn sie gibt in Christus das Leben, das Gott vollkommen entspricht, und das Sühnopfer, das unsere Sünden auslöscht. Dies ist in der Tat die Liebe, nicht die unsere (obwohl wir lieben), sondern seine Liebe in ihrer gesegneten Fülle. Es ist die souveräne Gnade, an der die Menschen scheitern, die es wagen, sich Gott aufgrund ihrer eigenen Taten oder aufgrund von Taten, die sterbliche Menschen für sie vollbracht haben, zu nähern; beides hat Israel in Anspruch genommen, vielleicht genauso wie die Heiden.