Behandelter Abschnitt Heb 7,1-3
Der Teil, den wir nun vor uns haben, entwickelt das Vorbild Melchisedeks, soweit er sich auf Christus im Himmel und den christlichen Teil bezieht. Der zukünftige irdische Teil wird nur angedeutet und in keiner Weise ausgebreitet.
Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes, des Höchsten, der Abraham entgegenging, als er von der Schlacht der Könige zurückkehrte, und ihn segnete, dem auch Abraham den Zehnten von allem zuteilte; der erstens übersetzt König der Gerechtigkeit heißt, dann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend, aber dem Sohn Gottes verglichen, bleibt Priester auf immerdar (7,1–3).
Hier gibt uns der Geist Gottes ein schönes Beispiel für die Entfaltung einer Begebenheit des Alten Testaments im Licht des Neuen Testaments. Die Herrlichkeit Christi ist nach wie vor der wahre Schlüssel, ohne den man die Gedanken Gottes in seinem Wort niemals begreifen kann. Und es ist auffallend, dass die Zurückhaltung der Schrift nur weniger lehrreich ist als ihre Enthüllungen. Alles muss abgewogen werden; aber wer ist dazu in der Lage? Unsere Genügsamkeit kommt von Gott, der jetzt in uns, die wir glauben, durch denselben Geist wirkt, der beide Testamente inspiriert hat, und der wirkt, um (nicht den Christen oder die Versammlung, so gesegnet beide sind, sondern) Christus zu verherrlichen, dessen Gnade und Herrlichkeit das Wesen unserer besten Segnungen sind.
In 1. Mose 14 haben wir den letzten Hinweis auf das öffentliche Leben Abrahams als Auserwählter und Berufener, der im Glauben an Gottes Verheißung wandelt; denn in 1. Mose 15 beginnt das Handeln Gottes mit ihm persönlich. Der Anlass war die Rettung Lots, der mit seiner Familie und Habe zusammen mit seinen Nachbarn, deren weltliche Vorteile er begehrt hatte, weggeführt wurde. Der Mann des einfachen Glaubens und der Selbstaufopferung, den Lot ausgenutzt hatte (1Mo 13), verfolgt und besiegt ohne Zögern die siegreichen Könige des Ostens. Da erscheint Melchisedek, und zwar um so unerwarteter, als es kaum einen Grund gibt, daran zu zweifeln, dass er ein Fürst war, der dem schuldigen Geschlecht ähnlich war, das bald darauf durch das ernsteste Gericht Gottes bestraft wurde. Dennoch war er kein Götzendiener, sondern ein Priester Gottes, des Höchsten. „Und Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus; und er war Priester Gottes, des Höchsten. Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Abram von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt! Und gepriesen sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand geliefert hat! – Und Abram gab ihm den Zehnten von allem“ (1Mo 14,18-20).
Die wichtigste Wahrheit, die es zu begreifen gilt, ist, dass der Brief ausschließlich die „Ordnung“ Melchisedeks im Gegensatz zu der Ordnung Aarons begründet. Wenn er von der Ausübung des Priestertums spricht, ist Aaron das Vorbild und nicht Melchisedek; und dann hören wir von Opfern und Fürbitte, von Blutvergießen und einem Heiligtum, mit dem levitischen Gottesdienst im Allgemeinen. All das hat natürlich keinen Bezug zu Melchisedek, sondern nur zu Aaron als Sinnbild für das gegenwärtige Handeln des Herrn, das auf seinem Sühnungswerk für die Sünde beruht.
Die Ausübung des königlichen Priestertums hat mit der Erde an einem zukünftigen Tag zu tun, wenn der Mann, dessen Name Spross ist, den Tempel in Wahrheit bauen wird: „Ja, er wird den Tempel des Herrn bauen; und Er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und Er wird Priester auf seinem Thron sein; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein“ (Sach 6,12.13). Hosea 2,16-25 ist ein leuchtendes Zeugnis für diesen Tag, nur dass es hier um den Titel Herr geht. „Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der Herr, da wirst du mich nennen: Mein Mann; und du wirst mich nicht mehr nennen: Mein Baal. Und ich werde die Namen der Baalim aus ihrem Mund wegtun [Er wird in Wahrheit und Zuneigung El-Elyon, der Allerhöchste Gott, sein], und sie werden nicht mehr mit ihrem Namen erwähnt werden. Und ich werde an jenem Tag einen Bund für sie schließen mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit den kriechenden Tieren der Erde; und ich werde Bogen und Schwert und den Krieg aus dem Land zerbrechen und werde sie in Sicherheit wohnen lassen. Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den Herrn erkennen. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der Herr: Ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören; und die Erde wird das Korn und den Most und das Öl erhören; und sie, sie werden Jisreel erhören. Und ich will sie mir säen im Land und will mich über Lo-Ruchama erbarmen. Und ich will zu Lo-Ammi sagen: ,Du bist mein Volk‘; und es wird sagen: ,Mein Gott‘“ (Hos 2,18‒25).
Dies wird das Reich Gottes sein, nicht in dem moralischen Sinn, der jetzt und immer gilt, wovon unser Herr (Mt 6,33) und der Apostel Paulus (Röm 14,17) sprechen, sondern in der zukünftigen Darstellung, wenn die Widersacher niedergeschlagen sind. Unser Brief spricht davon als von dem zukünftigen Erdkreis oder der Welt (Heb 2) und als vom zukünftigen Zeitalter (Heb 6), wie auch in anderen Formen, die sehr aussagekräftig sind. Es ist das große Ziel der Prophezeiung, ob im Alten Testament oder im Neuen Testament. Groß muss die Lücke für den sein, der nicht auf den Triumph der Barmherzigkeit und der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Herrlichkeit blickt, nicht nur im Himmel, sondern auf dieser Erde, unter unserem Herrn Jesus, wenn Israel aus Gnade bußfertig und unterworfen und so in der Lage sein wird, den ihm zugewiesenen Platz an jenem Tag als Gottes Volk, sein Sohn, sein Erstgeborener (2Mo 4,22); und die Heiden, die sowohl durch göttliche Gerichte als auch durch unverdiente und unerschöpfliche Güte gedemütigt werden, werden erkennen, dass der Herr Israel mit seinem Heiligtum in ihrer Mitte für immer heiligt. Die Herrlichkeit des Herrn, die sich hier auf der Erde offenbart hat, wird die Antwort auf seine Leiden und seine Schande sein; und die, die im Glauben und in der Liebe die Letztere geteilt haben, werden die Erstere genießen und mit Ihm über die Erde herrschen. Dies ist nicht der ewige Zustand, sondern das Reich für tausend Jahre, bevor die Ewigkeit beginnt oder das Gericht über die Toten, die gottlosen Toten, das ihm vorausgeht.
Auch hat niemand eine angemessene Vorstellung vom kommenden Reich Gottes, der es nicht vom auferstandenen Herrn in Person verwaltet sieht, wobei die verherrlichten Gläubigen in der Höhe sind, Israel und die Völker hier auf der Erde. Denn es gibt sowohl irdische als auch himmlische Dinge. Daran erinnerte der Herr Nikodemus, den Lehrer Israels, obwohl er es war (Joh 3,3.5.12); und viele andere in der Christenheit müssen jetzt daran erinnert werden. Denn die Menschen neigen immer dazu, sich mit ihren eigenen Dingen zu beschäftigen, und sie verwechseln leicht diese Absicht Gottes zur Verherrlichung Christi mit einer unbestimmten und allgemeinen Sicht auf die Ewigkeit. Aber die Lehre der Schrift ist ebenso eindeutig und unbestreitbar wie das prophetische Wort. „Denn das sehnliche Harren der Schöpfung [ausdrücklich unterschieden von uns selbst, die wir auch die Erstlingsfrucht des Geistes haben] wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes“ (Röm 8,19); das geschieht ohne Zweifel, wenn wir Christus aus dem Himmel folgen und mit Ihm in der Herrlichkeit offenbart werden (Röm 8,18-25; Kol 3,4; Off 17,14; 19,14). Dies ist in der Tat die Wiedergeburt (Mt 19,28), jenes Zeitalter und die Auferstehung aus den Toten (Lk 20,35), wenn das Reich des Vaters von oben kommt und sein Wille auf der Erde wie im Himmel geschieht. Aber es ist nicht das Ende, wenn Christus das Reich Gott übergeben haben wird, sondern sein Regieren, bis Er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Und es ist klar, dass der Tod als letzter Feind erst kurz vor dem großen weißen Thron beseitigt wird. Denn das Tausendjährige Reich, so beispiellos es auch gesegnet sein mag, ist nicht absolut vollkommen wie die Ewigkeit, die es einleitet (siehe Jes 65; 1Kor 15; 2Pet 3).
Eines der markantesten Kennzeichen dieses Tages, einer Haushaltung der Fülle der Zeiten, ist, dass Gott alles in Christus als Haupt zusammenfasst, die Dinge im Himmel und die Dinge auf der Erde. So wie wir Kinder Gottes sind, so sind wir auch seine Erben und Miterben mit Christus, dem Erben aller Dinge. Daher heißt es hier (Eph 1,10.11), dass wir das Erbe erlangt haben, das an jenem Tag offenbar werden wird; denn die Herrlichkeit, die der Vater Ihm gegeben hat, hat Er uns gegeben, obwohl wir warten müssen, in einer Hoffnung, die nicht beschämt (Joh 17; Röm 5,5). Der, der herabgestiegen ist, ist derselbe, der weit über alle Himmel hinaufgestiegen ist, damit Er alles erfüllen würde. Durch Ihn ist das Opferwerk vollbracht, um alles mit Gott zu versöhnen, sei es auf der Erde oder in den Himmeln; und inzwischen sind wir schon versöhnt, so dass wir mit Freude sein Kommen in Herrlichkeit erwarten. Wenn Er aber kommt, wird Er mit seiner verherrlichten Braut das ganze Universum, das himmlische und das irdische, zum Schauplatz seiner Herrlichkeit machen. Sein Reich nur auf die Erde zu beschränken, ist ebenso falsch, wie es auf den Himmel zu beschränken. Die Schrift schließt die Engstirnigkeit beider Ansichten aus, von denen die eine in der vorapostolischen Zeit und die andere in der Neuzeit galt. Die Wahrheit ist wie üblich größer als alles; und die Wahrheit verlangt beides, um den Herrn würdig zu verherrlichen, der der wahre Melchisedek ist und Brot und Wein herausbringen wird, um die zurückkehrenden Sieger zu erquicken. Denn auch dort und dann werden die Gefangenen gefangengeführt werden. Der Glaube, der sich selbstlos der Welt verweigert hat, besiegt die Welt, die eine Zeit lang die Oberhand hatte.
So handelt der königliche Priester an jenem Tag: Er opfert nicht, er verbrennt kein Räucherwerk, aber Er erfrischt, wenn der Sieg am Ende des Zeitalters errungen ist und Gott sich als der Höchste erweist, wenn die höchsten Gegner besiegt sind. Es ist nachdrücklich ein Segen, denn dieser Tag wird sein unumstößlicher Beweis sein. Und das Wort des Segens ist zweifach: Abram (stellvertretend für Israel als dessen Vater) segnet auf der einen Seite den Höchsten, „der Himmels und Erde besitzt“; und auf der anderen Seite: „Und gepriesen sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand geliefert hat“, worauf Melchisedek den Zehnten als ordnungsgemäß und dankbar dargebracht empfängt (1Mo 14,19.20).