Behandelter Abschnitt Titus 1,12-14
Zweifellos waren die Wege dieser Störenfriede widerspenstig; aber die böse Lehre ist noch verderblicher, da sie sich gewohnheitsmäßig in Gedanken kleidet, die der menschlichen Natur schmeicheln. Christus, der das Leben und die Nahrung aller Wiedergeborenen ist, ist nicht darin zu finden. Aber diese Männer lehrten Dinge, die nicht gelehrt werden sollten; und ihr Ziel war schändlicher Gewinn, nicht die Ehre des Herrn, sondern das, was als Mittel oder Zweck zu einem Götzen wird, der Lust und Ungerechtigkeit duldet.
Das Böse ist nicht überall gleich; bestimmte Zeiten und Orte haben einen eigenen Charakter. Die Kreter hatten einen überdurchschnittlich schlechten Ruf, und das nicht nur bei den Fremden, die sie vielleicht mit wenig Zuneigung betrachteten, sondern sogar bei ihren eigenen Landsleuten, die gewöhnlich dazu neigten, den eigenen Fehlern gegenüber nachgiebig zu sein.
Es hat einer von ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche [d. h. gefräßige Vielfraße].“ Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden (1,12‒14).
Der Apostel zitiert hier einen ethischen Dichter, Epimenides von Kreta, um den bekannten Gefahren der Betroffenen umso mehr Nachdruck zu verleihen. Es ist nicht anzunehmen, dass er ihn, diesen heidnischen Autor, als einen Propheten Gottes gutheißt. Deshalb war es nötig, hinzuzufügen: „Dieses Zeugnis ist wahr.“ Aber es zeigt, wie die Gnade sich herablässt, alles zu verwenden, was wahr ist, auch wenn die Quelle unrein sein mag. In demselben Geist zitierte der Apostel einen berühmten Komödianten, um die Korinther umso eindrücklicher zu überführen: „Böser Verkehr verdirbt gute Sitten.“ Und wenn ein Heide, der weder bei sich selbst noch in seinem Leben besonders umsichtig war, eine Meinung äußerte, die so sehr auf die Gefahr in Korinth zutraf, dann war es eine umso schärfere Zurechtweisung für die leichtfertigen Gläubigen auf Kreta, wenn sie aus einem solchen Mund kam. Ihre Leichtfertigkeit hat sie getäuscht; sogar Menander hat sie getadelt. Hier gab also jemand von ihnen selbst, ein eigener Prophet, als heidnischer Moralist ein wahres Zeugnis über den unzuverlässigen Charakter, die schadenfrohe Tätigkeit und die faule Selbstsucht der Kreter im Allgemeinen.
Der natürliche Charakter, der in jedem Ungläubigen steckt, ist untauglich für das Leben des Glaubens. Der Geist Gottes bringt all das hervor, was gut ist, indem er Christus vor die Herzen stellt, als Gegenstand des Glaubens und Quelle der Liebe und Geber der Freude. Der Feind nutzt die für ihn wichtige Angriffsfläche, durch die er geschickt auf den alten Menschen einwirkt, wenn er unachtsam ist – zur Verunehrung des Herrn. Wo Unachtsamkeit ist, da folgt der Fall. Deshalb ist die böse Natur eine ständige Gefahr. Wenn man sich wirklich auf Christus stützt und auf Ihn schaut, schenkt der Heilige Geist völlige Überwindung des Bösen. Hier geht es um die, die nach dem Fleisch wandeln: daher trifft das demütigende Zeugnis in seiner ganzen Kraft zu. Titus tat gut daran, das zu bedenken; auch konnte sich ein Kreter nicht über die Strenge des Apostels beklagen, wo ein bedeutender Landsmann von ihnen schon längst ihren aufbrausenden Charakter erkannt hatte. „Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben“ (V. 13).
Lästerliches Verhalten hat seinen Ursprung immer darin, dass sich etwas Ungesundes in den Geist einschleicht. Ungesund im Glauben zu sein, ist der Königsweg zu unheiligen Wegen. Auch hier finden wir die Perversität der jüdischen Fabeln. Sie trat schon damals auf, und zweifellos lange vorher. Religiöse Phantasie hat seitdem zum unabsehbaren Übel derer gewirkt, die den Namen des Herrn tragen. Aber es gibt mehr als „Fabeln“, vor denen man sich hüten muss, auch „Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden“ (V. 14). Traue niemals den praktischen Ermahnungen oder den moralischen Wegen derer, die, nachdem sie sich einmal zur Wahrheit bekannt haben, sich von ihr abwenden. Es gibt kein größeres Übel, das in der Christenheit verbreitet ist. Es hat einen abtrünnigen Charakter. Denn Gottes Wort wird sich niemals mit den Geboten von Menschen vermischen: Wo man das versucht, setzt sich auf die Dauer wirklich das menschliche Element durch, und das göttliche wird zu einer kraftlosen Form.