Behandelter Abschnitt Tit 1,12-14
Verse 12–14. Diese Schwätzer, und unter ihnen Angehörige des jüdischen Volkes, waren ursprünglich von Kreta. Auch die Kreter hatten wie andere Nationen ihre eigenen Propheten, Poeten und Moralisten, die in ihren Werken ihre tiefe Verachtung für ihre Mitbürger zeigten. Zu diesem Urteil gelangen die meisten klarsehenden Moralisten in der Welt, wenn sie sich zur Aufgabe stellen, die Menschen zu erkennen. Sie schätzen sie schliesslich sehr gering ein, gehen aber nie so weit, sich selbst zu verachten, weil sie sich nie vor Gott gesehen haben, um wie Hiob zu sagen: «Ich verabscheue mich.»
So hat Epimenides, Philosoph und Staatsmann, ihr eigener Prophet, in dem einzigen Bruchstück, das uns, wenn ich nicht irre, von ihm geblieben ist, seine Mitbürger 600 Jahre vor Christo wie folgt beurteilt: «Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.» Lüge, bestialische Bosheit und Völlerei, Begierden, die sich ohne Arbeit und Mühe befriedigen wollen, das war der Charakter der Kreter; so sind sie vielleicht noch heute. Dieses Zeugnis ist wahr, sagt der Apostel. Was die Beurteilung seiner Mitbürger betrifft, hatte jener Mann Gott gemäss gesprochen; er «besass die Wahrheit» (Röm 1,18); er war ein von Gott anerkannter Zeuge der Verderbtheit der Kreter. Was war im Hinblick auf diese Menschen zu tun? «Weise sie streng zurecht», sagt der Apostel zu seinem treuen Beauftragten.
In 2Kor 13,10 finden wir den gleichen griechischen Ausdruck, wo Paulus davon spricht, «Strenge zu gebrauchen nach der Gewalt, die der Herr mir gegeben hat zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung». Es handelte sich somit darum, gegen die «Verführer» Strenge zu gebrauchen, mit Gewalt, einer Funktion, die nicht den Ältesten anvertraut wurde, sondern Titus, bezeichnet durch den Apostel, welcher selbst diese Autorität direkt vom Herrn empfangen hatte. Diese Strenge hatte auch Paulus mehr als einmal gebraucht, selbst hinsichtlich des Petrus, wie er ein Apostel, als der Glaube auf dem Spiel stand und die gesunde Lehre in Gefahr war. Aber der Tadel selbst, der sich an diese zügellosen Schwätzer und Betrüger richtete, hatte die Liebe als Motiv. Sein Ziel war nicht, diese störenden und gefährlichen Menschen zu verwerfen, sondern sie dazu zu führen, gesund im Glauben zu sein.
Diese Entfaltung geistlicher Autorität war notwendig, um sie zur Erkenntnis der durch den Glauben empfangenen Wahrheiten zurückzuführen.2 Selbstverständlich wurde diese Autorität durch den Gebrauch des Wortes Gottes in der Kraft des Geistes ausgeübt.
2 Das ist hier, wie in vielen anderen Stellen, der genaue Sinn des Wortes Glauben, während es sonst häufiger gebraucht wird, wie in Kap. 1,1, um den Zustand des Herzens zu bezeichnen.↩︎