Behandelter Abschnitt 1Tim 2,1-2
Von den Menschen, dir drinnen sind und jetzt so feierlich dem Satan übergeben wurden, wendet sich der Apostel unseren Beziehungen zu den Menschen draußen zu, besonders zu denen, die Autorität ausüben.
Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst (2,1.2).
Es geht hier nicht um die Ratschlüsse Gottes in ihrer ganzen unermesslichen Ausdehnung und himmlischen Herrlichkeit, sondern um das, was dem Wesen Gottes entspricht, das in Christus offenbart und durch das Evangelium überall bekanntgemacht wurde. Das ist der Charakter unseres Briefes, und das ist der Grund, auf dem der Apostel auf einem Geist des Friedens auf der einen und der göttlichen Ordnung auf der anderen Seite besteht. In Übereinstimmung damit ermahnt er, dass die Gläubigen von einem Verlangen nach Segen für alle Menschen geprägt sein sollten: das genaue Gegenteil jener stolzen Strenge, die die Heiden den späteren Juden bitter verübelt haben. Es war umso wichtiger, diese gnädige Haltung zu betonen, als es zum Wesen der Versammlung gehört, in heiliger Absonderung von der Welt zu stehen, wie eine keusche Jungfrau, die mit Christus verlobt ist. Bei leichten oder harten Gemütern artet diese Absonderung leicht in eine saure Selbstgefälligkeit aus, die von Ihm abstößt, statt zu Ihm hinzuführen, dessen Rechte über alles zu behaupten die erste Pflicht der Versammlung ist, dessen Herrlichkeit und Gnade jeden Mund und jedes Herz mit Lob erfüllen sollte. Durch den Missbrauch seiner Privilegien war ein Jude immer in Gefahr, den Heiden zu verachten, und nicht zuletzt die in hohen Positionen, mit einer bitteren Verachtung für solche ihrer Brüder, die den Heiden bei der Erhebung von Tribut dienten, dem Zeichen ihrer eigenen Erniedrigung. In ihrem nationalen Verderben hatten sie mehr als allen Stolz ihres Wohlstandes und verurteilten ihre heidnischen Herren mit einer Strenge, die schlecht zu denen passte, die ihre Stellung, zumindest für eine Zeit, durch ihr ständiges Nachgeben gegenüber den schlimmsten Sünden der Heiden verloren hatten.
Der Christ ist nicht weniger in Gefahr. Denn einerseits ist ihm ein Zeugnis der Wahrheit anvertraut, das weit über das hinausgeht, was der Jude hatte; und andererseits besteht seine Absonderung nicht so sehr in äußeren Formen. Daher ist er in ständiger Gefahr, eine Absonderung zu Gott nicht in der Kraft des Heiligen Geistes in Wahrheit und Liebe unter denen, die dem Herrn anhangen, sondern in besonderen Enthaltungen und Verboten, in dem Bestreben, sich von anderen zu unterscheiden und so eine Überlegenheit für sich zu beanspruchen, gut zu machen. Dies setzt den Unvorsichtigen offensichtlich der Selbsttäuschung aus, da es dazu neigt, das aufzubauen, was so weit wie möglich vom Geist Christi entfernt ist – ein bitteres, wenn auch unbewusstes Sektierertum.
Hier sehen wir, wie der Geist Gottes über die Gläubigen wacht, damit ihre Trennung, so heilig sie auch sein mag, nach Gottes Gnade und nicht nach dem Stolz des Menschen riecht. Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen, sollen für alle Menschen geschehen. Nicht nur, dass sie beständig beten und nicht verzagen sollen; auch nicht, dass sie nur für alle Gläubigen beten sollen und besonders für die, die sich mit dem Zeugnis Christi einsmachen. Aber hier finden wir eine Ermahnung zu jeder Art von Gebet auf der breiten Basis der Beziehung Gottes zu allen Menschen. Die Gläubigen müssen dem entsprechen, wenn sie der Wahrheit nicht untreu werden wollen. Auch sie haben eine entsprechende Beziehung.
Gerade das Evangelium, durch das sie gerettet wurden, sollte sie daran erinnern. Denn wenn die Versammlung in ihrer Vereinigung mit Christus, oder vielmehr, wenn Christus und die Versammlung das besondere Zeugnis der göttlichen Ratschlüsse sind, so ist das Evangelium nicht weniger das ständige Zeugnis der Gnade Gottes für die Welt. Die Gläubigen, die beides kennen, sind daher dafür verantwortlich, ein wahres Zeugnis für das eine nicht weniger als für das andere zu geben. Und in der Praxis wird man feststellen, dass die Übertreibung des einen nicht nur dazu neigt, das andere zu verlieren, sondern auch das zu verderben, was zum ausschließlichen Gegenstand wird. Denn Christus ist die Wahrheit; weder das Evangelium noch die Versammlung haben ein Recht auf unsere ungeteilte Liebe, sondern beide in Unterordnung unter Christus. Und wir sind berufen, die Wahrheit zu bezeugen, wie wir geheiligt sind (nicht durch diese oder jene Wahrheit, sondern) durch die Wahrheit.
Das ist die Gefahr heute wie in der Antike. Gläubige sind wie andere Menschen geneigt, einseitig zu sein. Es sieht geistlich aus, die höhere Linie zu wählen und auf dem erhabensten Punkt zu stehen und sich in dieser himmlischen Erhebung sicher zu wähnen. Andererseits scheint es liebevoll zu sein, sich von der Kirchenfrage fernzuhalten, die so ständig missbraucht wird, um Ehrgeiz, wenn nicht sogar Bosheit und Eifersucht zu befriedigen (und so die Gläubigen zu zerstreuen, anstatt sie in Heiligkeit um den Namen des Herrn zu vereinen), und in dem gegenwärtigen zerbrochenen Zustand der Christenheit alle seine Energien der Frohen Botschaft zu widmen, die Menschen aus dem Verderben für Gott gewinnt. Aber dies bedeutet, den engsten Kreis der Zuneigung und Ehre Christi aufzugeben. Der einzige Weg, der richtig, heilig und treu ist, besteht darin, an allem festzuhalten, was in seinen Augen kostbar ist – einerseits die Versammlung mit allen Konsequenzen zu lieben und andererseits zur ganzen Menschheit hinauszugehen in der Gnade, die das Licht eines Heiland-Gottes widerspiegeln würde. Wie im Epheserbrief und im Kolosserbrief die erste Wahrheit im Vordergrund steht, so ist es hier die zweite. Lasst uns versuchen, in beidem zu wandeln.
Die Authorised Version verbindet fälschlicherweise „vor allen Dingen“ mit dem Flehen und so weiter, wie auch der Syrer, Chrysostomus, Theophylact, Erasmus, Luther, Calvin, Estius, Bengel und andere. So auch Tyndale, Cranmer und die Genfer; nicht Wiclif noch der Rhemish (der wie üblich an der Vulgata festhält) noch Beza. Denn der Apostel meint, dass er so ermahnt, als sei es ihm in erster Linie um seinen gegenwärtigen Zweck zu tun. Die Ermahnung hatte in seinen Augen eine große Bedeutung, die den Charakter der Gnade Gottes sowohl im öffentlichen als auch im privaten Umgang der Gläubigen mit Ihm selbst wahrhaftig dargestellt haben wollte. Der Gott, der seinen eigenen Sohn gab, damit Er für die Sünder im göttlichen Gericht über die Sünde zu sterben würde, konnte nicht mit der Geringschätzung von Sünden belastet werden, seien es Sünden der Verderbnis oder der Gewalt; aber oh, die Liebe dessen, der seinen Sohn gab, um für die Sünder zu sterben, damit sie durch den Glauben an Ihn gerettet würden!
Darum ermahnt sein Diener vor allen Dingen, Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen für alle Menschen zu tun, aber ins besondere „für Könige und alle, die in Hoheit sind.“ So hatten die Gottesfürchtigen in Israel für die Stadt gebetet, die sie für ihre Sünden züchtigte, und ihren Frieden gesucht (Jer 29,7); während die Falschen gewohnheitsmäßig widerstrebend waren, außer für gelegentlichen Gewinn oder andere selbstsüchtige Zwecke. Aber nun, da Gott sich in Christus völlig offenbart hatte, was wurde aus seinen Heiligen vor allen Menschen und besonders vor Fürsten und Herrschern? Das fortwährende Betätigen der ernsten Liebe für alle Menschen, wozu sie immer frei sein sollten, die von der Furcht vor dem Bösen und einem schlechten Gewissen befreit sind, die in ihrer eigenen nahen Beziehung zu Gott als seine Kinder friedlich und glücklich sind, die deshalb wahrhaftig und tief für alle empfinden können, die weit weg in unerreichtem Tod und Dunkelheit sind und von ihrem wirklichen Elend so wenig wissen wie von dem seligen Gott selbst. Die erhabene Stellung derer, die in der Obrigkeit stehen, würde solche nur noch mehr zu besonderen Objekten des liebevollen Wunsches machen, dass die souveräne Güte sie und ihre Beamten beherrschen möge, damit die Gläubigen ein ruhiges und stilles Leben in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst führen können.
Der Leser wird die Fülle und Vielfalt im Ausdruck der Gebete der Gläubigen bemerken. „Flehen“ schließt die Ernsthaftigkeit des Drängens bei Not ein; „Gebet“ ist allgemeiner und bringt Bedürfnisse und Wünsche vor; „Fürbitte“ bedeutet die Ausübung eines freien und vertrauensvollen Umgangs, sei es für uns selbst oder für andere; und „Danksagung“ drückt das Empfinden des Herzens für die gewährte oder erwartete Gunst aus.