Behandelter Abschnitt Kol 1,1-2
Sogar für den oberflächlichsten Leser ist es kaum möglich, zu übersehen, dass die Wahrheit, die im Kolosserbrief vorgestellt wird, sehr ähnlich ist mit der, die im Brief an die Epheser dargelegt wird. Die Vereinigung mit Christus, dem Haupt seines Leibes, der Versammlung, hat hier einen weit größeren Stellenwert als in allen anderen Schriften; denn obwohl der erste Brief an die Korinther dieselbe Lehre darlegt (Kap. 12), ist es offensichtlich, dass es hier um die Versammlung Gottes auf der Erde geht, in der der Heilige Geist aktiv durch die Glieder wirkt und jedem austeilt, wie Er will, viel mehr als um die Gläubigen, die in Christus droben gesehen werden, wie im Epheserbrief, oder um Christus, der unten in ihnen gesehen wird, wie im Kolosserbrief.
Dennoch gibt es in diesen beiden Briefen wichtige und interessante Unterschiede. Der wichtigste ist der, dass wir im Epheserbrief die Vorrechte des Leibes Christi haben, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt, und im Kolosserbrief die Herrlichkeit des Hauptes, in dem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt. Dieser Unterschied, wie auch andere, ist in der Weisheit des Geistes auf den moralischen Zustand der Briefempfänger zurückzuführen. Im ersten Fall geht der Apostel auf die Ratschlüsse Gottes ein, der die Heiligen mit allen geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern in Christus gesegnet hat. Im zweiten Fall gab es ein gewisses Abweichen durch die Philosophie und jüdische Traditionen, natürlich keine Abkehr von Christus, aber eine Beimischung dieser fremden Zutaten, dass in den Augen des Apostels fatale Folgen drohten, wenn die Gläubigen nicht zu Christus und zu Ihm allein in allen Rechten seiner Person und seines Werkes zurückgebracht würden. So enthält der Brief an die Kolosser aufgrund ihres Zustands nicht den weiten Umfang und die Entfaltung der göttlichen Absichten und der Herrlichkeit für die Gläubigen, die in Christus gesehen werden und mit Ihm vereint sind; wohingegen es im Brief an die Epheser nichts gab, was das Herz des Apostels hätte aufhalten oder einengen können, als der Geist ihn dazu führte, mit allen Heiligen die Breite und Länge und Tiefe und Höhe zu erfassen und die die Erkenntnis übersteigende Liebe Christi zu erkennen (Kap. 3,18.19). Hier geht es weitgehend um Ermahnung, um ihre Wiederherstellung, um ernste Warnungen. Daher ist das menschliche Element hier stärker ausgeprägt. Als der Apostel an die Epheser schrieb, verband er in seiner Anrede niemanden mit sich selbst; dennoch war Ephesus die Hauptstadt des prokonsularischen Asiens und seinen Mitstreitern gut bekannt und er war durch tausend enge Bande mit ihm und anderen verbunden. Die Versammlung in Kolossä gehörte zu denen, die sein Angesicht im Fleisch nie gesehen hatten. Umso deutlicher wird das, wenn er hier Timotheus mit sich selbst verbindet.
Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Timotheus, der Bruder, den heiligen und treuen Brüdern in Christus, die in Kolossä sind: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, [und dem Herrn Jesus Christus]! (1,1.2).
Paulus selbst war nicht ohne Autorität, noch war sein Titel menschlich. Er war ein Apostel, nicht der Versammlung, sondern Christi Jesu durch Gottes Willen; und Timotheus steht bei ihm einfach als „der Bruder“. Wiederum wird die Versammlung in Kolossä nicht nur als „heilige und treue Brüder“ charakterisiert, wie es die Epheser waren, sondern als „treue Brüder.“ Es ist offensichtlich, dass auch hier, während alle Dinge von Gott sind, der uns durch Jesus Christus mit sich selbst versöhnt hat, dieser Ausdruck „Brüder“ ihre Beziehungen zueinander hervorhebt, wie die anderen die Gnade Gottes und ihren Glauben, wenn nicht ihre Treue, voraussetzen.1 Sein eigener apostolischer Platz wird mit ruhiger Würde und mit offensichtlicher Angemessenheit für alles, was folgt, genannt.
1 Die Auslassung von „und der Herr Jesus Christus“ in den besten Texten ist besonders zu beachten; denn die Absicht des Briefes ist, die Herrlichkeit Christi besonders hervorzuheben. Einige ausgezeichnete Abschriften, die die Worte enthalten, mögen natürlich in diesen Fehler verfallen sein; denn die Schreiber würden nicht ohne weiteres auf die übliche Formel in diesen Briefen verzichten. Andererseits ist es schwierig, das Fehlen einer so vertrauten Endung in erstklassigen Zeugen verschiedener Zeitalter und Länder zu erklären, und die ausdrückliche Aussage der frühen Kommentatoren, dass sie hier nicht gefunden wurde, wenn die Worte echt sind.↩︎