Behandelter Abschnitt 5Mo 5
In diesem Kapitel kommen wir zu einer noch tiefergehender Betrachtung. „Und Mose rief ganz Israel und sprach zu ihnen: Höre, Israel, die Satzungen und die Rechte, die ich heute vor euren Ohren rede; und lernt sie, und achtet darauf, sie zu tun“ (V. 1). Gehorsam ist der Anspruch. „Der Herr, unser Gott, hat am Horeb einen Bund mit uns geschlossen“ (V. 2). Wir werden einen neuen Bund finden, der im Land Moab geschlossen wird, aber zuerst werden sie an den Bund vom Sinai erinnert. „Nicht mit unseren Vätern hat der Herr diesen Bund geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier alle am Leben sind. Von Angesicht zu Angesicht hat der Herr auf dem Berg, mitten aus dem Feuer, mit euch geredet –ich stand zwischen dem Herrn und euch in jener Zeit, um euch das Wort des Herrn zu verkünden; denn ihr fürchtetet euch vor dem Feuer und stiegt nicht auf den Berg“ (V. 3–5). Dann wird das Gedächtnis niedergelegt, dass der Herr, der ihnen sein Gesetz gab, derselbe war, der sie aus dem Land Ägypten herausgeführt hatte. Sie waren ein Volk, das in eine Beziehung zu Gott gebracht worden war, und der Zweck seiner Worte war, sie vor praktischer Unvereinbarkeit mit dieser Beziehung zu bewahren.
Es ist bemerkenswert, dass Mos, obwohl er ihnen in diesem Zusammenhang das gibt, was man die Zehn Gebote nennt, es dennoch einen ausdrücklichen und offensichtlichen Unterschied in der Form im Vergleich zu 2. Mose gibt; so wenig ist das fünfte Buch Mose eine bloße Wiederholung der früheren Bücher.2 Es ist ein Punkt, der vielen vertraut ist, aber hier eine kurze Bemerkung verdient, besonders weil nicht alle seine Bedeutung in dem keineswegs am wenigsten auffälligen der Zehn Gebote sehen; ich spreche vom Sabbatgebot. Manche wundern sich, warum es mit den anderen Geboten verbunden werden soll. Doch der Sabbat ist hier umso wichtiger, weil er strenggenommen kein moralisches Gebot ist. Dadurch wird das Prinzip, um das es geht, umso deutlicher. Das Sabbatgesetz ruht ganz auf dem Wort Gottes selbst. Es ging um seine Autorität, nicht um das, was ein Mensch an sich erkennen könnte. Mit einem Sittengesetz ist das gemeint, was man von innen heraus auch ohne eine Vorschrift von Gott aussprechen kann. Zum Beispiel weiß ein Mensch ganz genau, dass er kein Recht hat zu stehlen. Wenn ein Mensch etwas nimmt, was ihm nicht gehört, kann jeder Mensch, auch ein Heide, das beurteilen. Es mag Länder geben, in denen alles sittlich auf dem niedrigsten Stand ist, und wo deshalb ein Unrecht weniger streng eingeschätzt wird als anderswo. Aber wo ist der Wilde selbst, der das Unrecht des Stehlens nicht kennt? Denn wenn er sich auch erlauben mag, andere zu bestehlen. Wenn jedoch ein anderer ihn bestiehlt, so wird sich bald zeigen, ob er das Unrecht nicht verurteilt. Der Wilde weiß also sehr wohl, dass es ungerechtfertigt ist, zu stehlen. Aber niemand weiß etwas über den Sabbat, es sei denn, der Herr befiehlt es. Dennoch verbindet er seine Einhaltung mit Verboten des Bösen, die der Mensch selbst beurteilen könnte. Es ist daher die stärkste Behauptung seiner Autorität.
Das wird beständig vergessen, wenn die Menschen über das Sittengesetz sprechen. Eine der wichtigsten Pflichten ist eigentlich gar keine moralische Frage, sondern hängt einfach vom Gebot Gottes ab. Nicht, dass ich bezweifle, dass der Sabbattag von tiefster Bedeutung ist und so dauerhaft in seinen Ansprüchen ist, dass, wenn das Friedensreich kommt, dieser Ruhetag wieder voll in Kraft treten wird. Es ist also nicht richtig, dass der Sabbattag abgeschafft ist: Viele Menschen in der Christenheit meinen das. Ich erlaube mir jedoch, eine stärkere Ansicht über den Sabbat zu haben als selbst die, die sich für die Stärksten halten. Viele meinen, dass er im Grab Christi begraben sei, aber das ist er nicht. Weit davon entfernt, abgeschafft zu sein, wissen wir aus dem Wort Gottes, dass Er die Sabbatruhe streng aufrechterhalten und in den Tagen des Königreichs fordern wird. Sollte ein Mensch sich dann seiner Autorität nicht beugen, wird er sicher von Gott gerichtet werden: So viel macht der Herr daraus an sich, und so viel wird Er daraus für den Gehorsam der anderen an dem Tag machen, der kommt.
Wir stehen jedoch nicht unter Gesetz, sondern unter der Gnade. Das Sabbatgebot ist den Christen nicht gegeben. Die Gnade hat uns aus dem Zustand eines Volkes im Fleisch oder von Menschen auf der Erde herausgeführt. Der Christ ist nicht einfach ein Mensch, auch nicht ein Jude. Wäre er bloß ein Mensch, so hätte er es mit dem Ort und Zustand des gefallenen Adam zu tun. Für einen Juden gibt es zweifellos das Gesetz Moses. Aber für den Christen ist ein ganz wesentliches Merkmal seiner Stellung, dass er aus dem Status des Menschen oder Israels befreit und zu Christus und den himmlischen Dingen berufen ist. Er ist dem Gesetz gestorben, das bedeutet aber nicht, die Autorität des Gesetzes zu schwächen, sondern wegen der Prinzipien der göttlichen Gnade, die jetzt in dem von den Toten auferstandenen Christus zur Geltung kommen, auf seinem Tod beruhen, in seiner Auferstehung offenbar werden und durch den vom Himmel herabgesandten Heiligen Geist aufrechterhalten werden. Das ist der Grund, warum ein Christ schon jetzt auf der Erde in einen völlig neuen Zustand übergeht. Folglich wurde, als das Christentum begann, der erste Tag der Woche zum Unterscheidungsmerkmal gemacht, der Tag des Herrn, und nicht der Sabbat. Denn wir müssen uns daran erinnern, dass der Sabbat nicht einen siebten Tag bedeutet, wie einige Personen (leider) zweideutig meinen, sondern den siebten Tag und keinen anderen. Es ist so beschlossen, dass es im tausendjährigen Reich eine strenge Beachtung dieses Tages mit der ganzen Autorität Gottes selbst geben wird, die dem Messias verliehen und von Ihm ausgeübt wird, der Israel und die Erde regiert.
Lass mich noch einen Augenblick darauf eingehen, damit kein Irrtum darüber entsteht, was mir als die Wahrheit darüber erscheint. In dem Gebot, ihn zu halten, spricht der Herr, der Gott Israels, so: „Sechs Tage sollst du arbeiten und all dein Werk tun; aber der siebte Tag ist Sabbat dem Herrn, deinem Gott: Du sollst keinerlei Werk tun“ (V. 13.14). Aber das Motiv ist hier nicht, weil Gott an diesem Tag ruhte, sondern weil sie sich daran erinnern sollten, dass sie Knechte im Land Ägypten waren und dass der Herr sie durch eine mächtige Hand und durch einen ausgestreckten Arm herausgeführt hatte: „Und erinnere dich daran, dass du ein Knecht gewesen bist im Land Ägypten und dass der Herr, dein Gott, dich mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat; darum hat der Herr, dein Gott, dir geboten, den Sabbattag zu feiern“ (V. 15). Dies ist sicherlich sehr bedeutsam und weist auf einen offensichtlichen Unterschied im Charakter, im Umfang und im Aufbau des fünften Buches Mose im Vergleich zum zweiten Buch Mose hin. In dem einen Fall gab es eine Erinnerung an die Schöpfung; in diesem Fall an die symbolische Erlösung, die Herausführung aus Ägypten.
Tatsache ist, dass die Erlösung, sogar im Vorbild, ein stärkeres Motiv für den Gehorsam ist als die Schöpfung selbst. Das scheint der Grund zu sein, warum sie hier erwähnt wird, denn die Zeit war lange vorbei, während in 2. Mose, wo wir die wichtigste Darstellung dieser Wahrheit finden, alles neu war. Wenn wir gesehen haben, dass der Zweck dieses ganzen Teils des fünften Buches Mose die starke Betonung des Gehorsams ist, so gibt es nichts, was den Gehorsam so sehr aufrechterhält wie die Erlösung; und wenn das der Fall war, als es nur eine äußere Befreiung war, wie viel mehr, wenn sie ewig ist?
Es wird freimütig zugegeben, dass die zehn Worte einen besonderen Charakter von tiefster Bedeutung für den Menschen auf der Erde haben, im Unterschied zu dem, was gerichtlich und zeremoniell war. Daher sagt Mose: „Diese Worte hat der Herr auf dem Berg zu eurer ganzen Versammlung geredet, mitten aus dem Feuer, dem Gewölk und dem Dunkel, mit starker Stimme, und er fügte nichts hinzu. Und er schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln und gab sie mir“ (V. 22).
Als Nächstes folgt der Bericht über ihre Furcht vor Gottes ernsten Worten, ihr Versprechen, zu gehorchen, und die Vermittlerrolle, die das Volk wünschte und die Gott für Mose vorsah.
2 Es ist erschütternd, dass ein Mann, der den christlichen Namen trägt, so schreibt wie Dr. Davidson (Introd. O. T. i. S. 226‒228.). „Beim Vergleich des Dekalogs, wie er in 2. Mose 20,2-17 und 5. Mose 5,6‒21 aufgezeichnet ist, wird man feststellen:
„dass von beiden gesagt wird: „Gott hat alle diese Worte gesprochen“ (2Mo 20,1; 5Mo 5,22).
Ungeachtet dieser ausdrücklichen Erklärung treten die folgenden Abweichungen auf. In 5. Mose 5,12 entspricht das Wort „halten“ dem Wort „erinnern“ in 2. Mose 20,8, und der letzte Satz des ersten Verses, „wie der Herr, dein Gott, geboten hat“, fehlt in 2. In 5. Mose 5,14 steht der Zusatz: „dein Ochse und dein Esel“, sowie der Satz: „dass dein Knecht und deine Magd ruhen mögen wie du. Auch in 5. Mose werden zwei neue Klauseln eingefügt: „und dass es dir wohlgehe“ und „wie der Herr, dein Gott, dir geboten hat“. Die kopulative Konjunktion ist den letzten vier Geboten in 5. Mose vorangestellt. Im neunten und zehnten sind die Begriffe „Falschheit“ und „Begehren“ nicht die gleichen wie in 2. Mose. Das zehnte hat auch die ersten beiden Klauseln in einer anderen Reihenfolge als in Exodus und fügt sein Feld hinzu.
Die obigen Abweichungen zeigen, dass die von Gott gesprochene ipsissima verba nicht in beiden sein kann, weil beide nicht genau übereinstimmen.
Es ist jedoch möglich, dass die ipsissima verba in dem einen oder dem anderen steht. Dementsprechend nimmt die Mehrheit der Ausleger die Aufzeichnung im Exodus für die exakte, wobei sie annehmen, dass Mose im letzteren Fall zum Volk sprach und aus dem Gedächtnis rezitierte, nicht von den Steintafeln, und dass es daher eine gewisse Abweichung der Begriffe gibt. Einige wenige sind jedoch der Meinung, dass die Aufzeichnung in 5. Mose die genauere ist, denn als Mose die Worte in 2. Mose aufzeichnete, hatte er den Dekalog bereits verkündet gehört; als er ihn in 5. Mose wiederholte, hielt er ihn in seinen Händen und schrieb ihn in festen Buchstaben ein.
Wenn die streng wörtliche Bedeutung der Phrase „Gott sprach diese Worte“ im Fall der einen Aufzeichnung nicht eingehalten wird, muss sie es im Fall der anderen nicht. Oder wenn die in beiden Büchern verwendete verwandte Klausel, „dass Gott sie auf zwei steinerne Tafeln schrieb“, in einem Fall nicht wörtlich ausgedrückt wird, gibt es keine Notwendigkeit, dies im anderen Fall zu tun. Es scheint uns wahrscheinlich, dass die Aufzeichnung in 2. Mose die genauere ist. Diejenige in 5. Mose hat eine dem Stil des Buches entsprechende Vergrößerung.
Wir nehmen an, dass die Aufzeichnung im Exodus die ältere ist. Dennoch wäre es gewagt zu behaupten, dass es das exakte Original ist. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass beide von ein und demselben Schreiber stammen, denn nach dem Prinzip der strengen Buchstäblichkeit der Sprache widerspricht er sich selbst. Beide sind im Wesentlichen der Dekalog; aber Moses hat nicht beide geschrieben. In der Tat kann er keines von beiden in seiner jetzigen Form geschrieben haben, denn das in 2. Mose ist jehovistisch und älter als die Aufzeichnung in 5. Mose. Wenn wir haben“ und so weiter. In demselben skeptischen Geist folgt Dr. Colenso (The Pent. pt. ii., pp. 364-366).
Nun behaupte ich, dass angesichts der Schriften kein aufrichtiger Mensch leugnen kann, dass 2. Mose erklärtermaßen als die Geschichte der Sache gegeben wird; 5. Mose als eine nachträgliche Aufzählung an das Volk, ohne die geringste Absicht, die Worte zu wiederholen, was die einfachste Sache der Welt gewesen wäre; denn selbst diese Freidenker behaupten nicht, dass der Deuteronomist Exodus nicht besessen hat. Daher hätten sie, wenn die Dunkelheit ihre Augen nicht verschleiert hätte, gesehen, dass der letzte Satz von 5. Mose 5,12, der zitiert wird, nicht in 2. Mose stehen kann, und dass sein Vorhandensein 5. Mose beweist, dass wir hier einen ernsten und lehrreichen Hinweis auf die Gebote haben, die formell im zweiten Buch Mose gegeben werden. Solche moralischen Motive, die hinzugefügt werden, sind daher in 5. Mose so angebracht, wie sie im Exodus nicht sein konnten und sollten. Die Erinnerung an ihren eigenen Zustand als Sklaven in Ägypten, bis sie von Jehova befreit wurden, ist in Vers 15 sehr passend; aber es ist sicher, dass dies ein Appell an ihre Herzen ist, nicht der Grund, den Gott bei der Verkündigung des vierten Gebots angegeben hat. Alles ist vollkommen an seinem Platz, und die Unterstellung des Selbstwiderspruchs ist ebenso unbegründet wie bösartig und respektlos. Aber das muss man nur von Menschen erwarten, deren Ziel es ist, die inspirierten Schriftsteller auf ihr eigenes Niveau zu reduzieren, und die meinen, dass Frömmigkeit mit Betrug, ja mit betrügerischer Falschheit über Gott zusammen bestehen kann.↩︎