Behandelter Abschnitt Eph 3,14-16
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater [unseres Herrn Jesus Christus], von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird, damit er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen (3,14–16).
Hier befinden wir uns auf merklich anderer, und ich darf sagen, höherer Ebene, als der von Kapitel 1. Es ist eine der beiden großen Beziehungen, in denen Gott zu Christus und folglich zu uns steht. Denn Gott handelt jetzt gegenüber Christus, nicht nur im Hinblick auf seine Person, sondern auch auf sein Werk. Die Folge davon ist, dass das Werk uns wirksam in dieselbe Stellung vor Gott versetzt, die Christus als Mensch, ja, als auferstandener Mensch im Himmel zukommt. Ich hüte mich davor zu sagen, alles, was Christus ist, denn das wäre nicht wahr. Wir können niemals das teilen, was zu Ihm als Sohn des Vaters gehört, von aller Ewigkeit her. Es wäre unmöglich: Schon die Vorstellung davon wäre pietätlos. Kein Geschöpf kann die Grenzen überwinden, die es von Gott trennen, noch würde ein erneuertes Geschöpf dies wünschen. Denn in Wahrheit ist es die Freude des erhabensten Geschöpfes, dem, der über ihm ist, die demütigste Huldigung zu erweisen. Deshalb habe ich wenig Zweifel, dass im Himmel unter den Engeln Gottes der der Höchste ist, der die tiefste Ehrerbietung zeigt. In den irdischen Dingen ist es also eindeutig die Pflicht eines jeden, dem Herrscher Respekt zu erweisen; aber der, der den Platz neben dem Herrscher hat, hat die größten Möglichkeiten und die stärkste Verpflichtung zu beweisen, was der Herrscher in seinen Augen ist. So ist es auch bei uns in den geistlichen Dingen.
In diesem Abschnitt haben wir also den zweiten der beiden großen Titel Gottes in Bezug auf Christus und auf uns. Es ist hier nicht, wie in Kapitel 1, der Gott, sondern der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Der Gott Christi hebt Christus mehr als den herrlichen Menschen hervor, der Er ist – der verherrlichte Mensch in der Gegenwart Gottes, der Mittelpunkt aller Ratschlüsse der Macht Gottes, der schon jetzt auf den höchsten Platz im Himmel erhöht ist und dem alles unter die Füße gelegt ist. Aber es ist klar, dass Christus das hat, was Er mehr schätzt als alles, was unter seine Herrschaft gestellt ist – die Liebe und das Wohlgefallen seines Vaters an Ihm. Sogar unsere Herzen sind in der Lage, das zu verstehen und uns im Heiligen Geist daran zu erfreuen. In der Tat kommt in der Geschichte der meisten Menschen, selbst dort, wo die Welt sie für die Größten und Glücklichsten gehalten hat, die Zeit, in der sie eine Leere finden, die nichts befriedigen kann. Aber bei Christus wird die Herrlichkeit nicht die verwelkende Pflanze sein, zu der Menschen sie gemacht hat. Wir wissen, dass sie in seinen Händen ebenso strahlend und heilig sein wird, weil Gott der Gegenstand von allem sein wird; und folglich wird alles zu seinem Lob gereichen, wie es heißt: „damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“ (Phil 2,10). Aber dann könnte kein Besitz des Universums, keine Vertreibung des Bösen, kein gerechtes Gericht, keine gesegnete Beherrschung jedes Geschöpfs zur Ehre Gottes, das Herz befriedigen. Es wird das Salz des ewigen Bundes Gottes darin sein: die ständige Aufrechterhaltung des Willens Gottes und der Herrlichkeit wird zu spüren sein. Aber es gibt etwas, das größer ist als jede Macht, sei sie auch noch so herrlich oder wie auch immer sie ausgeübt wird; und das haben wir hier. Es ist die Liebe des Vaters, die über allem steht. Die Wirkung des ersten Gebets ist, dass man auf den unermesslichen Bereich herabschaut, der Christus unterstellt ist; und das ist von Gott gewollt. Aber die Wirkung des zweiten ist eher, dass man aufschaust im Genuss der Liebe, die das Geheimnis der Herrlichkeit ist, wobei die Herrlichkeit die Wirkung und Frucht der Liebe ist, und das, was beweist, was die Liebe gewesen sein muss, die solche Herrlichkeit gegeben hat. Aber so glückselig die Herrlichkeit auch ist, die Liebe, die die Herrlichkeit gibt, ist noch tiefer und besser. Und daher, wenn unser Herr in Kapitel 17 für die Heiligen betet – wenn Er sagt: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben“ (V. 22), wofür ist sie? „… damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (V. 23).
Das ist der Zweck. Alle werden in dieser Herrlichkeit in Vollkommenheit einsgemacht; aber der Zweck dieser Offenbarung der Herrlichkeit ist, dass die Welt erkennen soll, wie sehr der Vater sie geliebt hat. Daher ist die Herrlichkeit, die man sieht, so erhaben sie auch sein muss, nicht das Ende von allem. Es gab Liebe, bevor es Herrlichkeit gab. Und obwohl ich nicht behaupte, dass es Liebe geben wird, nachdem es Herrlichkeit gibt, sage ich doch, dass das, was die Herrlichkeit hervorbringt, gibt und erhält, besser ist als die Herrlichkeit selbst. Ja, und es gibt nichts Wunderbareres in allen Gedanken Gottes, als dass Gott solche, wie wir sind, mit derselben Liebe lieben kann, mit der Er seinen Sohn liebt. Und Er liebt uns so; ich weiß es selbst, und entehre sein Wort, wenn ich es nicht weiß. Wenn Er es sagt, ist es dann nicht so, dass ich es glauben und in mein Herz aufnehmen kann und es jetzt in dieser Welt genießen kann? – Dass ich es als meinen ständigen Schutzschild gegen alles gebrauchen kann, was das Fleisch oder die Welt oder Satan mir gegen mich unterstellen kann? Er liebt uns, wie Er Ihn geliebt hat. Sag nicht, das sei ein zu hoher Gedanke. Ich kenne nichts, was so demütigt – das uns so überführt, nichts zu sein – als dies, dass wir, so geliebt, es so wenig empfinden sollten; dass wir, so geliebt, es so schwach erwidern sollten; dass wir, so geliebt, den Sorgen, den Eitelkeiten, den Gedanken, den Beschäftigungen, kurz, allem nachgeben sollten, was einer solchen Liebe nicht angemessen ist. Es ist die Freude und, wenn wir so sagen dürfen, der Wunsch Gottes, dass die Seinen die Größe seiner Liebe begreifen sollen. Denn keine Herrlichkeit, kein Gespür dafür, kein Vertrauen darauf, kein Warten darauf, sollte sogar für solche Herzen wie das unsere genug sein. Es ist eine wunderbare Sache, zu denken, dass wir die Herrlichkeit Christi teilen werden: aber noch mehr, dass wir dieselbe Liebe haben. Derselbe Gott, der uns die Herrlichkeit Christi schenkt, wird uns schon jetzt durch den Heiligen Geist in die Gemeinschaft derselben Liebe eintreten lassen; und das ist der große zentrale Gedanke dieses Gebets: „Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (V. 14).
Der Vater Christi ist die Beziehung, die die Liebe hervorbringt, so wie das Reich Christi mit seiner verliehenen oder menschlichen Herrlichkeit verbunden ist. In dem einen Fall ist es das, was Er für uns tun wird. Wenn wir bedenken, was Er für Adam getan hat, was Er mit dem Menschen vorhatte, was wird Er dann nicht für den letzten Adam, eben Christus, tun? Und alles, was Er für Ihn als diesen erhabenen, herrlichen Menschen tut, wird Er mit uns teilen. Aber noch mehr als dieses. Die Liebe, die der Vater unseres Herrn Jesus Christus zu Ihm hat, hat Er auch zu uns. Wir wissen, wie Er sie zum Ausdruck brachte, als sein Sohn hier war – in welch bemerkenswerten Augenblicken Er seine Liebe hervorbrachte – wie eifersüchtig Er war, damit die Menschen nicht annehmen sollten, dass Er seinem geliebten Sohn gegenüber gleichgültig sei. Zugelassenes Leiden ist kein Beweis dafür, dass Er nicht liebt; im Gegenteil – es beweist, wie sehr Er nicht nur unserer Liebe vertraut, sondern wie sehr Er auch möchte, dass wir auf Ihn vertrauen – und zwar im Vertrauen darauf, dass Er uns trotz aller Äußerlichkeiten so liebt, wie Er seinen Sohn liebt. Wir mögen allem ausgesetzt sein, was Satan gegen uns aufbieten kann; aber wir befinden uns nur auf demselben Schauplatz, den der Sohn seiner eigenen Liebe vor uns betreten hat.
Wenn die Menschen aus diesem oder jenem Grund dachten, dass Jesus nicht mehr war als irgendein anderer Mensch, dann siehst du, wie Gott Ihn rechtfertigt. So versuchte nicht nur Johannes der Täufer, den Herrn Jesus an der Taufe zu hindern, als ob Er irgendetwas zu bekennen hätte – denn diese Taufe war ein Bekenntnis der Sünden; und deshalb zeigte Johannes sein Erstaunen, dass es auch nur den Anschein eines Bekenntnisses bei jemandem wie Jesus geben sollte. Aber Gott hatte tiefere Gedanken und lässt es zu, dass es etwas gibt, was der Unglaube zur Unterstellung des Bösen missbrauchen könnte, was aber der Glaube festhält, und wofür wir Ihn und das Lamm nur noch mehr anbeten. So war es, dass der Vater, als sein geliebter Sohn aus dem Jordan stieg, wo alle anderen ihre Ungerechtigkeit bekannten – wo Er alle Gerechtigkeit erfüllte – wo Er, der keine Ungerechtigkeit zu bekennen hatte, dennoch nicht von denen getrennt werden wollte, die das taten, was ihnen zur Ungerechtigkeit wurde, da sie den Gott besaßen, dessen Rechte sie vergessen hatten – wenn Er in der Anerkennung des heiligen Empfinden, das sie dorthin führte, dort bei ihnen sein wollte: Da erklärte der Vater: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17; 17,6; Mk 9,7; Lk 9,35; 2Pet 1,17). Es war genau zur rechten Zeit und mit der vollsten Weisheit; aber mit welcher Liebe sprach der Vater diese Worte aus! Er, der Ihm diente, wie Ihm nie zuvor gedient worden war – Er, der Ihn verherrlichte, wie Gott nie zuvor auf dieser Erde verherrlicht worden war – Er, der das Werk vollendete, das Gott Ihm zu tun gegeben hatte – sollte Gott das geringste Abwenden seines Herzens zugestehen?
Und doch wissen wir, dass Gott Ihn in dem Augenblick verließ, als Er es am meisten brauchte, als alles andere gegen Ihn war. Das war die Krönung von allem. Wenn die Sünde gerichtet und für immer weggetan werden sollte, musste sie in ihrer ganzen Realität gerichtet werden. Es darf keine Schonung geben, noch darf der Zorn Gottes über die Sünde gemildert werden. Das ganze Gericht Gottes fiel auf Ihn. Das Werk war vollbracht: Die Sünde wurde dadurch weggetan, dass Er sich selbst zum Opfer gab.
Und nun kann sich die ganze Liebe, die der Vater zu diesem Gepriesenen hatte, auf der Grundlage dieses Werkes zu uns ergießen. Dorthin stellt uns der Apostel, in die Stellung von Söhnen beim Vater; und er beugt sein Knie vor dem „Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird“ (V. 14.15). Der Ausdruck „jede Familie“ wird mit den Vorstellungen der Menschen über die Versammlung durcheinandergebracht, als wäre ein Teil im Himmel und ein Teil auf der Erde. Aber die wirkliche Aussage ist „jede Familie“. Es gibt hier keinen Hinweis auf die Einheit der Versammlung. Im Gegenteil, er meint, dass wir, wenn wir auf den Vater des Herrn Jesus Christus schauen, uns hoch genug erheben, um jede Klasse von Geschöpfen, die Gott gemacht hat, mit einzubeziehen. Nehmen wir an, du schaust auf Gott, wie Er sich in früher Zeit zu erkennen gab, nämlich als Jahwe für Israel. Fällt jede Familie im Himmel und auf der Erde unter diesen Titel? Nicht eine einzige Familie im Himmel und nur eine Familie auf der Erde. Unter dem Titel Jahwe gibt es eine eigene Beziehung, in der Gott sich den Juden offenbart. Er war ihr Gott in einem Sinn, in dem Er nicht der Gott irgendeines anderen Volkes war. Als Schöpfer ist Er der Gott aller; und so wird in einigen Schriften der Begriff Elohim (= Gott) verwendet, nicht Jahwe, wegen eines bestimmten Umgangs mit den Nationen.
Doch wo es um das alte Volk Gottes geht, verwendet Er den Begriff Jahwe. Nein, im zweiten Buch der Psalmen (42–72), wenn der Heilige Geist den gottesfürchtigen Juden betrachtet, der sich fern von seinem Tempel nach Gott sehnt, haben wir nicht Jahwe hervorgehoben, sondern „Gott“; denn sie sind nicht in der Lage, das zu genießen, was Israel besonders gegeben ist. Er wird nie aufhören, Gott zu sein; und sie finden ihren Segen darin – komme, was wolle – Gott kann sich selbst nicht verleugnen. Sie sind außerhalb des besonderen Ortes, an dem Er versprochen hatte, sie zu segnen; aber Gott war überall Gott. Wenn sie also aus dem Heiligen Land vertrieben wurden und nicht zum Tempel hinaufgehen konnten, um nach dem Gesetz anzubeten, konnte Gott niemals aufhören, Gott zu sein. Es ist genau dasselbe Prinzip der Gnade, das Christus auf die arme syro-phönizische Frau bezog; denn wir müssen immer zu unserer wahren Stellung kommen; und dasselbe wird im Wesentlichen bei jeder echten Bekehrung bestätigt. Ich muss immer mit der Wahrheit dessen, was ich bin, gegenübergestellt werden, ebenso wie ich die Wahrheit dessen, was Gott ist, empfangen muss; und dann gibt es keine Begrenzung des Segens.
Ich habe dies übrigens nur erwähnt, um den Ausdruck „jede Familie im Himmel und auf der Erde“ durch einen Gegensatz zu verdeutlichen. Als Gott sich in seiner besonderen Beziehung zu Israel offenbarte, tat Er es als Jahwe. Im Buch Daniel hören wir nicht von Jahwe, sondern vom Gott des Himmels, ganz im Gegensatz zu Gott, der sich auf der Erde einem bestimmten Volk offenbart, dem Er ein besonderes Land und Vorrechte gab, die kein anderes Volk mit ihm teilte. Sie liefen falschen Göttern hinterher: Er nimmt seinen Platz im Himmel ein und greift auf das zurück, was nie geleugnet werden konnte, und als „Gott des Himmels“ sagt Er: „Ich will jetzt erwählen, wen ich will; ich will das allerschlimmste Volk in der ganzen Welt nehmen und ihnen das Reich der Erde geben.“ So wählte Er die Feinde der Juden – die Babylonier. Wenn Gott so souverän handelt, als der Gott des Himmels, dann können die Niederträchtigsten hier auf der Erde die Macht haben. Aber „es gibt einen Gott, der auf der Erde richtet“ (Ps 58,12); und wenn der Tag kommt, dies zu bestätigen, wird es inmitten seines Volkes als Jahwe sein. So gesehen hat Er nur eine Familie, die in einer Bundesbeziehung zu Ihm selbst steht: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt“ (Amos 3,2).
Doch hier haben wir den Gegensatz. Er wird nicht nur als Jahwe offenbart, der Israel, sein Volk, auf der Erde hat, sondern als der „Vater unseres Herrn Jesus Christus“. In dem Augenblick, in dem Er in einer solchen Beziehung wie dieser spricht, steht Er ausdrücklich in Verbindung mit dem, der alles gemacht hat, wie zuvor gesagt wurde, der alles durch Jesus Christus geschaffen hat. Alle Geschöpfe kommen also ins Blickfeld und finden ihren gebührenden Platz bei Ihm als dem Vater, weil der Herr Jesus der ist, der alles geschaffen hat und zu dessen Ehre alles gemacht wurde. Daher kommt jede Familie im Himmel und auf der Erde, seien es Fürstentümer oder Mächte, Engel, Juden oder Heiden, wie auch die Versammlung Gottes – alle unter den „Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Der Titel Jahwe ist auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkt; der „Vater unseres Herrn Jesus Christus“ ist in seiner Reichweite unbegrenzt und schließt jede Klasse von Wesen ein, die Gott gemacht hat.