Behandelter Abschnitt Joh 17,20-21
Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben; damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns [eins] seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast (17,20.21).
Es sollte, wie wir gesehen haben, eine erstaunliche Darstellung der Einheit in den Aposteln geben. Aber es gibt hier eine andere und größere Einheit. Diejenigen, die durch ihr Wort an Ihn glauben, werden nun dem Vater vorgestellt, „damit sie alle eins seien“ (V. 21). So bleibt Raum für Scharen von Gläubigen, für Bekenner seines Namens, Juden oder Griechen, Barbaren, Skythen, Sklaven oder Freie; für diejenigen, die sich bisher hartnäckig an gesetzliche Formen geklammert hatten, deren Inhalt sie durch ihren Unglauben Ihm gegenüber ablehnten; für diejenigen, die fast ebenso hartnäckig an den Träumen des Heidentums und seiner entwürdigenden Unmoral festhielten, in völliger Unkenntnis des einzig wahren Gottes, den man wahrhaftig durch den kennt, den Er gesandt hat.
Das Evangelium war im Begriff, in jedes Land und zu jeder Sprache hinauszugehen, wie der Heilige Geist am Pfingsttag bezeugte; und am auffälligsten an jenem Tag, weil es bis dahin nur Juden aus heidnischen Ländern sowie aus Israel waren. Denn das Wunder war nicht das sinnlose und verhältnismäßig einfache, dass alle, ob einheimische oder fremde Söhne Israels, die wunderbaren Taten Gottes in der hebräischen Sprache verstehen konnten, sondern umgekehrt, dass sie, jeder in seinem eigenen Dialekt, in dem er geboren war, die Jünger reden hören konnte. Gott hatte in alter Zeit den Stolz der Menschen geschlagen und sie in so viele verschiedene Sprachen aufgeteilt. Nun erhob sich die Gnade über das Gericht, indem sie sie nicht alle auf eine Sprache und dieselben Wörter reduzierte, sondern jedem begegnete, der so verwirrt und zerstreut war.
Das war noch lange nicht alles; aber die Kraft des Geistes taufte alle Gläubigen in einen Leib, die Versammlung. Die Einheit hier ist jedoch, obwohl sie natürlich durch denselben Geist in denen, die diesen Leib bilden, hervorgebracht wird, nicht diejenige, die der Apostel Paulus darzulegen hatte. Sie ist geistlicher Natur und zeigt sich dennoch in dem, was die Welt sehen und in gewissem Maß schätzen kann. Es ist nicht gerade „eins wie wir“, das heißt, wie der Vater und der Sohn, was Vers 11 von den Jüngern gesagt hatte.
Wie der Vater und der Sohn nur einen Sinn und eine Zuneigung, ein Ziel und einen Weg hatten, so wurde diese Einheit für die Apostel in ihrem Werk und Leben angestrebt; und auf wunderbare Weise wurde sie in ihnen verwirklicht, wie wir bereits bemerkt haben. Hier sind die Gläubigen im Ganzen, die durch ihr Wort glauben, im Blick; und das, was angestrebt wird, ist, dass sie „alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns eins seien“ (V. 21) – nicht „wie wir“, sondern „in uns“, im Vater und im Sohn. Es ist die Gemeinschaft kraft des Vaters, der sich im Sohn offenbart, und des Sohnes, des Gegenstandes der Liebe und des Wohlgefallens des Vaters, in die wir durch den Heiligen Geist gebracht werden. Mit dem Vater teilen wir den Sohn; mit dem Sohn teilen wir den Vater. In diese Glückseligkeit sollten die Gläubigen nun zum ersten Mal eingeführt werden, und zwar so, dass sie alle eins sein würden, so wie der Vater im Sohn und der Sohn im Vater, so auch sie eins im Vater und im Sohn.
Das sollte ein Zeugnis für die Welt sein, nicht nur die Predigt, sondern dieses so überirdische, unter den Menschen noch nie dagewesene Einssein, das Einssein in der Freude der göttlichen Gnade, das so unterschiedliche Menschen zusammenbrachte und durch die Kraft der göttlichen Ziele, Motive und Zuneigungen diejenigen, die einst völlig gleichgültig waren oder sich erbittert widersetzten, einander hassend und gehasst wurden. Welch ein Aufruf an die Welt zu glauben, dass der Vater den Sohn gesandt hat! Denn dies, und nur dies, aber dies reichte aus, als der vom Himmel herabgesandte Heilige Geist der Wahrheit in den durch den Glauben gereinigten Herzen Kraft gab. Denn wie das Fleisch dazu neigt, sich durch die Behauptung seines eigenen Willens zu zerstreuen, so wirkt der Geist, um sich im Vater und im Sohn zu vereinen. Und wenn die Welt die Früchte solch gnädiger und heiliger Kraft in der Einheit von Menschen sieht, die sonst entfremdet sind, und durch nichts so scharf und dauerhaft wie durch ihre unterschiedlichen Religionen, was für ein Beweis, dass der Vater den Sohn gesandt hat! Denn hier gab es wenigstens keine Macht des Schwertes, keine Anbiederung an die Begierde, keinen Anreiz zu Reichtum oder weltlicher Ehre, keine Zulassung von Sünde mehr als von menschlicher Gerechtigkeit, keinen Stolz der Philosophie mehr als religiöse Schau oder Ritualismus. Niemand kann leugnen, dass auf dem Fundament der Apostel und Propheten gebaut wurde, das ständig und unwiderstehlich der Verachtung und Gewalt der Welt ausgesetzt war.
Es herrschte selbstaufopfernde Liebe, Gnade dürfen wir sagen, durch Rechtschaffenheit in der Hingabe an den Namen Jesu; und eine himmlische Absonderung zu Ihm, auf den sie erklärtermaßen vom Himmel aus warteten. Was erklärte dann eine so erstaunliche Veränderung von allem, was die Menschheit zuvor charakterisiert hatte, nicht nur unter den Heiden, sondern auch in Israel selbst in seinem blühendsten Zustand? Was bezeugte es anderes, als dass der Vater den Sohn gesandt hatte? Was bezeugte es von Gnade und Wahrheit, von vollkommener und ewiger Erlösung, von naher und himmlischer Verwandtschaft, die damit verbunden ist?
Denn wenn der Vater den Sohn gesandt hat, so konnte es nicht anders sein, als dass der wahre Gott sich in souveräner Gnade, ja in inniger Liebe und in dem Licht, das alles offenbar macht, offenbart hat, zu einem Zweck, der nicht anders möglich und würdig ist. Auch war der Sohn nicht nur dazu da, die Wahrheit bekanntzumachen und die göttliche Natur zu vermitteln, das ewige Leben, das fähig ist, das Licht zu empfangen und zu genießen und durch den Geist Gottes darin zu wandeln. Es gab ein unvergleichlich feierliches und doch gesegnetes Werk, das zur Ehre Gottes und für die tiefe Not und das ewige Heil des Menschen vollbracht werden musste: Die Sünde musste im Gericht getragen werden, ein Sühnopfer für unsere Sünden musste gebracht werden, das so vollkommen war, dass Gott gerecht war, wenn Er die Gläubigen rechtfertigte, und dass die Gläubigen Gottes Gerechtigkeit in Christus würden. So gewaschen, geheiligt, gerechtfertigt, Kinder Gottes im Bewusstsein, den Heiligen Geist zu haben, finden sie andere in der Gemeinschaft desselben Segens. Sie sind alle eins, wie der Vater im Sohn und der Sohn im Vater, und aus den stärksten Vorurteilen herausgeführt in eine Gegenseitigkeit genossener Glückseligkeit, in ein Einssein im Vater und im Sohn. Was könnte der Welt eindringlicher bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat?