Behandelter Abschnitt Joh 16,12-15
Die Menschen sind geneigt, sich in ihrer Einschätzung der Beziehung des Heiligen Geistes zu uns doppelt zu irren. Entweder übersehen sie die unermessliche Wirkung seiner Gegenwart und Lehre, oder sie schreiben Ihm zu, was nur die Frucht des natürlichen Gewissens und der verbreiteten Informationen sein mag. Unser Herr drückt hier auf seine eigene vollkommene Weise aus, was der Geist tun würde, wenn Er vom Himmel herabgesandt würde, nun nicht in der äußeren Demonstration gegenüber der Welt, sondern in der positiven Segnung und Hilfe der Jünger.
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass er von dem Meinen empfängt und euch verkündigen wird (16,12–15).
Es ist wiederholt gezeigt worden – und in diesem Kapitel am ausdrücklichsten –, dass die Gegenwart des Geistes vom Hingehen Christi in den Himmel abhing, als Folge der vollbrachten Erlösung. Das änderte die gesamte Grundlage und machte die Gläubigen nicht nur moralisch passend für die neue Wahrheit, das Werk, den Charakter und die Hoffnung des Christentums. Die Jünger waren nicht unwissend über die Verheißung, dass der Geist gegeben werden sollte, um die Herrschaft des Messias einzuläuten. Sie kannten das Gericht, unter dem das auserwählte Volk steht, „bis der Geist über uns ausgegossen wird aus der Höhe und die Wüste zum Baumgarten wird und der Baumgarten dem Wald gleichgeachtet wird“ (Jes 32,15); so gewaltig ist äußerlich, nicht weniger als innerlich, die Veränderung, wenn Gott seine Kraft für das Reich seines Sohnes ausgießt. Sie wussten, dass Er seinen Geist über alles Fleisch ausgießen würde; nicht nur über die Söhne und Töchter, die Alten und Jungen Israels, die sich eines Segens erfreuen, der weit über alle zeitlichen Gunstbezeugungen hinausgeht, sondern auch die Knechte und die Mägde – kurz, alles Fleisch, und nicht nur die Juden, haben Anteil daran (Joel 2,29).
Aber hier ist es der Klang, der ertönt, wenn der große Hohepriester in das Heiligtum vor den Herrn hineingeht, und nicht nur, wenn er zur Befreiung und Freude des bußfertigen Israels in den letzten Tagen herauskommt. Es ist der Geist, der gegeben wurde, als der Herr Jesus in die Höhe ging, und zwar durch sein Hingehen. Darauf waren sie völlig unvorbereitet, wie es in der Tat eines der wesentlichsten Merkmale des Zeugnisses Gottes zwischen der Verwerfung und der Aufnahme der Juden ist; und der Geist, als Er gegeben wurde, sollte bereitstellen, was der damalige Zustand der Jünger nicht ertragen konnte. Denn der Geist erforscht alle Dinge, sogar die Tiefen Gottes (und Er ist nicht ein Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit), neben den unabsehbaren Tatsachen des Werkes Christi in Tod, Auferstehung und Himmelfahrt, die Er bezeugt. Wahrlich, der Herr hatte viel zu sagen, das dem Heiligen Geist vorbehalten war, als die Jünger ihr Gewissen geläutert hatten und freimütig in das Heiligtum eintreten konnten. Ein im Himmel verherrlichter Mensch bot die passende Gelegenheit für die Darstellung all dessen, was in Gott ist, auch für das in Gott verborgene Geheimnis vor der ganzen Welt, dessen Verwalter weder Johannes noch ein anderer, sondern der Apostel Paulus sein sollte.
Aber sei das Werkzeug, wer es auch sei, wenn der Geist der Wahrheit kommt, wie der Herr hier andeutet: Er wird „euch in die ganze Wahrheit leiten“, oder „in“ alles, wie die sinaitischen, Cambridge (D) und Pariser (L) Unziale mit anderen Autoritäten es haben. Dafür werden neben seiner notwendigen Kompetenz als göttliche Person zwei Hauptgründe angeführt. Erstens handelt Er nicht unabhängig, sondern erfüllt ausdrücklich den Auftrag, zu dem Er gesandt ist: „denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen“ (V. 13). Zweitens: Sein Hauptziel ist es, den Herrn Jesus zu verherrlichen, und deshalb wird Er dies den Jüngern auch mit Sicherheit bezeugen. „Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkünden“ (V. 14).
Der Leser muss sich vor dem üblichen Irrtum hüten, den die Autorisierte Fassung von Vers 13 leicht suggeriert, als sei gemeint, dass der Geist nicht von sich selbst reden würde. Denn das ist weder sachlich richtig, noch ist es hier natürlich gemeint. Der Geist spricht in diesem Evangelium weitgehend über sich selbst, und besonders in dem Abschnitt, den wir untersuchen. Das tut Er auch in Römer 8; in 1. Korinther 2,12; in 2. Korinther 3; in Epheser 1‒4 und vielen anderen Stellen der Schrift. Umso merkwürdiger ist es, dass selbst die Einfachsten hier nicht gelernt haben, dass Er nicht von sich selbst aus reden wird, sondern, wie der nächste Satz erklärt, was Er hören wird, wird Er reden. Wie der Sohn nicht gekommen ist, um selbständig zu handeln, was auch immer seine Herrlichkeit sein mag, sondern um seinem Vater zu dienen, so ist der Geist gekommen, um dem Sohn zu dienen, und was immer Er hören wird, wird Er reden.
Aber es gibt noch mehr. Er kann nicht nur vom Sohn im Himmel sprechen, als sei Er von Ihm herabgesandt worden, und damit das höchste Zeugnis für die Ihm innewohnende Würde und die neue Stellung, die Christus dort einnimmt, ablegen, sondern Er hat nicht aufgehört, der Geist der Weissagung zu sein. Im Gegenteil: Er wirkt damit überreichlich im Hinblick auf den völligen Untergang der Welt und den Segen, der auf die Wiederkunft des Herrn wartet. „Und das Kommende wird er euch verkündigen.“ Das prophetische Wort findet sich zu einem großen Teil im Neuen Testament, nicht nur in den Evangelien, sondern auch in den Briefen, vor allem aber in dem wunderbaren Buch der Offenbarung. Und die Wirkung war immens, indem sie die Gläubigen von der Welt als unter dem Gericht stehend löste, wie auch immer dieses geschehen mag. Sie wussten diese Dinge vorher und blieben so in ihrer Standhaftigkeit. Dennoch ist die Prophetie, so wie sie sich mit der Erde beschäftigt, auch wenn sie dort zum Reich Gottes weiterleitet, nur ein kleiner und sogar geringer Teil des Zeugnisses des Geistes, so erstaunlich in den Augen der Menschen und kostbar das in sich selbst ist.
Christi eigene Herrlichkeit, jetzt in der Höhe, ist das direkte Ziel; und das in jeder Hinsicht: „Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen“ (V. 14). Und auch hier steht alles im Gegensatz zu messianischem Licht oder irdischer Herrschaft, wie gerecht und groß auch immer sie sein mag. „Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass er von dem Meinen empfängt und euch verkündigen wird“ (V. 15). Er ist herabgesandt, um nicht die Versammlung, sondern Christus zu verherrlichen, und dies, indem Er empfängt und berichtet, was Christus gehört (und alles, was der Vater hat, ist sein), nicht indem Er die Bedeutung des Menschen übertreibt oder den Willen des Menschen zulässt. So war es nicht nur das Universum, das Gott geschaffen hatte, sondern auch die neue Schöpfung in Beziehung zum Vater, und dies sogar ausdrücklich.
Aber es gibt noch eine weitere Andeutung, die nötig ist, um die kleine Zeit mit ihren Fragen von Leid und Freude zu erklären.