Behandelter Abschnitt Joh 16,1-6
Der Herr fährt damit fort zu erklären, warum Er jetzt und nicht vorher von den Dingen gesprochen hat, die damals sein Herz beschäftigten und den Jüngern bekanntgemacht wurden.
Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht Anstoß nehmt. Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen. Es kommt aber die Stunde, dass jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu erweisen. Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch mich erkannt haben. Dies aber habe ich zu euch geredet, damit, wenn die Stunde gekommen ist, ihr euch daran erinnert, dass ich es euch gesagt habe. Dies aber habe ich euch von Anfang an nicht gesagt, weil ich bei euch war. Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat, und niemand von euch fragt mich: Wohin gehst du? Doch weil ich dies zu euch geredet habe, hat Traurigkeit euer Herz erfüllt (16,1–6).
Viele unter den Juden würden sich daran stoßen, die etwas anderes als Kummer, Schande und grundlosen Hass als das Teil derer erwarteten, die dem Messias folgen. Aber der Herr nimmt gnädig Rücksicht auf die Seinen; und während Er Prüfungen zum Segen der Starken einsetzt, will Er die Schwachen schützen und stärken, indem Er sie sowohl vor dem unausrottbaren bösen Willen der Welt warnt als auch vor dem Kommen des Heiligen Geistes, um ihnen angesichts der Verfolgung der Diener wie ihres Meisters sein Zeugnis hinzuzufügen. Wie kostbar ist das, was Er so gesprochen hat!
Es gibt zwei Formen, die Christen und ihr Zeugnis loszuwerden: eine allgemeine, wenn die Menschen den größten Eifer für die göttliche Autorität und Heiligkeit an den Tag legen; die andere, die dem Einzelnen bis zum äußersten Punkt des Todes offensteht, um Missetäter auszulöschen, die nicht zum Leben taugen. „Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen. Es kommt aber die Stunde, dass jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu erweisen“ (V. 2). Es ist unmöglich, sich einen tödlicheren, aber von allen gebilligten Hass vorzustellen, als dass jeder, der wollte, es auf sich nehmen konnte (wenn auch nicht ohne das Siegel und das Gesetz der Autorität), einen Nachfolger Christi zu töten, und zwar nicht nur ungestraft, sondern mit der Behauptung, damit Gott einen religiösen Dienst zu erweisen. Saulus von Tarsus liefert ein bemerkenswertes Beispiel dafür, bis die souveräne Gnade ihn dazu auserwählte, den Namen des Herrn vor alle zu tragen und um seinetwillen große Dinge zu erleiden.
Zweifellos gibt es in den Menschen allgemein eine Veranlagung, für ihre Religion zu kämpfen, was auch immer es sein mag. Aber ein besonderer Grund gibt der Feindschaft der Welt Intensität, und insbesondere der Juden gegen die Christen. Jedes Maß an Wahrheit, das sie besitzen, ist für das Fleisch das mächtigste Motiv, das zu verabscheuen und zu verachten, was ein volleres Licht beansprucht; und die Christenheit kann nicht anders, als die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle in Christus durch den vom Himmel herabgesandten Heiligen Geist zu bekennen. Wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater; der Antichrist ist es, der beides leugnet (1Joh 2,23). Und dazu neigt der stolze Unglaube des Judentums immer, wenn er mit dem Zeugnis Christi konfrontiert wird. Sie setzen ihr eingeschränktes und vorbereitendes Wissen gegen jene vollständige Offenbarung, die es nicht gab, bis Er kam, der den Vater zeigte und die ewige Erlösung vollbrachte. Wie gesegnet für die Kinder der Familie Gottes, dass, wenn das, was sie von Anfang an gehört haben, in ihnen bleibt, und auch sie im Sohn und im Vater bleiben werden!
Und wie es mit dem Juden war, so ist es mit jedem kirchlichen System der Christenheit selbst, das, um die größtmögliche Zahl zu erreichen, sich mit dem geringsten und niedrigsten Bekenntnis begnügt, und daher der Schlinge des Teufels ausgesetzt ist, indem es sich gegen alles stellt, was über das christliche Alphabet hinausgeht. So haben sich auch die reformierten Körperschaften mit dem begnügt, was ihre Gründer beim Austritt aus dem Papsttum gelernt haben, und bekämpfen als Neuerung all jenes Wirken des Geistes, das an die Fülle Christi im geschriebenen Wort erinnert, das lange vor der Reformation oder dem Papsttum da war. Auch sie verfolgten, als sie noch Vertrauen in ihre eigenen Konfessionen hatten; bis sie in letzter Zeit so sehr von der Gleichgültigkeit oder der Aktivität des Skeptizismus durchdrungen sind, dass sie sich zu wenig um irgendetwas kümmern, irgendjemanden zu verfolgen. Aber wo es ein wirkliches Festhalten an einem solchen Maß an traditioneller Wahrheit gibt, das sich den Namen der Orthodoxie anmaßt, gibt es immer eine Eifersucht auf das Wirken des Geistes, der darauf besteht, dass Christus mit frischer Kraft in den Herzen der Menschen reicher bekannt wird, und der folglich die Ausübung des Glaubens fordert.
So setzte der Jude die Einheit der Gottheit, um den Vater und den Sohn und den Geist zu leugnen; so widerstehen die Menschen jetzt der Wahrheit des einen Leibes und des einen Geistes, indem sie sich der fleischlichen Einheit Roms hingeben oder sich der aktiven Rivalität der protestantischen Gesellschaften rühmen. Je mehr sie aber selbst die Wahrheit in gewissem Maß für eine Form halten, desto weniger sind sie bereit, das Wirken des Geistes durch Gottes Wort als Ganzes zuzulassen. „Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch mich erkannt haben“ (V. 3). Doch beides zu kennen, ist das ewige Leben, das jeder Christ bezeichnenderweise durch das Evangelium hat, auch wenn der Fortgeschrittenste durch eine vertiefte Bekanntschaft mit dem gekennzeichnet ist, der von Anfang an ist. Als und wo Götzen herrschten, bedurfte es der Kraft der Gnade, um sich Gott, dem Lebendigen und Wahren, zuzuwenden; wo Gott sich im Sohn kundtat, konnte sich das Fleisch der alten Wahrheit bedienen, die nicht mehr angefochten wurde und kein Opfer kostete, und das Fleisch konnte seine Zunge von der Hölle in Brand setzen lassen, um die volle Offenbarung zu lästern, die den tatsächlichen Glauben und die Treue prüft, und danach trachten, die auszurotten, die sie bezeugten. Der Grundsatz gilt im Kleinen wie im Großen, und zwar jetzt wie immer.
Aber wie der Herr die Jünger auf diese Weise auf schwerere Dinge vonseiten des bekennenden Volkes Gottes vorbereitet hat als von Menschen, die völlig unwissend sind, so teilt Er ihnen jetzt mit, was sie erleiden müssen, damit sie auch in dieser Stunde Trost finden, indem sie sich an seine Worte erinnern. Da die kommende Prüfung Ihm bekannt war und ihnen bekanntgemacht wurde, konnten sie nun seiner Zusicherung der Liebe und des Segen, der Befreiung und der Herrlichkeit vertrauen. Außerdem erklärt Er, warum Er nicht schon früher von diesen Dingen berichtet hatte. Er war bei ihnen, ihr Schild und Tröster; und warum sollte Er da ein Wort darüber sagen? Da Er aber im Begriff war, sie zu verlassen, war es gut, und es würde alles zum Guten mitwirken. „Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat, und niemand von euch fragt mich: Wohin gehst du? Doch weil ich dies zu euch geredet habe, hat Traurigkeit euer Herz erfüllt“ (V. 5.6). Diese Traurigkeit kam mehr aus der Natur als aus dem Glauben. Kein Wunder, dass es sie überraschte, als sie hörten, dass ihr göttlicher Meister sie mit einer solchen Aussicht zurückließ, mit so wenig Offenbarung der Auswirkungen seines Kommens in der Welt oder sogar in Israel. Und sie hatten alles verlassen und waren Ihm nachgefolgt: Was sollte das bedeuten? Er hatte ihnen bereits zugesichert, dass Er sie nicht als Waisen zurücklassen würde, sondern zu ihnen kommen würde. Wäre der Glaube einfacher gewesen, hätten sie nicht nur mit seiner liebevollen Fürsorge für sie gerechnet, sondern auch gefragt, wohin Er gehen würde, und hätten die Bedeutung für seine Herrlichkeit und ihren Segen erfahren. Es ist die Unkenntnis seiner Gedanken, die das Herz mit Traurigkeit über seine Worte erfüllt, denn sie sind Geist und Leben, obwohl wir vielleicht auf Gott warten müssen, um sie wirklich mit Einsicht zu erfassen. Aber der Herr fährt fort, mit dem, was folgt, alles klar vorzustellen.