Der Herr empfand die Schwere des Augenblicks und sah den Weg und das Ende von Anfang an. Alle wunderbaren und immerwährenden Folgen seines Todes waren vor Ihm ausgebreitet, und nun, da Judas weggegangen ist, gibt Er der Wahrheit in göttlich vollkommenen Worten freien Ausdruck.
Als er nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm22 (13,31).
Sein eigenes Kreuz ist völlig im Blick, und dort wurde die Grundlage für alle wahre bleibende Herrlichkeit gelegt, nicht für Gott allein (obwohl gewiss für Gott, denn es kann keine wirkliche Herrlichkeit geben, wenn Er nicht an erster Stelle steht), sondern auch für den Menschen in der Person des Herrn, des Sohnes des Menschen, der allein gezeigt hatte, was der Mensch für Gott sein sollte, wie Er gezeigt hatte, was Gott ist, sogar der Vater, in sich selbst, dem Sohn.
Es ist in der Tat ein Thema von unvergleichlicher Tiefe, der verherrlichte Sohn des Menschen und der in Ihm verherrlichte Gott; und keine Aussage an anderer Stelle, wenn auch von denselben Lippen, war so gemeint, um es darzustellen und zu ergründen, obwohl jede für ihren eigenen Zweck vollkommen war, wie die vor uns.
Als in Kapitel 12,23 einige Griechen zum Apostel Philippus kamen und Jesus zu sehen wünschten, und Andreas und Philippus es Jesus sagen, antwortete er ihnen: „Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde“; und gleich darauf spricht Er mit ernstester Betonung von seinem Tod als der Bedingung des Segens für andere. Nur so würde Er viel Frucht bringen. Sonst bliebe das Weizenkorn allein. Ein lebender Messias ist die Krone der Herrlichkeit für Israel; ein Verworfener, der Sohn des Menschen, öffnete durch den Tod sogar für die Heiden die Tür zu den himmlischen Dingen und ist fortan das Vorbild.
So wahr ist es, dass das Leben in dieser Welt zu lieben, bedeutet, es zu verlieren; es hier zu hassen, bedeutet, es für das ewige Leben zu bewahren; und daher ist die Nachfolge dessen, der gestorben ist, der Weg, Ihm zu dienen, die Ehre des Vaters zu suchen und bei dem himmlischen Meister und Herrn zu sein. Durch den Tod nimmt Er die Stelle ein, nicht des Sohnes Davids, gemäß der Verheißung (obwohl Er dies in der Gnade auch tut, nach dem Evangelium des Paulus), sondern die Stelle des Sohnes des Menschen. So sind alle Menschen, Griechen nicht weniger als Juden, gemäß dem Ratschluss Gottes, Erben Gottes und Miterben mit Christus. Auf keine andere Weise konnte die Schuld getilgt werden, konnte der Himmel geöffnet und von denen genossen werden, die einst verlorene Sünder waren. So folgt die himmlische Herrlichkeit auf die moralische Herrlichkeit; und jede Hoffnung – für die Heiden ganz offensichtlich – gründet sich auf den Gehorsam Christi bis zum Tod, in dem die Macht des Satans völlig gebrochen und das Gericht Gottes völlig befriedigt wurde. Denn wenn die Welt darin gerichtet und ihr Fürst vertrieben werden sollte, wird der am Kreuz erhöhte Christus zum anziehenden Mittelpunkt der Gnade für alle, trotz der Erniedrigung, der Finsternis und des Todes.
In Kapitel 17 blickt der Sohn auf den Vater, den Er verherrlicht hatte, damit der Vater Ihn im Himmel verherrliche. Er war der Sohn, bevor die Zeit begann; daher hatte Er natürlich die Herrlichkeit bei dem Vater, bevor die Welt war. Aber Er hatte den Platz des Knechtes in der Menschheit auf der Erde eingenommen und bittet nun, dass der Vater Ihn zusammen mit sich selbst verherrlichen möge mit der Herrlichkeit, die Er von Ewigkeit her bei Ihm hatte. Als Mensch von Ewigkeit zu Ewigkeit würde Er alles vom Vater empfangen, obwohl Er der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit ist; und wenn Er verherrlicht wird, dann nur, damit Er den Vater verherrlichen kann. Das ist die vollkommene Liebe und Ergebenheit.
Hier, in Kapitel 13, spricht Er von dem verherrlichten Sohn des Menschen und von dem in Ihm verherrlichten Gott. Das hat seine eigene, besondere Kraft. Der erste Mensch brachte Schande und das Gerichts durch die Sünde; der zweite Mensch, Jesus Christus, der Gerechte, wurde verherrlicht, und Gott wurde in Ihm verherrlicht. Er sieht alles im Kreuz zusammengefasst, und so spricht Er zu den Jüngern, jetzt, da der Verräter weg ist und Er sein Herz frei ließ, um alles mitzuteilen, was es erfüllte. Es ist hier nicht der Vater, der von seinem Sohn in einem Gehorsam lebend verherrlicht wird, der keine andere Grenze kennt, als den Willen seines Vaters, sondern ein Mensch, der verworfene Messias, der Sohn des Menschen, der sich um jeden Preis der Herrlichkeit Gottes hingibt. Das war in der Tat die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen, dass Gott in Ihm verherrlicht werden sollte, wie Er es war. Gepriesener Heiland! Was für ein Gedanke, und nun eine Tatsache und eine Wahrheit, die uns kundgetan wurde, damit wir nicht nur wissen, dass Gott uns nahe ist, sondern uns selbst zu Gott gebracht wissen, und dies in Frieden und Freude, weil der Mensch in der Person Christi verherrlicht ist, und Gott in Ihm, dem Menschen Christus Jesus.
Denn in Tat und Wahrheit wird Gott im Kreuz verherrlicht wie nirgendwo sonst – seine Liebe, Wahrheit, Majestät und Gerechtigkeit. „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten. Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden“ (1Joh 4,9.10). Und seine Wahrheit, Majestät und Gerechtigkeit wurden aufrechterhalten, nicht weniger als seine Liebe; denn wenn Gott den schuldigen Menschen mit Tod und Gericht bedrohte, so ertrug Jesus alles, wie es der Mensch niemals konnte, damit sein Wort völlig gerechtfertigt würde. Niemals bewies der Mensch seine Feindschaft gegen Gott, niemals bewies der Satan seine Macht über den Menschen, als an dem Kreuz, an dem sich der Sohn des Menschen in höchster Hingabe und aufopfernder Liebe zur Ehre Gottes darbrachte. Nirgendwo wurde die Heiligkeit Gottes so deutlich, die Unmöglichkeit, dass Er Sünde duldet; nirgendwo eine solche Liebe zu Gott und zum Sünder. Der Sohn des Menschen wurde verherrlicht, und Gott wurde in Ihm verherrlicht.
Wann und wo wurde Jesus so verherrlicht, als darin, dass Er sich bis zum Äußersten niederbeugte, als Gott „den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2Kor 5,21), wo Jesus, die Wahrheit des Todes und des Gerichts empfand, wie es kein anderer je konnte, sein Haupt beugte, nicht nur vor dem verächtlichen Hass der Menschen und der listigen Bosheit Satans, sondern vor der Empörung Gottes über die Sünde – verachtet von den Menschen, verabscheut von der Nation, verlassen von den Jüngern, verlassen von Gott, als Er am meisten Trost brauchte, seinen Willen vollkommen in der einzigen nicht erstürmten Festung der Macht des Feindes tat und litt – zu Gottes Ehre und in seiner Gnade? Nein, es gibt nichts Vergleichbares, auch nicht dort, wo, und nur dort, alles Vollkommenheit war, im Leben Christi. Das war eine Verherrlichung des Vaters im Guten in einer Hingabe und Abhängigkeit, mit der sich niemand vergleichen kann; das war eine Verherrlichung Gottes im Bösen durch das Ertragen all dessen, was der Heilige Gottes erleiden konnte, von all dem, was Gott Ihm in schonungslosem Gericht zufügen konnte und tat – sowohl das eine als auch das andere in absolutem Gehorsam und Liebe und Selbstverleugnung zu seiner Herrlichkeit. Und all dies und mehr als dies – gelobt sei Gott! –, sehen wir in dem Menschen, dem Sohn des Menschen, damit in Ihm, in jener Natur, die von Anfang an Schmach und Rebellion gegen Gott gewirkt hatte, Gott verherrlicht werden konnte. „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in Ihm.“ In dieser Person und durch dieses Werk wurde alles verändert. Der Grundstein wurde gelegt, der Same wurde für eine völlig neue Ordnung der Dinge gesät. Zuvor hatte Gott nicht nur mit den Menschen, sondern sogar mit den Heiligen in Erwartung dessen, der kommen sollte, Verzicht geübt; und die Sünden wurden nicht gerade erlassen, sondern vorvergeben (Röm 3,25), wenn wir mit dogmatischem Genauigkeit sprechen wollen. Der Mensch war schlicht und einfach ein Schuldner der Barmherzigkeit Gottes. Wir würden auch nicht einen Moment lang abschwächen, dass der Mensch immer noch ein Schuldner seiner Barmherzigkeit ist und immer sein muss. Aber es gibt jetzt eine Offenbarung kraft des Todes Christi, eine neue und andere und unendliche Wahrheit, dass Gott dem Sohn des Menschen schuldig ist, dass Er Ihn nicht weniger als das Gute verherrlicht hat, dass Er nicht nur alle Gerechtigkeit erfüllt hat, sondern auch für alle Ungerechtigkeit gelitten hat. Das allein ist es, was im Kreuz seine besondere Herrlichkeit ausmacht, die vor den Augen des schwachen Menschen immer wieder verblasst, wenn sie nicht vom Licht Christi in der Herrlichkeit erfüllt wird, die Gott, der Vater, nie vergessen hat, der auf den Ruf „Vater, verherrliche deinen Namen“ sagte: „Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn auch wieder verherrlichen“ (12,28). Und so tut Er es und wird es immer tun, wenn auch der Anschein für eine kurze Zeit das Gegenteil behaupten mag.
Seine Gerechtigkeit, einst ein so gefürchteter Klang, bewaffnet (wie sie ohne Christus nicht sein konnte) gegen uns, ist jetzt durch seinen Tod so deutlich für uns, wie es ihre Quelle ist, die Gnade, die durch sie zum ewigen Leben herrscht. Und wir rühmen uns in der Hoffnung auf seine Herrlichkeit, die uns durch Christi Tod augenblicklich und ewig zum Verderben gereicht hätte; so gewiss, wie wir durch den Glauben Zugang zu seiner Gunst haben, in der wir gegenwärtig stehen. Oh, was hat der Tod Christi für Gott und für uns getan alles bewirkt!
Deshalb fügt der Herr hinzu:
22 Es ist nicht so, dass der Aorist, wie hier, immer die Gegenwart oder die Zukunft bedeutet, sondern dass im Griechischen von der Handlung als vollständig gesprochen wird, zusammengefasst von der beginnenden Tatsache bis zu ihrer Vollendung (siehe auch Joh 15,6 und Off 10,7).↩︎