Behandelter Abschnitt Lk 17,1-4
Das Kapitel beginnt mit einer Belehrung, die aus dem Vorhergehenden folgt. Das jüdische System wurde gerichtet. Es sollte völlig hinter sich gelassen werden. Gegenwärtige Gunst und irdischer Wohlstand waren kein Prüfstein für Gottes Einschätzung. Das, was unsichtbar ist, wird den tatsächlichen Zustand der Dinge völlig umkehren. Lazarus tauscht die Welt für Abrahams Schoß ein, der reiche Mann wird danach in der Hölle gequält; aber beide sehen die unendliche Bedeutung des Wortes Gottes jeder für sich.
Hier zeigt der Herr den Jüngern die Gewissheit von Stolpersteinen in einer Welt wie dieser und das schreckliche Verhängnis derer, die sie verursachen: „Es wäre ihm nützlicher, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde“ (V. 2; vgl. Mt 18,6.7), sagt der Herr über jeden, der andere so zu Fall bringt. Daher müssen wir als seine Jünger auf uns selbst achten; und während wir uns davor hüten, dass andere uns straucheln machen, müssen wir die Gnade Gottes beachten, die für das Christentum so wesentlich ist, wie das Gesetz für die Juden als ihre Regel war. „Habt Acht auf euch selbst: Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, so vergib ihm“ (V. 3; vgl. Mt 18,15). Das setzt voraus, dass es einen bösen Verlauf und eine böse Strömung in der Welt gibt, die jeden Bruder treffen kann; aber die Gnade ist niemals dazu bestimmt, die moralische Verwerfung des Bösen zu schwächen.
Bereuen ist ein großes Wort, ganz im Gegensatz zur Neigung des menschlichen Willens. Der Mensch mag sich bemühen, aber er wird nie bereuen. Nur die Gnade gibt wirkliche Reue, die, wenn sie in ihrem eigentlichen Sinn gebraucht wird, einfach und ausnahmslos das Gericht über sich selbst bedeutet. Dem wird sich der Mensch niemals beugen. Er mag Wiedergutmachung anbieten, er mag sich bemühen, Gutes zu tun und das Böse wiedergutzumachen; aber sich selbst als durch und durch als falsch anzuerkennen, ohne Einschränkung, Vorbehalt oder das Bestreben, die Schuld auf andere zu werfen, ist niemals das Ergebnis der Natur des Menschen, sondern des Wirkens der göttlichen Gnade und daher wahr für jeden, der wirklich erneuert ist.
Es ist unmöglich, dass ein Sünder ohne Reue zu Gott gebracht werden kann. Der Glaube ist zweifellos die Quelle von allem; er allein gibt durch die Offenbarung der Gnade in der Person und dem Werk Christi Kraft; aber die Reuse ist die unabänderliche Folge oder Begleiterscheinung. Und so ist es auch in besonderen Fällen, wie hier bei der Übertretung: „und wenn er es bereut, so vergib ihm.“ Dies war besonders nötig, um einen Juden, der an Strenge gewöhnt war, zu ermahnen. Und außerdem würde die Gnade verhindern, dass man durch schlechte Taten anderer mehr ermüdet wird als durch gute Taten unsererseits. „Und wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigt und siebenmal zu dir umkehrt und spricht: Ich bereue es, so sollst du ihm vergeben“ (V. 4; vgl. Mt 18,21.22). Siebenmal bedeutet, dass das Versagen vollständig ist, und das auch noch an einem Tag, was die Prüfung noch verstärkt. Für den menschlichen Verstand würde dies die Hoffnungslosigkeit jeglichen Gutes in der Vergebung anzeigen. Aber es ist so, dass Gott mit uns umgeht: Er ist unermüdlich in seiner Gnade. Wäre es nicht so, wäre es mit uns vorbei, nicht nur, wenn wir in unseren Sünden sind, sondern sogar als Gläubige.