Behandelter Abschnitt Lk 17,5-10 „Und die Apostel [denn so wird es hier zu unserer Belehrung ausgedrückt] sprachen zu dem Herrn: Mehre uns den Glauben!“ (V. 5). Sie empfanden, dass eine solche Forderung völlig jenseits von ihnen war. „Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Werde entwurzelt und ins Meer gepflanzt!, und er würde euch gehorchen“ (V. 6; Mt 17,20; Mt 21,21; Mk 11,23). So wirkt der Glaube, was dem Menschen und seiner Natur unmöglich ist; und dies auch, wo immer ein Körnchen Wirklichkeit ist, sei es auch noch so klein. Denn ob der Glaube klein oder stark ist, wenn er echt ist, bezieht er Gott mit ein; und Gott ist derselbe Gott in der Antwort auf den kleinen Glauben wie auf den großen. Es mag ein großer Unterschied bestehen, was das Ergebnis für den sinnlichen Genuss betrifft; aber Gott antwortet in seiner Gnade auf die schwächste Ausübung des Glaubens an Ihn. „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Werde entwurzelt und ins Meer gepflanzt! [ganz im Gegensatz zum Lauf der Natur], und er würde euch gehorchen.“ Wir müssen als Gläubige immer die Überlegenheit Gottes über alle Umstände im Auge behalten.
Zugleich haben wir hier einen Ort der Pflicht; und der Herr erinnert uns daher nicht nur an die Kraft des Glaubens über jedes Hindernis, sondern auch an den Ton des Verhaltens, der uns zukommt, wenn wir unsere Pflichten tun, oder vielmehr, wenn wir sie getan haben: „Wer aber von euch, der einen Knecht hat, der pflügt oder weidet, wird, wenn er vom Feld hereinkommt, zu ihm sagen: Komm und lege dich sogleich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite zu, was ich zu Abend essen soll, und gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; und danach sollst du essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er das Befohlene getan hat? Ich meine nicht“ (V. 7–9). Die Gnade schwächt keineswegs die Pflicht ab, die wir schulden. Es gibt gewisse Anstandsregeln, die wir niemals aufgeben dürfen, an die der Herr hier seine Apostel erinnert. Der Herr dankt dem Knecht in einem solchen Fall nicht; es ist nur seine Pflicht, die Erfüllung des Dienstes, den er übernommen hat, was er daher nicht vergessen oder unterlassen kann, ohne Unrecht zu tun. „So auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (V. 10).
Die Menschen sind manchmal geneigt, zu denken, dass es uns zusteht, dass wir untüchtig sind, wenn wir die gebotenen Dinge nicht tun; so sprechen sie wenigstens. Aber der Herr lehrt uns, dass wir nur dann untüchtige Knechte sind, wenn wir alles getan haben, was uns geboten ist. Unserer Pflicht nicht nachzukommen, ist ein echtes Unrecht gegenüber dem Meister; aber wenn wir alles getan haben, steht es uns zu sagen: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Alles, was uns befohlen wird, ist geringer als das, was Christus verdient; und wir haben es mit dem Christus Gottes zu tun. Wenn wir das getan haben, was unsere Pflicht war, ist dann die Liebe befriedigt? Sie würde noch weitergehen. Christus liebte es, zu gehorchen, Er tat immer, was geboten war, und litt daher bis zum Äußersten in der Gnade für uns und zur Ehre Gottes. So ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes; und in ihr sollen wir nun wandeln, wie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer Gott zu einem duftenden Wohlgeruch (Eph 5,2). Wir sind in der Tat unnütze Knechte; doch wie reich ist der Platz, auf den uns die Gnade schon jetzt bringt!