Behandelter Abschnitt Lk 15,1-2
Im letzten Teil von Lukas 14 sahen wir wie der Herr den nachfolgenden Volksmengen seine Bedingungen der Jüngerschaft vorstellte, wenn ich das so sagen darf. Dort legte Er fest, dass ein Mensch, der nicht zu Ihm kommt und Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern und sogar sein eigenes Leben hasst, nicht sein Jünger sein kann. „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein“ (14,27). So besteht Er zuerst auf einem gründlichen Bruch mit der Natur und dann darauf, dass dies so bleiben muss. In seinen Illustrationen legt Er die Notwendigkeit der Absicht und die Gefahr dar, ein solches Unternehmen zu durchzufuhren. Ein Mensch wird sonst mit Sicherheit sein Werk unvollendet lassen.
Und wie würde es jemandem ergehen, wenn ein König mit der doppelten Streitmacht gegen ihn käme? Die Moral von alledem ist, dass der Mensch nichts von sich aus tun kann, sondern dass allein Gott einen Menschen befähigen kann, die Welt für Christus zu verlassen und Ihm weiter nachzufolgen. Das Schlimmste von allem ist, sich von Ihm loszusagen, nachdem man einen solchen Namen getragen hat – Salz, das seinen Geschmack verloren hat.
Dennoch zogen seine Worte die Ausgestoßenen und Erniedrigten zu Ihm, die zu erbärmlich waren, um ihre Not nicht zu fühlen und zu bekennen. Die Zöllner und Sünder wurden nicht zurückgestoßen, sondern kamen herzu, sehr stark angezogen, um das zu hören, was sie als Wahrheit empfanden und wovor sich das Gewissen beugte, obwohl sie so etwas noch nie gehört hatten. Sie hörten in der Tat etwas, von dem sie nicht anders konnten, als anzuerkennen, dass es die Anmaßungen der stolzen Menschen zunichtemachte. Denn die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten keine Vorstellung davon, was es heißt, Jesus nachzufolgen, genauso wenig wie sie zu Ihm kamen. Sie vergötterten sich selbst im Namen Gottes. Es war ihre eigene Tradition, die sie schätzten; und wenn sie viel vom Gesetz zu halten schienen, dann nicht, weil es von Gott war, sondern weil es ihren Vätern gegeben und mit ihrem System identifiziert worden war. Ihre Religion war eine feste Behauptung des Ichs – das war ihr Götze. Daher murrten sie über die Gnade Christi gegenüber den Elenden. Denn die Wege Christi, wie seine Lehre, ebneten alles ein und zeigten, nach der späteren Sprache des Apostels Paulus, dass es keinen Unterschied gibt.
Zweifellos wird der Mensch, der auf der Suche nach seinen eigenen Leidenschaften und Vergnügungen ist, weder zu Christus gehen noch Ihm nachfolgen; noch weniger wird der, der eine eigene Religion hat, auf die er sich beruft, Ihm nachfolgen. Die Gnade geht hinab auf die gemeinsame Ebene des Verderbens, das die Sünde angerichtet hat. Sie spricht den Menschen wegen der Wahrheit an; und die Wahrheit ist, dass alles verloren ist. Und was soll es, von Unterschieden zu sprechen, wenn die Menschen verloren sind? Wie blind ist es, unter denen zu unterscheiden, die ins Verderben geworfen werden! Dort zu sein, ist das Schreckliche – nicht die Schattierungen von Unterschieden in der Art und Weise oder im Charakter, die unter denen, die dort sind, gefunden werden können. Die schreckliche Tatsache ist, dass sie alle gleichermaßen gegen Gott gesündigt haben und den Himmel verloren haben, und dass sie alle gleichermaßen in die Hölle kommen.
Aber es gibt auch das in den Sprüchen der Pharisäer und Schriftgelehrten, was zeigt, dass auch sie den Punkt der Wahrheit empfanden, und was sie am meisten ärgerte, war die Gnade. Denn sie murrten und sagten: „Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen“ (V. 2). In der Tat tut Er das; es ist sein Rühmen. Es ist das Ausgehen der göttlichen Liebe, Sünder zu empfangen. Und es war seine Gnade als Mensch, die sich herabließ, mit ihnen zu essen. Hätte Er das nicht getan, mit wem hätte Er dann überhaupt essen können? Aber in Wahrheit, als Er sich herabließ, mit den Menschen zu essen, wählte Er seine Gesellschaft nicht aus. Er war herabgestiegen und im Fleisch offenbart worden, um ausdrücklich die Gnade Gottes sichtbar zu machen; und wenn das so war, nahm Er Sünder auf und aß mit ihnen.