Behandelter Abschnitt Lk 15,3-7
Der Herr antwortet mit einem Gleichnis – eigentlich mit drei Gleichnisses. Aber das erste von ihnen ist das, was wir uns jetzt ansehen wollen. Er stellt den Fall eines Mannes – der Er selbst ist – dar, der hundert Schafe hat. „Welcher Mensch unter euch, der hundert Schafe hat und eins von ihnen verloren hat, lässt nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?“ (V. 4). Er appelliert an sie: Nicht einer von ihnen würde seinem verlorenen Schaf nachgehen wie Er und versuchen, es wiederzufinden. Bei uns geht es in der Tat nicht darum, dass wir auf die Suche nach Christus gehen, sondern dass der Mensch Christus Jesus, der gute Hirte, uns nachgeht – dem, was verloren war. Angenommen, ein Mann hat neunundneunzig Schafe, die nicht so dringend seine sofortige Hilfe brauchen, so kann er die Schafe, die in verhältnismäßiger Sicherheit bleiben, zurücklassen. Das, was in Gefahr ist, ist das, das seine Liebe sucht, bis Er es findet. „Und wenn er es gefunden hat, legt er es mit Freuden auf seine Schultern“ (V. 5). Es ist offensichtlich das Werk des Herrn Jesus, das hier vorgestellt wird. Wer kann darin nicht die mächtige Offenbarung der göttlichen Liebe erkennen, die Jesus charakterisierte? Er war es, der kam, Er, der die Mühe auf sich nahm; Er war es, der die Leiden bis zum Tod, sogar bis zum Tod am Kreuz, ertrug; Er war es, der das verlorene Schaf fand und rettete; Er ist es, der es frohlockend auf seine Schultern legt. Wessen Freude kann mit der Seinen verglichen werden? Kein Zweifel, das Schaf erntet den Nutzen; doch gewiss war es nicht das Schaf, das den Hirten suchte, sondern der Hirte das Schaf. Es war nicht das Schaf, das auf seine Schultern kletterte, sondern Er legte es mit seiner eigenen Hand dorthin. Und wer sollte es von dort wegreißen? Es war alles, ja, alles sein Werk. Es war das Schaf, das sich verirrte; und je länger es sich selbst überlassen war, desto weiter entfernte es sich vom Hirten. Es war also das Werk des Herrn Jesus, sowohl zu suchen als auch zu erretten.
Er hat weiterhin seine Freude daran, obwohl es weit über den Gegenstand seiner Fürsorge hinausgeht: „und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und die Nachbarn zusammen und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war“ (V. 6). Man vergisst die Fülle der Liebe, die in Gott und in Christus Jesus, unserem Herrn, ist, wenn man annimmt, dass es nur darum geht, dass der Sünder gerettet werden muss oder dass er sich freut, wenn er gerettet wird. Es gibt eine viel tiefere Freude; und diese ist die Grundlage aller echten Anbetung. In der Tat ist unsere Freude nicht das bloße Gefühl unserer eigenen persönlichen Befreiung, sondern unsere Wertschätzung seiner Freude über unsere Befreiung, seine Freude über unsere Errettung. Das ist Gemeinschaft, und es kann keine Anbetung im Geist ohne sie geben. Und das scheint die Bedeutung dessen zu sein, was in dem Gleichnis, wie es am Schluss beschrieben wird, im Bild vorgestellt wird. Er rief die Freunde und Nachbarn zusammen und sagte zu ihnen: „Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.“
So könnte das Herz des Menschen, das den Trost empfindet, wiederzufinden, was ihm gehört, in gewissem Maß begreifen, wie Gott Freude an der Rettung der Verlorenen hat. Jedenfalls beruft sich Christus auf das eine, um das andere zu rechtfertigen. „Ich sage euch: Ebenso wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die die Buße nicht nötig haben“ (V. 7). Aber der Mensch als solcher freut sich nicht, wenn sein Mitmensch sich in Kummer und Selbstgericht an Gott wendet. Das ist nicht das Empfinden der Erde, wo Sünde und Selbstsucht herrschen; aber es ist gewiss das Empfinden des Himmels. Welche Freude herrscht dort über den reuigen Sünder! Die Engel freuten sich über die gute Nachricht der Gnade für Israel und vor allem für den Menschen. So freuen sie sich noch immer, wie wir den späteren Worten unseres Herrn Jesus recht entnehmen können.
Hier ist es noch allgemeiner. Die mannigfaltige Weisheit Gottes in der Versammlung ist der ständige Gegenstand und das Zeugnis für die Fürstentümer und Mächte in den himmlischen Örtern (Eph 3); der Herr gibt uns hier die Gewissheit, dass ein bußfertiger Sünder Anlass zur Freude in der Höhe gibt. Dort gibt es keine Murrenden; es ist allgemeine Freude in der Liebe. Ist es auch bei uns so? Doch wir haben eine neue Natur, die nicht weniger, sondern mehr fähig ist, die Freude der Gnade zu schätzen, nicht aus uns selbst zu suchen, sondern die Not eines Sünders und die Barmherzigkeit der Befreiung Gottes in Christus zu erkennen, wie es kein Engel kann.
Bemerke an letzter Stelle, dass es Freude ist „über einen Sünder, der Buße tut“, nicht gerade über seine Errettung. Es ist Freude über einen Menschen, der dazu gebracht wird, seine Sünde zu bekennen und sich selbst zu richten und Gott zu rechtfertigen. Wir sind geneigt, uns mehr mit der Befreiung von einer drohenden Gefahr zu beschäftigen. Kurz gesagt, wir sind geneigt, mehr für die menschliche Seite zu empfinden als uns mit Gottes moralischer Herrlichkeit oder seiner Gnade zu beschäftigen. Die Freude im Himmel ist über den bußfertigen Sünder.