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Kommentar von verschiedenen z.T. unbekannten Autoren
Lk 15,1Kommentar zu Lukas 15,1
Behandelter Abschnitt Lk 15,1-32
In Übereinstimmung mit Kolosser 1, wo die Versöhnung mit der Fülle (der Gottheit) verbunden wird, finden wir in diesem Kapitel im Gleichnis den Sohn (= der Hirte, der dem verlorenen Schaf nachgeht), den Geist (= die Frau, die die Drachme sucht) und den Vater beschäftigt, den Menschen wieder mit sich in Gemeinschaft zu bringen. Wir sehen in diesem Kapitel, wie es bei der Versöhnung des Menschen nicht so sehr darum geht, was der Mensch bekommt (obwohl auch das angedeutet wird); es geht insbesondere um die Freude Gottes an der Versöhnung. So wird bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes gerade die Freude des Vaters ausführlich beschrieben, nicht aber die Freude des Sohnes, was wir vielleicht eher erwartet hätten. Bei jedem Teil des Gleichnisses wird insbesondere die Freude der Person betont, die das Verlorene wiederfindet.
Des Weiteren wird in den Gleichnissen in Lukas 15 das Verlorensein betont: „mein Schaf, das verloren war“, „die Drachme, die ich verloren hatte“; „dieser war verloren und ist gefunden worden“. Diese Gleichnisse zeigen uns eins: Gott hatte etwas verloren, was Er sehr wertschätzt. Er hatte den Menschen geschaffen, um Gemeinschaft mit ihm zu haben; doch diese ungetrübte Gemeinschaft ging durch den Sündenfall des Menschen verloren. Dass Gott etwas verloren hatte, finden wir schon auf den ersten Seiten der Bibel, wo wir lesen, dass Gott den Menschen sucht (1Mo 3,4.5). Wenn die Gleichnisse davon berichten, dass das Verlorene schließlich wiedergefunden wird, so lesen wir auch von der großen Freude des Hirten, der Frau und des Vaters. Hierin dürfen wir die Freude des dreieinen Gottes sehen. Daher auch die große Freude über das Wiederfinden. Auch sehen wir hier, dass die Stellung des Wiedergefundenen weit besser ist, als sie vorher war:
Das Schaf wird nicht zur Herde zurückgebracht, sondern „nach Hause“.
Der verlorene Sohn kommt nicht nur wieder nach Hause zurück, sondern er erhält das beste Kleid und das gemästete Kalb.
So ist es auch beim Menschen. Durch die Versöhnung ist ungetrübte Gemeinschaft zwischen
Gott und Mensch nun wieder möglich geworden. So wie in den Gleichnissen das Schaf, die Drachme und der Sohn wiedergefunden wurden, so hat Gott den Menschen sozusagen „wiedergefunden“. Das ist das Ergebnis der Versöhnung: Der Mensch wird nicht wieder in seine alte Stellung gesetzt, sondern er erhält eine ganz neue Stellung vor Gott. Er wird nicht in den Zustand zurückversetzt, in dem er sich in Eden vor dem Sündenfall befunden hatte, sondern er wird zu dem gebracht, was Gott schon immer für ihn vorgesehen hatte: in den Genuss seiner ganzen Liebe in seinem Haus.
Wie sehr Gott sich danach gesehnt hat, den Menschen zu sich zurückzubringen, sehen wir auch in dem kleinen Satz „Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater“ angedeutet. Der Sohn hatte sich in der Ferne aufgehalten, und doch sah ihn dort sein Vater. Gott hatte während der ganzen Zeit, als der Mensch von Ihm entfremdet war, nicht aufgehört, nach ihm auszuschauen. Wenn der Vater den Sohn küsst, dann ist das ein anschauliches Bild dafür, dass durch die Versöhnung die Entfernung zwischen Gott und dem Menschen aufgehoben ist.
Bisher haben wir nur den Aspekt der Gnade aufseiten des Vaters (der ein Bild Gottes ist) betrachtet. Bei der Versöhnung ist jedoch auch der Aspekt der Verantwortung aufseiten des Sünders wichtig. Dieser Aspekt wird heutzutage leider manchmal übersehen, insbesondere auch dann, wenn es um die praktische Anwendung der Geschichte vom verlorenen Sohn auf die Wiederherstellung gestörter Beziehungen geht. Wir lesen nicht, dass der Vater dem Sohn in das ferne Land gefolgt wäre, und er ging auch nicht zu ihm, als der Sohn Schweinehirt war.1 Zuerst musste der Sohn sich über seine Lage klarwerden, dann sich aufmachen zur Umkehr. Das ist Buße; sie muss grundsätzlich vorausgehen. Nachdem der Vater ihn geküsst hatte, fehlte dann auch das Bekenntnis des Sohnes nicht: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ Ohne Bekenntnis gibt es keine Vergebung und keine echte Versöhnung. Die Frage der Schuld muss unbedingt geordnet sein, wenn wahre Versöhnung zustande kommen soll.
In den Worten des Vaters in Lukas 15,22 sehen wir ein Bild für die „neue Schöpfung“, die Gott in dem Gläubigen zustande gebracht hat: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße.“ Der Sohn wird nun in einen weitaus besseren Zustand gebracht, als er sich vor seinem Weggang vom Vater befunden hatte. Die Entfernung zwischen Vater und Sohn wird nicht einfach überbrückt. Die Lumpen des verlorenen Sohnes werden nicht gewaschen und ausgebessert, die Sandalen werden nicht geflickt, sondern alles wird neu.
So wie Gott uns heute Aufgaben erteilt, so erhielten auch die Diener des Vaters Aufgaben (Lk 15,22.23). Natürlich ist es der Heilige Geist, der in den Menschen wirkt, doch Gott möchte Menschen dazu gebrauchen, das Wort der Versöhnung zu verkündigen (s. 2Kor 5,19). Welch eine Gnade, wenn Er uns dazu gebrauchen will!
Gott möchte außerdem, dass wir uns in seiner Gegenwart wohl fühlen.2 Wir dürfen uns schon heute in Gottes Gegenwart so wohl fühlen, wie wir uns einmal im Himmel in der Ewigkeit beim Herrn „wohl fühlen“ werden, wenn wir seine Gegenwart genießen. Wir brauchen keine Angst zu haben, wir fühlen uns nicht beargwöhnt, wir fühlen uns nicht als Fremde, ja, nicht einmal als Gäste; wir gehören dorthin, so wie unsere Kinder zu uns in unser Haus gehören.
Auch der wiedergefundene Sohn sollte sich nach seiner Rückkehr zu Hause in der Gegenwart des Vaters wohl fühlen; darum handelte der Vater mit dem Sohn so, wie wir es in den Versen 20 bis 24 lesen. Mit dem Kuss war aufseiten des Vaters alles geklärt. Der Sohn wurde nicht dadurch angenehmer, dass er das beste Kleid anhatte, aber es änderte sehr viel an dem Empfinden des Sohnes. Ohne ein neues Kleid, weiterhin in seinen Lumpen, hätte er sich in der Gegenwart des Vaters nicht wohl fühlen können. Hier haben wir den Gedanken der Versöhnung, der den Menschen betrifft. Als der verlorene Sohn vom Vater umarmt wurde und sich dessen bewusst wurde, dass er in der Gunst seines Vaters stand und dass der Vater nicht böse auf ihn war, und nachdem er sein Bekenntnis ausgesprochen hatte – da war er versöhnt. Aber es war nur eine Seite der Versöhnung, denn er stand dort immer noch in den schmutzigen Kleidern, in seinen Lumpen, und barfuß. So konnte der Sohn sich in der Gegenwart des Vaters, der ihm nur Liebe und jetzt völlige Barmherzigkeit erwiesen hatte, nicht wohlgefühlt haben. Erst als er das beste Kleid3 anhatte, Sandalen an seinen Füßen4 und den Ring5 an seinem Finger hatte, war er in der Lage, auch bewusst die Versöhnung zu genießen.
Die gemeinsame Mahlzeit mit dem geschlachteten Kalb in der Mitte erinnert uns an das Friedensopfer. Dieses Opfer spricht von der Gemeinschaft zwischen Gott und Menschen aufgrund des Werkes Christi, von einer Gemeinschaft, aus der tiefe Freude hervorströmt. Diese Freude wird in den Worten des Vaters ausgedrückt: „Lasst uns essen und fröhlich sein“ (Lk 15,23). Die Zeichen wahrer Versöhnung sind eine ungetrübte glückliche Beziehung, in der man sich wohlfühlt, sowie Gemeinschaft und Freude.