Behandelter Abschnitt Hld 3,1-11
Wir haben gesehen, wie treu die Aufmerksamkeit des Bräutigams für Zion ist, die Stadt, die Er geliebt und erwählt hat und am Ende von all ihrer langen Torheit und aus der Hand all ihrer Feinde zurückgewinnen wird. Der Gegenstand diese Buches ist die Wiederherstellung ihres Herzens, das treu und empfänglich für seine Liebe ist. Dass es ein Prinzip gibt, das jedem gläubigen Herzen und damit auch für die Versammlung in ihrer Gesamtheit gilt, ist gewiss und wichtig, so ist es mit der Schrift im Allgemeinen. Aber es ist ebenso wichtig zu erkennen, dass die besondere Beziehung Christi hier mit der jüdischen Braut für die Erde ist, wie in den Briefes des Paulus und der Offenbarung mit der Versammlung, der Frau des Lammes für die Himmel, obwohl sie jetzt auf der Erde im Geist richtig vorweggenommen und genossen wird.
Die Wahrheit hat durch dieselbe ungläubige Unwissenheit gelitten, die seit den Aposteln diese überaus wichtigen Unterschiede missachtete und das Alte und das Neue Testament in der Verwirrung von Himmel und Erde, Israel und der Versammlung, der Gegenwart und der Zukunft, in einer vagen und unbestimmten Vorstellung von der Gnade vom Anfang bis zum Ende der Zeit. Die mangelnde Unterscheidung steht im Gegensatz mit der ganzen Schrift, schwächt die Wahrheit, verdunkelt die Absichten Gottes und der Liebe und führt zur traurigen Beeinträchtigungen der Zuneigung, der Anbetung und des Glaubenswandels, besonders bei Christen.
Für uns alle gilt die souveräne Gnade, die durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn, regiert. Die Folge ist, dass die Gläubigen, ob aus Juden oder Heiden, durch das Evangelium aus der Finsternis in das wunderbare Licht Gottes gebracht werden und, auf der Erlösung in Christus durch sein Blut ruhend, mit dem Heiligen Geist versiegelt werden; wie sie durch denselben Geist zu einem Leib getauft und zu Gottes Wohnung gemacht werden (Eph 1 und 2). Die Christen, die Versammlung, die so mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus gesegnet sind, sind verantwortlich, dementsprechend zu wandeln, gemeinsam nicht weniger als Einzelne. Wenn solche dann zurückweichen, ist das fatal, wie wir in Hebräer 10 sehen, unabhängig von der Gnade, die die reuigen Gläubigen wiederherstellt. Wenn es öffentliche Verderbnis gibt, die im Stolz unter dem Vorwand der Einheit aufrechterhalten wird, wie in Babylon und seinen Töchtern, gibt es keine Wiederherstellung, sondern nur göttliches Gericht.
Mit Israel ist es ganz anders. Ihr Rückfall und ihre Rebellion unter dem Gesetz, die Verwerfung des Messias durch die Juden, so unentschuldbar alles war, sind völlig anders als der Abfall nach der Erlösung und der Gegenwart des vom Himmel herabgesandten Geistes. Der Herr wird kommen, um die Seinen, die auf Ihn warten, in das Haus des Vaters heimzuholen (Joh 14,1-3). Dann werden die abgefallene Christenheit und die Masse der Juden reif sein für das Gericht. Dieses Gericht wird der Herr bei seiner öffentlichen Erscheinung ausführen. Zuvor hat Er durch Gnade sowohl in Israel als auch unter den Heiden jeweils getrennt gewirkt (nicht in einem Körper wie jetzt), wie wir in Offenbarung 7 und anderswo sehen, um irdische Zeugen seiner rettenden Gnade vor dem Beginn des tausendjährigen Zeitalters vorzubereiten.
So werden sowohl der Himmel als auch die Erde entsprechende Bewohner haben, die Gläubigen des Alten Testaments und die Versammlung im Himmel in ihren verherrlichten Körpern, errettete Juden und Heiden in ihren natürlichen Körpern, die lebendige Demonstration seiner gesegneten Macht als ein König, der in Gerechtigkeit regiert, wenn der Mann zur Rechten Gottes das Reich empfängt, damit alle Völker Ihm dienen. „Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter eure Füße zertreten“ (Röm 16,20).
Solange aber die Versammlung zur himmlischen Herrlichkeit berufen und geformt wird, liegt der Schleier auf dem Herzen Israels. Wenn Israel sich dem Herrn zuwendet, wird der Schleier weggenommen (und zwar in der Zwischenzeit, die mit der Entrückung der Versammlung beginnt und mit dem Kommen des Herrn mit seinen Heiligen in Herrlichkeit endet). Auf diese Zeitspanne wird das göttliche Licht in besonderer Weise geworfen, hauptsächlich in Daniel und noch mehr in der Offenbarung. Die Psalmen drücken reichlich das Wirken des Gewissens und des Herzens in ihnen aus, ihre Hoffnungen und ihre Bedrängnis in Gott, wenn sie sich bekehrt haben, aber nicht zu einem festen Frieden gebracht werden, bis sie den Herrn sehen und der Geist auf sie ausgegossen wird, wie wir es seit Pfingsten haben.
Doch es ist ein großer Irrtum, dieses erste und wirkliche Werk der Gnade, in dem Menschen zur vollen Segnung aus Gott geboren werden, mit der Ruhe und Befreiung zu verwechseln, die nur dadurch kommen, dass wir unsere eigene Ohnmacht sowie Schuld und Not erkennen und daraufhin alles in Christus und seiner Erlösung finden. Das Hohelied zeigt einen weiteren Mangel, nämlich wie das Israel Gottes, die irdische Braut, zu einer persönlichen Beziehung der Liebe des Messias zu seinem auserwählten Volk gebracht wird.
Es muss nicht gesagt werden, dass wir etwas Ähnliches in dieser bräutlichen Zuneigung finden, die unter uns, den Gläubigen seit den apostolischen Tagen, so schwach entwickelt ist, obwohl wir bereits ein Geist mit dem Herrn sind, bevor Er kommt und die Hochzeit des Lammes im Himmel gefeiert wird. So wie wir im Neuen Testament kein spezielles Buch mit Psalmen und Hymnen für uns vorgesehen haben, sondern in der Lage sind, sie aus Herzen, die vom Geist erfüllt sind, hervorzubringen, so haben wir nicht wie Israel das Bedürfnis nach einem Buch ähnlich dem Hohenlied, damit unsere Zuneigung geweckt und gestärkt wird, wie sie hier auf die direkteste Weise vorgestellt wird. Die traurige Wahrheit ist, dass Israel mit dem Herrn verheiratet war, wie die Propheten das Volk daran erinnern (Jes 54; Jer 3), und ihre Untreue wird daher nicht wie im Neuen Testament durch Babylon als Prostitution, sondern als Ehebruch gebrandmarkt (so in Hos 3 und anderswo), wie auch immer seine Gnade mit Israel nach und nach nicht als schuldige Witwe, sondern als verlassene Frau und junge Frau umgehen mag.
Daher sehen wir die mühevolle Arbeit des Heiligen Geistes sowohl in den Psalmen als auch in den Liedern, um den gottesfürchtigen Überrest in alle Übungen des Herzens zu führen, nicht nur als Gläubige, sondern in ihrer rechten Beziehung zum Messias. Aber daher haben wir dieses Buch als notwendige Form für Zion, nach einem so schmerzlichen Bruch, für jene Erneuerung der Glückseligkeit, die es nie wirklich früher gegeben hat, und die sicher anhalten wird, solange die Erde besteht, deren Ergebnisse nicht vergehen, sondern bleiben, wenn der neue Himmel und die neue Erde im vollen und endgültigen Sinn gekommen sind.
Auf meinem Lager in den Nächten suchte ich ihn, den meine Seele liebt: Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Ich will doch aufstehen und in der Stadt umhergehen, auf den Straßen und auf den Plätzen, will den suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen: Habt ihr den gesehen, den meine Seele liebt? Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich ihn, den meine Seele liebt. Ich ergriff ihn und ließ ihn nicht los, bis ich ihn gebracht hatte in das Haus meiner Mutter und in das Gemach meiner Gebärerin.
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschen des Feldes, dass ihr weder weckt noch stört die Liebe, bis es ihr gefällt!
Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch, von allerlei Gewürzpulver des Händlers? Siehe da, Salomos eigenes Tragbett: sechzig Helden rings um es her von den Helden Israels. Sie alle führen das Schwert, sind geübt im Kampf; jeder hat sein Schwert an seiner Hüfte, zum Schutz vor dem Schrecken in den Nächten.
Der König Salomo hat sich eine Prachtsänfte gemacht aus Holz vom Libanon. Ihre Säulen hat er aus Silber gemacht, ihre Lehne aus Gold, ihren Sitz aus Purpur; das Innere ist ausgelegt, aus Liebe, von den Töchtern Jerusalems. Kommt heraus, Töchter Zions, und betrachtet den König Salomo in der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens! (V. 1–11).
Es war nicht der Tag, aber in Stunden der Dunkelheit suchte die Braut den Geliebten. Das Herz wandte sich Ihm wirklich zu. So hatte der Herr gewarnt: „Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,39). Und sie muss sich selbst besser kennenlernen, um Ihn mehr zu schätzen. Es ist nicht die Lektion des Herzens, die die Versammlung, der Christ, in Ihm kennt, der gekommen ist und sich durch die vollbrachte Erlösung völlig offenbart hat. Und doch gehen die Gläubigen jetzt oft durch ähnliche Wechselfälle, weil sie sich selbst unter das Gesetz stellen, anstatt sich bewusst zu sein, dass wir, nachdem wir mit Christus gestorben sind, von der Sünde (wie auch von unseren Sünden) gerechtfertigt sind, unser alter Mensch mit Ihm gekreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde abgetan werde, damit wir nicht länger der Sünde dienen. Daher sollen wir Christen uns in Christus Jesus der Sünde für tot und Gott für lebendig halten. Aber die gottesfürchtigen Juden, um die es hier geht, haben nicht solch einen Frieden. Sogar wenn sie, nachdem sie von den Wächtern, an die sie appelliert, weggegangen sind, den Geliebten finden, sollen wir es nicht mehr als Vorwegnahme im Geist der Prophezeiung begreifen, wie bei anderen von früher. Nicht der Versammlung, sondern Israel wird der Sohn geboren (siehe Off 12,4).
Aber es gibt einen Fortschritt nach der zweiten Strophe; und man sieht auf der einen Seite die irdische Braut aus der Wüste heraufkommen, und auf der anderen Seite einen größeren als den alten Salomo in der Wonne seines Herzens im Blick auf den Tag seiner Verlobung.
Israel aber ist die Mutter sowohl des Bräutigams als auch der Braut: Es geht nicht um die Versammlung, die nie in dieser Beziehung dargestellt wird, sondern allein als die Braut des Lammes. Wir hören zwar von Sara als der freien Mutter der Erben der Verheißung im Gegensatz zu der zur Knechtschaft verdammten Magd Hagar. Aber das ist eine andere Ordnung des Denkens, in die die Versammlung als solche nicht eintritt. Es war das katholische System, das die beiden verwechselte und von „unserer heiligen Mutter“, der Kirche, sprach; wie das römisch-katholische noch weiter in die Irre ging und sie nicht nur zur Mutter, sondern in menschlicher Eitelkeit und Hochmut zur „Herrin“ machte.