Behandelter Abschnitt Spr 2,10-22
Die bewahrende Kraft der Weisheit zeigt sich dann darin, dass sie uns vor moralischen Gefahren bewahrt, sei es vor Ungerechtigkeit oder vor Verderbnis.
Denn Weisheit wird in dein Herz kommen, und Erkenntnis wird deiner Seele lieblich sein. Besonnenheit wird über dich wachen, Verständnis dich behüten: um dich zu erretten von dem bösen Weg, von dem Mann, der Verkehrtes redet; die die Pfade der Geradheit verlassen, um auf den Wegen der Finsternis zu wandeln; die sich freuen, Böses zu tun, über boshafte Verkehrtheit frohlocken; deren Pfade krumm sind und die abbiegen in ihren Bahnen: um dich zu erretten von der fremden Frau, von der Fremden, die ihre Worte glättet – die den Vertrauten ihrer Jugend verlässt und den Bund ihres Gottes vergisst. Denn zum Tod sinkt ihr Haus hinab und ihre Bahnen zu den Schatten; alle, die zu ihr eingehen, kehren nicht wieder und erreichen nicht die Pfade des Lebens –, damit du wandelst auf dem Weg der Guten und die Pfade der Gerechten einhältst. Denn die Aufrichtigen werden das Land bewohnen und die Vollkommenen darin übrigbleiben; aber die Gottlosen werden aus dem Land ausgerottet und die Treulosen daraus weggerissen werden (2,10–22).
Wie bewundernswert ist die Weisheit, die der Herr dem Herzen schenkt! Und zwar nicht weniger auf der negativen oder dunklen Seite als auf der positiven, besonders dann, wenn die Erkenntnis, die damit verbunden ist, der Seele angenehm ist. Diskretion und Unterscheidungsvermögen sind gepaart mit Wachsamkeit gegenüber einer bösen Welt. Gewalt und Gier sind nicht die einzigen Gefahren, sondern der Weg des Bösen durch trügerische Rede. Schweigen ist nicht immer Gold; aber „die Zunge des Gerechten ist auserlesenes Silber“ (Spr 10,20); oder, wie das Neue Testament ermahnt: „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6). Wie mächtig ist die sanfte und reine Antwort, nicht nur, um den Zorn abzuwenden, sondern auch, um die Hitze und den Stolz und den Willen zu bremsen! Es ist gefährlich, verwerfliche Dinge zu hören; es ist verwerflich, sie auszusprechen. Wie schnell werden danach die Pfade der Aufrichtigkeit verlassen, um auf den Wegen der Finsternis zu wandeln! – Böse Worte, die erlaubt sind, führen zu einem Weg, den Gottes Licht niemals erhellt. Wie traurig ist der Abstieg, wenn man sich freut, Böses zu tun! – sich an der Abscheulichkeit oder den Täuschungen des Bösen zu erfreuen! Es ist, sich der schlimmsten Schande zu rühmen – wie krumm in ihren Wegen und verkehrt in ihrem Lauf! Wahrlich, ihr Urteil ist gerecht.
Aber die Besonnenheit, die aus der Weisheit hervorkommt, ist nicht weniger wirksam, um sich vor „der fremden Frau“ (V. 16) und ihren schmeichelnden Worten zu hüten, wo die Lust regiert, nicht die Liebe, und die selbstsüchtige Leidenschaft, nicht die wahre Zuneigung und zärtliche Achtung. Ausschweifung ist alles, was man von ihr erwarten kann, die den Vertrauten ihrer Jugend verlässt und den Bund ihres Gottes vergisst (V. 17).
Wir hören in diesem Buch nicht die frohe Botschaft der Gnade. Es gibt keinen durchgehenden Aufruf des Evangeliums. Es wendet sich an die, die unter dem Gesetz und dem Bund stehen, wer auch immer sonst davon profitieren mag. Es ist sehr gut für jeden Menschen, der Ohren hat, und die, die am meisten von der Gnade und dem himmlischen Vorrecht wissen, werden es am meisten schätzen; seine Stimme ist direkt an das alte Volk Gottes, an Israel. Für sie ist alles einfach und leicht. Es gibt keine Belastung eines einzelnen Satzes oder Wortes, keine Notwendigkeit der Anpassung, keine Verleihung eines Sinnes, den es nicht wirklich enthält oder vermittelt. In ihm erscheint daher „Herr“ regelmäßig, und das selten verwendete „Elohim“ hat seine außergewöhnliche Kraft.
Nebenbei bemerkt, ist die Vorstellung verschiedener Schreiber, die hier oder sonst wo durch solche Bezeichnungen angedeutet wird, der seichteste aller Träume. Sie mag ein angenehmer Zeitvertreib für Menschen sein, die Gott nicht kennen (oder zumindest von einem solchen betört und verblendet sind) und in ihrer Kultivierung ein Feld für Phantasie und Einfallsreichtum ohne Wahrheit, Gewissen oder Liebe finden, eine bloße sprachliche oder intellektuelle Kraftanstrengung, die durch den scharfen Willen geschärft wird, jedes Wahrzeichen der göttlichen Herrschaft zu beschädigen und zu verunstalten.
Es ist offensichtlich, dass Korruption, besonders wenn sie die Form der Verletzung einer heiligen Beziehung annimmt, für Gott ebenso verhasst wie sie für den Menschen zerstörerisch ist. Sieh, wie von Babylon und seinem Gegenstück in der Offenbarung gesprochen und mit ihm umgegangen wird. Hier heißt es: „Denn zum Tod sinkt ihr Haus hinab und ihre Bahnen zu den Schatten“ (V. 18). Das musste Israel als Volk erfahren, bevor es die Christenheit gab, um in den tödlichen Sog zu geraten. Für den Einzelnen gilt es nicht minder: „alle, die zu ihr [der fremden Frau] eingehen, kehren nicht wieder und erreichen nicht die Pfade des Lebens“ (V. 19).
Weisheit vom Herrn ist es also, die dafür sorgt, dass man auf dem Weg des Guten wandelt und die Pfade der Gerechten einhält. So wurden die Gläubigen in früher Zeit geführt; aber wie viel heller ist das Licht des Lebens, wenn man dem folgt, dessen Wege und Worte hier auf der Erde wir von Gott kennen wie von keinem anderen! Und doch war das Wort des Herrn, bevor Er in dieser Welt der Finsternis leuchtete, eine Leuchte für ihre Füße und ein Licht für ihren Weg. Und der Tag eilt herbei, an dem es allen Augen offenbar werden wird, dass die Aufrichtigen das Land bewohnen werden und die Vollkommenen darin übrigbleiben (V. 21). Was in den Tagen Davids und Salomos deutlich bezeugt wurde, ist nur ein Zeugnis für die volle Entfaltung dieser Wahrheit im kommenden Königreich: „aber die Gottlosen werden aus dem Land ausgerottet und die Treulosen daraus weggerissen werden“ (V. 22).