Johannes im Himmel (Kap. 4, 2)
«Komm hier herauf», war die freundliche Einladung des Herrn an Johannes. Er sollte alles vom Himmel, vom Standpunkt Gottes aus sehen. Von droben aus müssen auch wir die kommenden Dinge betrachten, sonst haben wir einen viel zu beschränkten Gesichtskreis. Viele Ausleger der Prophetie haben von der irdischen Perspektive aus geschrieben und Ziel und Zweck des prophetischen Wortes nicht gefunden. Johannes sagt: «Nach diesem», nämlich nach dem großen Gesicht in Kap. 1, nach dem erhaltenen Auftrag: an die sieben Gemeinden zu schreiben. Nun sollte er Zuschauer und Zeuge alles dessen sein, was n a c h dem geschehen werde. Von hoher Warte aus war ihm ein seltener Fernblick gestattet.
«Alsbald war ich im Geiste.» Schon in Kap. 1, 10 sahen wir die weitreichende Bedeutung vom «im Geiste sein». Johannes hat auf Patmos zweifellos eine ähnliche Erfahrung gemacht wie Paulus, doch mit dem Unterschied, dass letzterer Dinge hörte, die er nicht aussprechen konnte (2Kor 12,2-4), während Johannes Gesichte hatte, die er niederschreiben musste. Das Erlebnis des Paulus war ganz anderer Art als das des Johannes. Paulus sollte in seinem schweren Dienst ermuntert werden, Johannes dagegen hatte mitzuteilen, was Gott bald tun werde. «Ich war im Geist» ist die einzig richtige Verfassung, göttliche Dinge zu verstehen (1Kor 2,14-15). Sowohl bei Paulus wie bei Johannes handelte es sich ganz und gar nicht nur um geistlich gesinnte Jesusnachfolger, sondern um Diener, die um Jesu willen schwer litten. Belehrt uns dies nicht, dass der Herr gerade denen das Schönste reserviert, die um Seines Namens willen Leiden und Schmach auf sich nehmen (Off 1 9; Hes 1,1; Mt 3,16; Apg 7,55). Johannes erlebt hier im gewissen Sinne Jesu Wort in Joh 21,20-23 sowie eine Art Wiederholung von Mt 17,1-8.
Was Johannes im Himmel wahrnahm. Nicht Eindrücke oder Ungefähres beschreibt er, sondern Positives. Er sah:
E i n e n T h r o n (Vers 2). Mit dem Thron der Majestät Gottes, dem Mittelpunkt des himmlischen Schauplatzes, eröffnet Johannes die Gesichte. Schon die Propheten Jesaja (Kap. 6) und Hesekiel (1, 26-28) hatten ähnliche Visionen, Besonders wichtig zum Verständnis der Offenbarung ist aber die Vision des Daniel (Kap. 7, 9-10). Dieser Thron ist also nicht mehr der Gnadenthron, denn die Gnadenzeit ist dann vorbei, die Gemeinde ist entrückt. Dieser Thron hat viel mehr mit den kommenden Gerichten über das Reich des Tieres zu tun.
Die Festigkeit des Thrones. Der Thron im Himmel steht fest (Ps 103,19) im Gegensatz zu den wankenden hienieden. Dieser feste Thron gewährleistet die Erreichung des gesteckten Zieles, nämlich die Wiederherstellung aller Dinge.
Die Heiligkeit des Thrones (Vers 5). Blitze und Donner gehen aus ihm hervor, die auf die besonderen Gerichtszeiten und Stürme hindeuten bis zu der Zeit, da wiederum ein Segensstrom aus dem Throne hervorfließen wird (Kap. 22, 1).
Die Umgebung des Thrones. Er ist von einem gläsernen Meer umgeben, das nach Kap. 15 mit Feuer vermengt ist, und an dessen Ufern die Überwinder des Tieres (des Antichristen) stehen und mit Harfenbegleitung das Lied des Mose und des Lammes singen. Dieses Meer drückt die Bedeutung jenes ehernen Meeres in der Stiftshütte (2. Mose 30,18-21) und im Tempel (1Kön 7,23-45) aus, welche beide ein Abbild der himmlischen Dinge sind (Heb 9,23). In diesem Meer mussten die Priester sich Hände und Füße waschen, ehe sie ins Heiligtum eintreten durften, um Gott zu nahen. Ohne diese Waschung gibt es keine Gemeinschaft und keinen Dienst für den Herrn (Joh 13,8). Droben ist das Meer gläsern, solid; denn dort bedarf es keiner Reinigung durch das Wasser mehr.
Die Worte: «Wie ein gläsernes Meer gleich Kristall» treten unserm Verständnis näher, wenn wir die Herrlichkeitserscheinung Gottes in dem Gesichte des Hesekiel betrachten. In Hes 1,22 lesen wir: «Und über den Häuptern der lebendigen Wesen war das Gebilde einer Ausdehnung, wie der Anblick eines wundervollen Kristalls.» Es handelt sich also in beiden Gesichten um ein und dasselbe, nämlich um eine Ausdehnung oder Feste (1. Mose 1,6-8). Das Element dieser Ausdehnung (wie der Anblick eines wundervollen Kristalles) ist der Lichtäther, das durchsichtige Meer, in welchem sich die Lichtwelt der von den Engeln bewohnten Fixsterne bewegt, das Element, welches die seligen Bewohner des Vaterhauses mit den vielen Wohnungen atmen (Joh 14,2). Diese Tatsache finden wir weiter in 2. Mose 24,10 bestätigt: «Und sie sahen den Gott Israels; und unter Seinen Füßen war es wie ein Werk von Saphirplatten und wie der Himmel selbst an Klarheit.
Der Herrscher auf dem Thron. Der auf dem Thron Sitzende ist in Herrlichkeit gehüllt. Diese Herrlichkeit wird besonders durch den Jaspis und Sardis zum Ausdruck gebracht. Der Sardis redet von der einzigartigen Herrlichkeit (Kap. 21, 11), während der Jaspis von Erlösung spricht. Diese zwei Steine waren der erste und der letzte im hohenpriesterlichen Brustschild (2. Mose 28,17-20). Nach Daniel 7,13 wird der auf dem Thron Sitzende der «Alte an Tagen» genannt; der absolut Ehrwürdige, Reife und Unfehlbare im Gerichtsurteil.
Die Tatsache, dass auch der Regenbogen erwähnt wird, beweist, dass Gott trotz der furchtbaren kommenden Gerichte Seines Gnadenbundes mit der Erde gedenkt.
Sieben brennende Feuerfackeln vor dem Throne (Vers 5). In Kap. 1, 4 entbieten sie den Gemeinden als die sieben Geister Gottes ihren gemeinsamen Gruß.
Und in Kap. 5, 6 sind die sieben Feuerfackeln als die sieben Hörner und die sieben Augen des L a m m e s dargestellt. Sie sind nicht Fackeln, um ihre Umgebung zu erleuchten, sondern um zu verzehren ‑ hohe Engelsfürsten, die vor dem Throne Gottes stehen, auf die Befehle Gottes achten und bestrebt sind, sie genau nach Seinem Willen auszuführen. Aus allem heraus erkennen wir immer wieder, wie viele verschiedene Grade es unter den Engeln gibt.
Die vier lebendigen Wesen (Vers 6-9). Sie sind die Hüter des Thrones und sind jene Cherubim aus Hes 1,10. Ihr unaufhörlicher Ruf: «Heilig, Heilig, Heilig» erinnert uns an das Gesicht in Jes 6. Sie beten den Schöpfer an, stehen also in Beziehung zur Schöpfung, was auch die Zahl vier bezeugt. Die lebendigen Wesen unterscheiden sich von den Ältesten, denn sie haben weder Throne, Kronen, goldene Schalen noch Harfen. Ihre vielen Augen deuten auf ihre Einsicht in Gottes Wege und Gerichte hin. Ihre Tätigkeit ist eine doppelte. Im Blick auf Gott geben sie Ihm die Ehre (Kap. 4, 9) und fallen in Anbetung vor dem Lamme nieder (Kap. 5, 8. 14). Im Blick auf die Menschen haben sie Gerichtsgewalt. In Kap. 6 rufen sie den vier schrecklichen Reitern ein «Komm» zu und in Kap. 15, 7 gibt eins von ihnen den sieben Gerichtsengeln goldene Schalen voll des Grimmes Gottes.