Behandelter Abschnitt Off 1,10-11
Der Tag des Herrn
(Kap. 1, 10)
Einleitend zu diesem so wichtigen Gegenstand «Der Tag des Herrn» , weisen wir auf zwei Worte des Herrn hin. In Mt 16,28 steht geschrieben: «Es sind etliche von denen, die hier stehen, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reiche.» Diese Stelle hat schon manchen Bibelleser in Verlegenheit gebracht, indem er sich sagte: «Die Jünger sind doch alle gestorben, wie verhält es sich denn auch mit diesem Wort des Herrn?» (Beachten wir das Wörtlein b i s.) Die Antwort liegt schon in Kap. 17, 1. Dort steht geschrieben: «Nach sechs Tagen nimmt Jesus drei Seiner Jünger mit und führt sie auf einen hohen Berg.» Dort wird Er vor ihren Augen verklärt, d. h. sie sahen den Herrn wie in Seinem Reiche; denn die Verklärung Christi ist eine Miniaturdarstellung des kommenden Königreiches Jesu Christi auf Erden.
Ähnlich verhält es sich mit der Stelle in Joh 21,21-22, die auch manchem Bibelleser Mühe macht. Petrus fragt den Herrn wegen Johannes: «Herr, was soll aber dieser?» Jesus spricht zu Petrus: «Wenn ich will, dass er bleibe, b i s ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach. Es ging nun dieses Wort unter die Jünger aus; jener Jünger stirbt nicht. Jesus sprach aber nicht zu ihm, dass er nicht sterbe.» Gott ließ den Johannes am Leben bleiben bis Christus kam, d. h. bis Johannes ihn auf Patmos sah und die Dinge im Geiste schaute, die sich in dem Zeitpunkt, genannt Tag des Herrn , abspielen werden. .Johannes ist also der einzige Mensch auf Erden, der bereits gesehen hat, was am Tage des Herrn geschehen wird. Das, was uns die alttestamentlichen Propheten in aller Kürze über die Dinge des Tages des Herrn weissagen, entfaltet uns nun Johannes in verschiedenen Details.
Vers 10 des Buches der Offenbarung scheint mir der Schlüssel zum Verständnis des ganzen Buches zu sein. Von der rechten Behandlung dieses Verses wird die Auslegung des ganzen Buches abhängen. Den Ausdruck Tag des Herrn haben viele Ausleger dieses Buches missverstanden und sind in der Folge zu falschen Schlüssen und allerlei Spekulationen gekommen. Etliche meinten, der Tag des Herrn sei der Sonntag, also ein Tag von 24 Stunden. Das stimmt aber nicht! Der Sonntag wird nirgends in der Schrift Tag des Herrn genannt, sondern der erste Tag der Woche (Mt 28,1; Mk 16,2.9; Lk 24,1; Joh 20,1.19; Apg 20,7; 1Kor 16,2). Johannes will sagen: «Während ich auf Patmos verbannt war, war ich im Geiste über Raum und Zeit hinaus versetzt in jenen Zeitabschnitt der Geschichte, den die Schrift Tag des Herrn nennt.» Es handelt sich hier um jene furchtbare Zeitperiode von sieben Jahren (der letzten Danielschen Woche), da der einst geschmähte, allerverachtetste und gekreuzigte Jesus sich plötzlich in Macht und Herrlichkeit offenbaren wird, und zwar an Israel und der Völkerwelt. Gegenstand der Offenbarung ist also:
Israel und die Völkerwelt, nicht aber die Gemeinde, der Leib Christi. Die Offenbarung beendet die vielen unerfüllten Weissagungen der Propheten. Nach Römer 11,25.26 hat Gott bekanntlich Seine Beziehungen zu Israel abgebrochen, es auf die Seite gestellt und unter die Nationen zerstreut. In der Zwischenzeit, d. h. bis zur Wiederaufnahme der Verbindungen mit Israel, hat Gott sich Seine Gemeinde erwählt. Sobald nun die Vollzahl aus den Völkern eingegangen und die Gemeinde entrückt sein wird, wird Gott wieder mit Israel anknüpfen. In der Zeitspanne, genannt:
Tag des Herrn, sehen wir nun das Handeln Gottes mit
Israel und der Völkerwelt. Die vielen Zitate aus dem Alten Testament,
285 an der Zahl, dazu die vielen in der Offenbarung angeführten Bilder
wie Stiftshütte, Tempel, Altar, Weihrauch u. a. m. erinnern an das Alte
Testament und gehen Israel an. Wir halten also fest, dass die Gemeinde
nicht in der Offenbarung ist. Sie ist das Geheimnis, das in früheren
Zeitaltern verborgen war, aber dem Apostel Paulus geoffenbart wurde. Man
lese vorurteilsfrei Stellen wie Eph 3,1-12; Kol 1,25-29;
Der Tag des Heils (2Kor 6,2). Wenn der Apostel sagt: «Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils», meint er gewiss nicht einen Tag von 24 Stunden, sonst wäre er ja längst vorbei. Er vergleicht hier den Tag mit einer bestimmten, begrenzten Zeitspanne, also mit der gegenwärtigen Heilsperiode. Gott ist durch den Opfertod Seines Sohnes mit der Menschheit versöhnt. Der Herr Jesus hat durch Sein Blut die Sündenschuld gesühnt, die Strafe auf sich genommen, und so‑ lässt Er nun allen ohne Ausnahme uneingeschränkte Gnade anbieten. Alle dürfen kommen (aber Er überlässt jedem einzelnen Sünder den persönlichen Entschluss und zwingt niemanden), alle sollen sich beugen und Buße tun, alle ans Opfer Christi glauben und gerettet werden. In der gegenwärtigen Zeit, am Tag des Heils, ruft Er allen zu: «Lasset euch versöhnen mit Gott (2Kor 5,19-21). Dieser Zeitabschnitt hat mit Christi Kommen ins Fleisch begonnen (Lk 4,19) und endet mit der Hinwegnahme, d. h. mit der Entrückung der Gemeinde.
Der Tag des Menschen. In 1Kor 4,3-5 sagt Paulus: «Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Tage beurteilt werde.
Der Apostel wurde oft falsch verstanden und verurteilt, so auch von den Korinthern. Er stellte die Sache aber dem Herrn anheim, der da recht richtet (Nörgler und Kritiker hat es immer gegeben.). Aber anstatt beleidigt zu sein oder die Versammlung zu Korinth deshalb gar zu umgehen und zu meiden, liebte er sie weiter und besuchte sie immer wieder. In 2Kor 12,14 schreibt der Apostel: «Siehe, zum dritten Male bin ich im Begriff, zu euch zu kommen . . . und ich will mit Freuden alles verwenden und mich selbst für eure Seele aufopfern, wenn ich auch, je inniger ich euch liebe, desto weniger von euch geliebt werde.» Aus solchem Verhalten spricht wahrhaftig die Gesinnung Jesu Christi. Der Apostel konnte mit Recht den Korinthern sagen: «Seid meine Nachahmer, gleich wie auch ich Christi» (1Kor 11,1). Auch machte er sie darauf aufmerksam, dass der Herr zu Seiner Zeit das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge des Herzens offenbaren werde; und dann einem jeden sein Lob vor Gott werden wird.
Am Tag des Menschen lässt Gott der Menschheit freien Lauf. Er lässt sie Tausende von Erfindungen und Gesetze machen und sie wieder aufheben, Er lässt ihr den Ruhm und die Schande ihrer Kultur und hindert sie nicht in ihrem prahlerischen Fortschritt, bis ihr völliger Bankrott am Tage des Herrn offenbar werden wird.
Der Tag Christi. Ein Tag oder Zeitabschnitt, an welchem die Gemeinde nach ihrer Entrückung vor den Richterstuhl Christi gestellt werden wird. Der Herr wird ihre Werke beurteilen. Aus diesem Grunde hat Paulus alles im Hinblick auf diesen Tag getan. Er wusste, dass gleich wie am Ziel einer Rennbahn ein Schiedsgericht steht, um den Lauf der Wettläufer zu beurteilen, und ein Preisrichter die Sieger belohnt, so wird dereinst der Herr am oberen Ziel stehen und unsere Nachfolge und Werke bewerten. Wenn vom Tag Christi die Rede ist, so wird er unter verschiedenen kleinen Sprachunterschieden gekennzeichnet; zum Beispiel d e r T a g (Röm 13,12; 1Kor 3,13), oder j e n e r T a g (2Tim 1,12.18; 4,8), auch Tag Christi (1Kor 1,8; 5,5; 2Kor 1,14; Phil, 1, 6. 10; 2, 16). Alle diese Stellen stehen in Beziehung zum Richterstuhl Christi oder zum Tag: Christi, wenn der Herr Wandel und Werke der Gläubigen beurteilen und den entsprechenden Lohn austeilen wird. Die einen werden Lohn empfangen, die andern Schaden leiden. Im Hinblick auf die Belohnung sollte uns alle die heiße Sehnsucht erfüllen, ganz dem Herrn und Seiner Sache zur Verfügung zu stehen.
Tag des Herrn. Wir sahen bereits in der Einleitung,
dass der Tag des Herrn nicht der Sonntag sein kann, sondern er muss eine
Gerichtsperiode sein. Er ist die Erfüllung der vielen Gerichtsansagen
über Israel und die Völkerwelt. Er ist der Abschluss der gegenwärtigen
bösen Zeit, einer Zeit, in der der Herr aus Seiner Verborgenheit
heraustritt und mit den Sünden Israels und der Völker abrechnet. Vom Tag
des Herrn redet die Schrift das erste Mal in Jes 2,12: «Denn Jehova
der Heerscharen hat einen Tag über alles Hoffärtige und Hohe und über
alles Erhabene, und es wird erniedrigt werden.» Die Bezeichnung Tag
des Herrn kommt in der Schrift 20mal vor (Jes 13,6.9;
In der Offenbarung treten ferner zwei Städte in den Vordergrund. Jerusalem, die Metropole Israels, vom Herrn aber mit Sodom und Ägypten verglichen, dann Babylon, die Metropole der Völker. Beide erleben ein erschütterndes Gericht ‑ Babel ein so entsetzliches, dass man seiner nie mehr gedenken wird. Und Jerusalem wird von den Nationen zertreten, doch stellt es der Herr wieder her. Auch zwei Personen beherrschen das Feld während der ganzen Zeit. Der Antichrist und der falsche Prophet. Beide werden aber am Ausgang dieses Gerichtstages vom Herrn in den Feuersee geworfen. Nun beginnt ein wunderbarer, neuer Tag, das ersehnte Friedensreich Jesu Christi. Dann sind alle Feinde zerschmettert. Satan, der Fürst dieser Welt, liegt gebunden im Abgrund, und der Herr wird dann der Friedefürst auf Erden sein. Friede und Gerechtigkeit werden die Erde bedecken. Dann ist in z. Petr. 3. 12 noch die Rede von einem andern Tag, dem
Tag Gottes. Diesem Tag geht die Auflösung des ganzen Kosmos entgegen. Er findet erst nach dem Gericht am weißen Thron statt. Johannes sieht einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dann wird Gott bei den Menschen wohnen und Er wird ihnen Vater, und die Menschen werden Ihm Söhne und Töchter heißen. Der Tag Gottes ist der Tag, da Gott alles in allem sein wird.