Johannes, Mitteilhaber am Leiden und am Reich
(Kap. 1, 9)
In Vers 5 rühmt Johannes den Herrn als den Sündenträger, der uns wegen Seiner großen Liebe gewaschen hat in Seinem Blute, und in Vers 7 sieht er denselben Herrn in Macht und Herrlichkeit erscheinen. Johannes ist sich völlig bewusst, dass er Teilhaber ist sowohl an der Erlösung, als Frucht der Leiden Jesu Christi, als auch an Seinem Reich. Im anschließenden Wort schildert er seine und seiner Brüder gegenwärtige schwere Lage, aus der zu lernen wir in den folgenden Zeilen einen Versuch machen wollen. Er nennt sich:
Bruder. Johannes zählte zu den zwölf Aposteln und zu jenem vertrauten Kreise der drei Jünger, die das Vorrecht hatten, bei speziellen Anlässen dabei zu sein, so bei der Auferweckung des Jairi Töchterlein, bei der Verklärung und im Garten Gethsemane. Ja, ihm wurde sogar der Vorzug zuteil, an des Meisters Brust ruhen zu dürfen. Und hier auf Patmos wurde ihm wieder Außergewöhnliches anvertraut. Erneut sah er den Herrn und die großen kommenden Ereignisse, die er den sieben Gemeinden mitteilen sollte. All diese Sonderstellungen hebt er aber nicht hervor; schlicht und einfach nennt er sich «Bruder». Er bleibt der bescheidene gereifte Gottesmann und beansprucht nicht mehr zu sein als ein Bruder unter Brüdern. Für ihn kommen keine Ehren noch Berufstitel in Betracht, ebenso wenig wie dies bei Paulus der Fall war, als er von sich bezeugte, ein «Sklave Jesu Christi», der «Vornehmste unter den Sündern» und «der Geringste unter allen Heiligen» zu sein. Nur wenn seine Berufung angetastet und in Zweifel gesetzt wurde, nannte er sich «Apostel». Beide, Johannes und Paulus, wussten, dass es unter Gotteskindern keine Unterschiede gibt, da e i n e r unser Meister ist, wir aber alle Brüder sind (Mt 23,8), gezeugt durch denselben Geist, gewaschen im gleichen Blute und denselben Vater anrufend. Dieser schöne «Brudername» bleibt bestehen, wenn alle irdischen Titel fallen, denn er ist mit Jesus verbunden, der sich «der Erstgeborene vieler Brüder» nennt.
Mitgenosse in der Drangsal. Johannes litt um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu willen. Sind Gläubige nicht je und je aus diesem Grunde durch Leiden gegangen? Und war ihnen das Zeugnis unseres Herrn nicht gerade dann so recht Gottes Kraft? Haben sie, wenn sie um des Evangeliums willen litten und also Teilhaber der Leiden Christi wurden, das «Glückselig, in 1Pet 3,14 nicht reichlich erfahren? Ihnen war das «Fürchtet euch nicht und erschrecket nicht» zur Glaubenserfahrung geworden. Geht es nicht durch Leiden zur Herrlichkeit, wie beim Herrn? (Lk 24,26.) Beachtenswert ist, dass der Herr sich mit Vorliebe gerade denjenigen Menschen offenbart, die durch Drangsale gehen. Männer, mit einer speziellen Aufgabe von Gott bedacht, wurden gewöhnlich durch Trübsale herangebildet, so Joseph in Ägypten, Mose in der Wüste, Daniel in Babylon, Paulus in Ketten, wie dies seine Briefe an die Epheser, Philipper, Kolosser, an Timotheus und Philemon beweisen.
Teilhaber am Reich. Die Schrift redet von einem
ewigen Erbteil und von einem unerschütterlichen Reich (
Ein Vorbild im Ausharren. Johannes war auch Genosse
im Ausharren, in der Geduld und Standhaftigkeit. Ein Abweichen oder gar
Drauslaufen kannte er nicht; für ihn war das Ausharren ein göttlicher
Grundsatz, auch dann, wenn der Weg ins Reich durchs Tränental führte.
Das Weinen währt ja nur eine Nacht, und am Morgen ist Jubel da (
Die Befähigung, zu leiden und auszuharren. Wörtlich übersetzt hieße unser Text: «Ich, Johannes, euer Bruder und Teilhaber an de: Drangsal, am Reich und an der Geduld, die in Jesu Christi ist.» Demnach ist die Befähigung zu leiden in Christo. Durch Ihn allein vermögen wir uns der Trübsale zu rühmen (Röm 5,3). In Ihm liegt für uns die volle Genüge im Leid wie in der Freude; in Ihm sind wir mehr als Überwinder (Röm 8,37). Bei Johannes war es auch nicht immer so. Wir lesen von einer Zeit, da er auch groß sein wollte und auf einem Throne sitzen (Mk 10,35-37). Jetzt ist er voll und ganz befriedigt, das Lamm auf dem Thron zu sehen. Auch an Geduld mangelte es ihm früher, wollte er doch Feuer auf die Samariter fallen lassen (Lk 9,54.55). Heute ermahnt er zur Geduld und zum Ausharren – er hatte also sehr viel gelernt. Inzwischen war ihm die Kraft der Auferstehung Christi und die Erfahrung von Pfingsten zuteil geworden mittelst welcher er geduldig den ihm angewiesenen Platz einnimmt, bis sein Herr kommt und zu ihm sagt: «Steige herauf, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll» (Kap. 4, 1). Möchte doch jeder Leser gelernt haben, die ihm angebotene Kraft Gottes in Anspruch zu nehmen und den Herrn inmitten von Leiden und Not zu verherrlichen, um auf diese Weise Teilhaber am Leiden Christi und am Reich zu sein.