Behandelter Abschnitt Apg 24,10-23
Des Apostels Verteidigung vor Felix
Die Verteidigungsrede, welche die Juden dem Apostel vor Lysias nicht gewährt hatten, durfte er hier in vollem Umfange halten. In Jerusalem hatten sie ihn gewaltsam gestört, hier aber waren sie gezwungen ihn anzuhören, wollten sie überhaupt etwas erreichen. Mit feierlicher Besonnenheit ergriff Paulus das Wort. Er hatte keinen Advokaten und doch hatte er den besten Fürsprecher, der seine Sache vertrat, den Heiligen Geist (Lk 12,11-12; 21,14-15). Paulus erfuhr gemäß der Verheißung, dass ihm zur rechten Zeit gegeben wurde, was er zu sagen hatte. Für ihn war es nicht nötig, durch eine schmeichelhafte Einleitung vor Felix zu kriechen, wie es der Advokat Tertullus getan hatte. Trotz aller Lobsprüche fand die Anklage der Juden wenig Gehör bei Felix. Die kurze, sachliche Rede des Apostels war hingegen ein Meisterstück, inspiriert vom Heiligen Geiste. Er, der in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft hatte, fürchtete sich hier nicht vor Menschen (1Kor 15,32).
Paulus verantwortet sich. Der Apostel ergriff nun das Wort, nachdem Felix ihm einen Wink zum Reden gegeben hatte. Paulus setzte voraus, dass Felix die Juden aus eigener Erfahrung kenne, ihre Ränke und Schliche oft genug erfahren und ihre Hinterlist längst durchschaut habe. Er nimmt nun Stellung zu den drei Hauptanklagen gegen ihn und bezeugt:
1. „Nicht als Aufrührer, sondern allein zur Verehrung und Anbetung Gottes kam ich vor erst zwölf Tagen nach Jerusalem. Keiner wird beweisen können, mich weder im Tempel, noch in der Synagoge oder auf der Straße mit jemandem in Unterredung gesehen zu haben.
2. Was den zweiten Vorwurf anbetrifft, diene ich allerdings nach dem Wege, den sie eine Sekte nennen, dem Gott meiner Väter, indem ich alles glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten geschrieben steht. Auch glaube ich an die Auferstehung aller Toten, zu welcher Hoffnung sich meine Verkläger selbst bekennen.
3. Und was die Entweihung des Tempels anbelangt, so möchte ich meine Verkläger, jene Juden aus Asien bitten, als Ankläger aufzutreten. Ich habe nichts anderes im Tempel getan als in unauffälliger Weise, ohne jeden Lärm mein Gelübde eingelöst. Im übrigen habe ich nach vielen Jahren meinen armen Landsleuten eine Liebesgabe gebracht, die ich gesammelt habe (Vers 17; Röm 15,25-26; 1Kor 16,1-4; 2Kor 8). Also auch die Liebe zu meiner Nation hat mich zum großen Teil nach Jerusalem getrieben.“
Die Hoffnung Israels. Paulus konnte es auch hier nicht lassen von der Auferstehung zu reden, da er ja letzten Endes wegen ihr gerichtet wurde. Die Hoffnung Israels, die auch die Auferstehung der Toten einschließt (Ps 16,9; Hes 37; Dan 12,2; Apg 17,15) ist in Christi Auferstehung begründet. Paulus sprach von der Auferstehung aller Toten, sowohl der gerechten, als auch der ungerechten, genau so, wie der Herr auch gesagt hatte (Joh 5,28-29). Die Juden selber hörten nicht gern von ihr reden, da sie wussten, dass mit ihr auch ihre Sünden auferstehen werden. Vielen ergeht es in dieser Beziehung so wie jenem Häuptling, der einen Missionar ängstlich fragte, ob alle Toten auferstehen werden? Und als der Missionar dies bejahte, befürchtete er, die vielen Menschen, die er ermordet hatte, würden gegen ihn zeugen. Bis heute ist es noch keinem Wissenschafter, wie auch keinem Atheisten gelungen zu beweisen, dass die Auferstehung aus den Toten nicht ebenso eine Realität sein wird, wie der unerklärliche Tod.
Nochmals das unverletzte Gewissen. Schon in Kap. 23, 1 redete der Apostel vom guten Gewissen und hatte dafür Schläge bekommen. Nun sollten es die Feinde wiederum hören und nicht nur sie, sondern auch Felix, dessen Gewissen schwer belastet war. Paulus konnte ohne zu übertreiben sagen: „Ich übe mich, ein unverletztes Gewissen vor Gott und Menschen zu haben.“ Dies soll auch das Bestreben eines jeden Gotteskindes sein.
Die Wirkung der Rede. Die korrekte Verteidigung erregte Vertrauen und redete besonders dem Felix zu Herzen (vergl. Vers 5 mit Vers 25).
Eine schlechte Taktik. Felix kannte nun den Weg zur Umkehr, den Paulus verkündigt hatte (Vers 22) ; eine andere Sache war es aber ihn zu gehen. Und obwohl Felix die Machenschaften der Juden durchschaut hatte, wollte er es mit ihnen doch nicht verderben und sprach Paulus nicht frei. Er bediente sich der Ausflucht: zuwarten zu wollen, bis Lysias komme, um alsdann den endgültigen Entscheid zu treffen. Hinter dem zögernden Verhalten verbarg sich aber eine gewisse Spekulation. Er hoffte nämlich, dass ihm von Paulus Geld angeboten würde. Vielleicht hatte er sich gesagt: wenn dieser Paulus große Kollekten nach Jerusalem bringen kann, dann wird er wohl auch so klug sein, und etwas für seine Befreiung aufbringen. Unterdessen ließ Felix den Apostel im Schloss verwahren, schenkte ihm aber größte Freiheit. Er hörte den Apostel sogar öfters an. Zudem erschrak er vor seiner Rede, als wäre er der Angeklagte und Paulus der Richter. Aber dabei blieb es! Wir vermissen seine Bekehrung. Unaufrichtige können sich nie bekehren. Nur den Aufrichtigen lässt Gott es gelingen.