Behandelter Abschnitt Apg 24,1-9
Tertullus verklagt Paulus
Kapitel 24 umfasst eine Zeitspanne von zwei Jahren. Der größte Teil des Inhalts dieses Kapitels hat sich aber zu Anfang dieser Frist zugetragen. Schon fünf Tage nach der Ankunft des Apostels in Cäsarea erschienen dort auch seine Verkläger. Und obwohl der Hohepriester schon ein alter Mann war, scheute er die weite Reise nicht. Dazu musste er zur Erledigung dieser Angelegenheit das Haus eines Römers betreten, was für ihn, als Oberhaupt der jüdischen Geistlichkeit, sehr demütigend war. Dies bedeutete für ihn mehr, als wenn der Papst von Rom auf ein protestantisches Konzil gehen müsste. Aber gleich wie die Liebe keine Grenzen kennt, so auch der Hass. Menschen, die hassen müssen, sind die ärmsten; sind sie doch mit Stricken Satans gebunden. Bei Paulus müssen Sünden wie diese, immer wieder alte, peinliche Erinnerungen wachgerufen haben, da auch er einst in seinem blinden Hass bis in die ausländischen Städte ging, um daselbst die Heiligen zu verfolgen. Und nun stellten ihm die Juden ihrerseits bis in die Siedlungen der Römer nach und trachteten nach seinem Leben.
Paulus vor Felix. Er war der römische Landpfleger jener Tage. Einst ein Sklave, gelangte er später als Freigelassener durch die Gunst des Kaisers Klaudius zu hohen Ehren und Ämtern. Felix führte ein loses Leben in Sünde und Schande. Ungerechtigkeit, Bestechung und Unkeuschheit waren bei ihm an der Tagesordnung, wofür Paulus ihn rügte und sein Gewissen weckte. Sein Weib, Drusilla, war eine Jüdin und die Tochter Herodes Agrippa I., der Jakobus ermordet hatte und Petrus hinzurichten gedachte (Apg 12). Drusilla war die dritte, aber nicht rechtmäßige Frau des Felix. Als Jüdin war sie im Gesetze Gottes unterwiesen; aber diese entartete Tochter Abrahams empfand offenbar nichts mehr unter Pauli ernsten Worten. Es geht noch manchmal so, dass gerade diejenigen, die das Wort kennen, durch bewusstes, anhaltendes Sündigen so verhärtet werden, dass sie von demselben nicht mehr erfasst werden. Der lasterhafte Felix dagegen erschrak ob der eindrucksvollen Worte des Apostels. Die Lehre Christi, um die es sich letzten Endes im Prozess gegen Paulus drehte, wird dem Landpfleger im großen und ganzen nicht fremd gewesen sein. Pfingsten hatte auch in Cäsarea lebendige Spuren hinterlassen und dies besonders in der römischen Siedlung, im Hause des Hauptmanns Kornelius. Nun bot sich Felix eine neue günstige Gelegenheit ein anderer Mensch zu werden. Er wies sie jedoch von sich und nahm schließlich ein trauriges Ende. Hier liegt eine Warnung für alle, mit denen Gott zwei‑ oder dreimal geredet hat (Hiob 33,29; Ps 62,12-13).
Die Verkläger. Sie setzten sich zusammen aus dem Hohenpriester Ananias und andern Juden von Rang und Stand sowie aus einem Advokaten, namens Tertullus, einem gewiegten Redner. Wie tief war doch das Judentum gesunken, wenn man bedenkt, dass sie einen heidnischen Advokaten zu Hilfe zogen, um einen Juden seiner tiefsten religiösen Überzeugung wegen zu verklagen. Oder ‑ wollten sie nicht vor aller Welt die offiziellen Brudermörder sein ‑ und daher einen gerissenen Heiden vorschieben. Wie dem auch sei, die eigentliche Gesinnung der Verkläger musste Felix schon daraus klar geworden sein, dass derselbe Hohepriester wenige Tage vorher vierzig Meuchelmörder unterstützte, die es unternommen hatten, Paulus umzubringen. So waltete Israels Hoherpriester seines Amtes! Wo blieb denn das Gebet ‑‑ das Befragen Gottes? Israel beschleunigte auf alle Art und Weise das Maß seiner Sünde vollzumachen. Paulus wurde nun gerufen, und der Prozess eröffnet.
Die Anklage. Tertullus, als Fürsprecher der Juden, ergriff zuerst das Wort.
Die Einleitung. Sie war nichts anderes als eine wohldurchdachte
Schmeichelei, die selbst Felix auffallen musste. Er wird sie schon
durchschaut haben! Schmeichler sind bekanntlich Heuchler (
1. Ein Aufrührer. Tertullus wusste genau, dass die Römer kein
Vergehen so sehr bestraften, wie Anstiftung zu Aufruhr; denn dies
bedeutete eine Unterminierung des römischen Staates. Das Reich durfte in
keiner Weise erschüttert werden. Rücksichtslos ging das Gesetz gegen
Aufrührer vor (Allem Anschein nach hatte Tertullus weder Kenntnis von
jenem Aufruhr in Philippi, noch von dem späteren in Ephesus gehabt,
sonst hätte er geschickten Gebrauch davon gemacht.
2. Anführer der Sekte der Nazarener. Diese Anklage stimmte. Das war Paulus. Er war sogar ein außergewöhnlich fähiger Führer der Gläubigen. Zu dieser Anklage bekannte sich der Apostel und betrachtete sie als eine große Ehre. In den Augen der Juden war Paulus ein arger und unverbesserlicher Ketzer, weil er ihre toten religiösen Formen angriff, und ewiges Leben durch den Glauben an den ihnen so verhassten Jesum Christum verkündigte. Und wie nennt man denn heute diejenigen, die mit Liebe und Hingabe für Jesum und Seine Sache eintreten? ‑
3. Ein Tempelschänder. Der Apostel wurde beschuldigt, versucht zu haben den Tempel, die heilige Stätte Gottes, zu entweihen; was aber auf Unwahrheit beruhte. Tertullus, als schlauer Fuchs, wird sich gehütet haben zu sagen, der Tempel sei durch Heiden, ja sogar durch Griechen, entweiht worden. Stand doch bei den Römern griechische Kunst und Bildung in hohem Ansehen und wurden im Tempel täglich Opfer zugunsten des Kaisers dargebracht.
Schließlich brachte Tertullus noch eine Klage gegen Lysias vor, der ihnen den Apostel „mit großer Gewalt“ entrissen habe, da sie ihn doch gerne nach ihrem Gesetz gerichtet hätten. Felix war aber unterrichtet, dass sie den Apostel nicht nach Gerechtigkeit richten, sondern ihn einfach umbringen wollten. Und zuletzt stimmten auch noch die Juden der Anklage bei, um die Rede des Tertullus zu bekräftigen.
Verkläger der Brüder. Das waren in diesem Falle die Juden. Sie schämten sich nicht, ihre schmutzige Wäsche vor den Römern zu waschen. Leider kommt es auch heute noch vor, dass Brüder Brüder verklagen, und zwar vor der Welt. Dieser Sünde, von Paulus ernsthaft getadelt, hatten sich auch die Korinther schuldig gemacht (1Kor 6).
Satan wird der Verkläger der Brüder genannt (Off 12,10). Er verklagte einst Hiob (Hiob 1), und in Sach 3 sehen wir ähnliches dem damaligen Hohenpriester Josua gegenüber. Brüder verklagen ist so gut wie Satans Werk treiben. Unser Vorrecht ist: die Brüder zu tragen, zu lieben, und für sie zu beten (Gal 6,2; 5,14). Leser, was tust du?