Behandelter Abschnitt Apg 24,10-21
Die Verteidigung des Apostels zeichnet sich durch eine geradlinige Wahrheit und höfliche Würde aus, so wie die Anklage durch Unterwürfigkeit gegenüber dem Statthalter und Beschimpfung des Angeklagten geprägt war. Es fällt auf, dass einerseits die Juden sich dem Angriff ihres käuflichen Verfechters anschlossen, indem sie bekräftigten, dass seine Unwahrheiten Tatsachen seien (V. 9), dass andererseits (V. 10) keine Eile bestand, etwas zu erwidern, bis der Statthalter ein entsprechendes Zeichen gab.
Und Paulus antwortete, nachdem ihm der Statthalter zu reden gewinkt hatte: Da ich weiß, dass du seit vielen Jahren Richter über diese Nation bist, verantworte ich mich über das, was mich betrifft, getrost, denn du kannst erkennen, dass es nicht mehr als zwölf Tage sind, seit ich hinaufging, um in Jerusalem anzubeten. Und sie haben mich weder im Tempel mit jemand in Unterredung gefunden noch bei der Anstiftung eines Volksauflaufs, weder in den Synagogen noch in der Stadt; auch können sie dir das nicht beweisen, wessen sie mich jetzt anklagen. Aber dies bekenne ich dir, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, so dem Gott meiner Väter diene, indem ich allem glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten geschrieben steht, und die Hoffnung zu Gott habe, die auch selbst diese erwarten, dass eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als auch der Ungerechten. Darum bemühe ich mich auch, allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen. Nach mehreren Jahren aber kam ich her, um Almosen für meine Nation und Opfer darzubringen, wobei sie mich gereinigt im Tempel fanden, weder mit einer Menschenmenge noch mit Tumult; es waren aber einige Juden aus Asien, die hier vor dir sein und Klage führen sollten, wenn sie etwas gegen mich hätten. Oder lass diese selbst sagen, welches Unrecht sie [an mir] gefunden haben, als ich vor dem Synedrium stand, es sei denn wegen dieses einen Ausrufs, den ich tat, als ich unter ihnen stand: Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet (24,10–21).
Die Länge der Zeit, die Felix in offizieller Beziehung zu den Juden verbracht hatte, war eine schlichte Tatsache, auf die der Apostel zu Recht hinwies. Ihre Gefühle, Gewohnheiten und Vorurteile waren ihm daher notwendigerweise vertrauter als einem neuen Statthalter. Auf diesen Umstand gründet der Apostel seine Fröhlichkeit bei der Darlegung seines Plädoyers. Schmeicheleien sind völlig abwesend.
Was ihn selbst betrifft, so war er erst vor kurzem nach Jerusalem hinaufgegangen, so dass sein Weg dorthin leicht nachvollzogen werden konnte. Und als er ging – nur zwölf Tage zuvor –, war es „um anzubeten“, das genaue Gegenteil von Aufruhr oder anderem pestilentem Verhalten, schon gar nicht, um den Tempel zu stürmen. Im Gegenteil, er brachte Almosen für sein Volk und Opfergaben. Könnte es etwas geben, das mehr im Gegensatz zu Aufruhr oder Schändung steht? Es stand ihm frei, zu reden, wenn er es für richtig hielt. Doch er sagt: „Und sie haben mich weder im Tempel mit jemand in Unterredung gefunden noch bei der Anstiftung eines Volksauflaufs“, was bei einem so eifrigen und erregbaren Volk üblich war, „weder in den Synagogen“, die zahlreich waren, „noch in der Stadt“ (V. 12). Was könnte einem Aufwiegler weniger ähnlich sein? „Auch können sie dir das nicht beweisen, wessen sie mich jetzt anklagen“ (V. 13). Mehr als diese unbestimmte Anfechtung oder bestenfalls Leugnung der unbestimmten und allgemeinen Verleumdung behauptet der Apostel nicht. Die angeführten Tatsachen, für die die Beweise leicht und reichlich waren, widerlegten das Gerede des Tertullus.
Aber weit davon entfernt, das zu leugnen, was über „die Sekte“ gesagt wurde (V. 5), bekennt er es offen. „Aber dies bekenne ich dir, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, so dem Gott meiner Väter diene“ (V. 14). Dies war für den Statthalter von Bedeutung. So tolerant die Römer gegenüber den religiösen Überzeugungen der von ihnen beherrschten Völker auch waren, so streng waren sie im Verbot von Neuerungen, besonders bei solchen, die dazu neigten, bürgerlichen Unfrieden zu stiften. Daher zieht es der Apostel hier, wie bei zwei anderen, nicht ganz ähnlichen Gelegenheiten, vor, von der üblichen Formulierung abzuweichen, und sagt πατρώ ῶ θεῳ statt τῶν πατέρω νἡμῶν, wie Kühnöl und andere bemerkt haben. Wie die Heiden, die selbst keinen Gott hatten, die Christen gottlos oder Atheisten nannten, weil sie keine Götzen hatten, so nannten die Juden die Versammlung „eine Sekte“. Und doch war sie die einzige Institution auf der Erde, die keine Sekte sein konnte, während sie Christus treu war. Der Apostel geht aber noch weiter und bekennt sich zu allem, was nach dem Gesetz ist und was in den Propheten geschrieben steht. Er zögert nicht, seinen Glauben an alle alten Aussprüche freimütig vor dem Hohenpriester und der sadduzäischen Partei zu erklären, die die Propheten gewöhnlich verachteten, da sie keine wirkliche Ehrfurcht vor dem Gesetz hatten. Wenn irgendwelche Pharisäer als „Älteste“ Israels mit ihnen im Bunde waren, was für eine Stellung, wenn sie sich mit Ungläubigen gegen einen gründlicheren Gläubigen als sie selbst verbündeten!
Außerdem wird hier nichts unklar gelassen. Denn der Apostel fügt hinzu: „und die Hoffnung zu Gott habe, die auch selbst diese erwarten, dass eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als auch der Ungerechten“ (V. 15). Das hätte kaum gesagt werden können, wenn es damals nicht Pharisäer gegeben hätte, die sich zur Auferstehung der Toten bekannten. Sie müssen also ihren Unterschied zu den falschgläubigen Sadduzäern in ihrem Eifer, Paulus niederzuschlagen und zu bestrafen, nachgeholt haben. Die Tendenz unter den Juden scheint darin bestanden zu haben, die Auferstehung lediglich als Vorrecht der Gerechten zu betrachten, das sich im Reich des Messias zur Belohnung Israels vollziehen würde. Aber der Apostel, geleitet vom Heiligen Geist, zeigt ihren universalen Charakter „von Gerechten und Ungerechten“.
Das war sogar aus einem so alten Buch wie Hiob zu entnehmen, das in dieser Hinsicht als Beweis für den Glauben der heidnischen Gläubigen vor dem Gesetz von größerem Interesse war. Dennoch ist es sicher, dass Hiob in Kapitel 14,12 von der Auferstehung des Menschen (als solchem) spricht, wenn die Himmel nicht mehr sind und die Ewigkeit beginnt, im Gegensatz zu der Auferstehung der Gerechten wie er selbst, um sich ihrer Hoffnung zu erfreuen, wenn der Geol-Erlöser auf der Erde stehen wird, was eindeutig für das Königreich gilt. Natürlich sind die Auferstehung der Gerechten, die Auferstehung aus der Mitte der Toten, die bessere Auferstehung und andere ähnliche Ausdrücke häufiger als Aufmunterung und Ansporn für die Gläubigen im gegenwärtigen Leiden; aber Johannes 5,28.29 und Offenbarung 20,4-6.12.13 nennen lehrhaft und prophetisch die zweifache, durch tausend Jahre getrennte Auferstehung, auf die Paulus hier als die anspielt, die bei seinen sadduzäischen Gegnern so viele Gefühle erregt hatte.
Und nicht nur das, denn er lässt sie nebenbei wissen, dass auf ihn selbst die Auferstehungshoffnung praktisch am einflussreichsten war. „Darum bemühe ich mich auch, allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen“ (V. 16). Hier waren nicht nur die Juden, sondern auch die Christen zum größten Teil schwach, im Glauben nur wenig über nachdenkliche Heiden hinauswachsend, die über die Unsterblichkeit der Seele nachdenken. Zweifellos ist die von Gott eingehauchte Seele, der innere Mensch, unsterblich; aber wie dies keine Sicherheit gegen die Sünde ist, so bedeutet es auch keine Immunität vor dem Gericht. Es ist vielmehr der Grund, warum der sündige Mensch als einziges Wesen auf der Erde eine sittliche Verantwortung hat, aus der er sich nicht befreien kann; denn wenn er das ewige Leben im Sohn ablehnt, muss er am Ende von Ihm gerichtet werden, wie die Schrift überdeutlich bezeugt. Der Gläubige braucht freilich keine so furchtbare Maßnahme, um die Rechte Christi zu rechtfertigen, sondern, was viel besser ist, er ehrt Ihn jetzt an dem Tag, der auf sein Kreuz folgt, ehrt Ihn nicht durch jenen ungeheuren und unwiderstehlichen Zwang, sondern mit einem bereitwilligen Gesinnung als den, der für ihn gestorben und auferstanden ist, damit er nicht mehr für sich selbst, sondern für Christus lebt.
Die Menschen mögen folgern, wie sich leider nicht wenige in der Christenheit nicht geschämt haben, dass die Segnung der Seele eher geistlicher Natur ist und dass jede Hoffnung, die mit der Auferstehung des Leibes verbunden ist, äußerlich ist. Aber sie werden vom Feind verführt, indem sie so ihre eigenen Gedanken dem Wort Gottes vorziehen, das auf der vollsten Segnung für die Seele jetzt besteht, sogar auf der Erlösung in der reichsten Weise, aber auf der Auferstehung oder Veränderung beim Kommen Christi als unserer eigentlichen Hoffnung. Dann erst werden wir Ihm gleich sein, wenn der Leib der Erniedrigung dem Leib seiner Herrlichkeit gleichgestaltet wird (Phil 3). Es ist diese Hoffnung, die im Geist die Kraft gibt, unsere Glieder auf der Erde zu töten, anstatt dem gewöhnlichen Traum von gegenwärtiger Bequemlichkeit und Ehre hier nachzugeben, bevor die Seele zu ihrer Herrlichkeit in den Himmel kommt. Niemals spricht die Heilige Schrift so. Sie verkündet zwar die höhere Glückseligkeit des Abscheidens, um bei zu Christus zu sein, im Vergleich zum Bleiben hier. Aber sie macht nie Halt vor dem Kommen Christi zu unserer ewigen und herrlichen Verwandlung als der wahren Hoffnung, die uns währenddessen auf der Erde reinigt.
Danach sagt der Apostel, dass er nach einem Zeitraum von mehreren Jahren aufbrach und seinem Volk Almosen und Opfergaben brachte. War dies die Handlung eines aufrührerischen, pestilentischen Mannes? „Wobei [beim Opfern] sie mich gereinigt im Tempel fanden, weder mit einer Menschenmenge noch mit Tumult“ (V. 18). War dies wieder eine Entweihung des Tempels? „Es waren aber einige Juden aus Asien“ (V. 19) – sie waren die wahren Schuldigen in dieser Sache. Sie waren es, deren schuldhafte Unbesonnenheit die falsche Anklage zur Folge hatte. Denn die vier Männer unter dem Gelübde waren keine Griechen, sondern Juden; und nur mit diesen war Paulus auf Veranlassung des Jakobus im Tempel verkehrt. Warum waren diese asiatischen Juden nicht von Angesicht zu Angesicht hier, wie es das römische Gesetz verlangte? „Die,“ wie der Apostel hier leise hinzufügt, „hier vor dir sein und Klage führen sollten, wenn sie etwas gegen mich hätten. Oder lass diese selbst sagen, welches Unrecht sie [an mir] gefunden haben, als ich vor dem Synedrium stand, es sei denn wegen dieses einen Ausrufs, den ich tat, als ich unter ihnen stand: Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet“ (V. 19–20).
Es waren unbestreitbar und allein die Juden selbst, die den Aufruhr machten (aufgewühlt durch den Irrtum bezüglich jener Brüder aus Asien), die an diesem Tag nicht da waren, um verurteilt zu werden, wie Felix nicht anders sehen konnte. Obwohl die Zeugen nicht anwesend waren, wurden die tatsächlich Anwesenden herausgefordert, irgendeine Verfehlung des Apostels festzustellen, es sei denn, dass er die große Wahrheit der Auferstehung vorbrachte: Für die Ältesten der Pharisäer war das jetzt genauso peinlich wie vorher; denn sie würden einen solchen Ausruf sicher als wahr und richtig und keineswegs als Fehler ansehen. Aber „böse Reden verderben gute Sitten“; und die, die anfangs Sympathie für die Wahrheit, um die es geht, empfanden, unterstützen jetzt den Feind gegen den großen Vertreter des Evangeliums, selbst wenn sie alle des gröbsten Irrtums und der unbegründeten Verleumdung überführt wurden. So schwer ist es für Menschen, die sich in einem Feldzug engagieren, vor allem in einem religiösen, vor krassem Unrecht zurückzuschrecken, wenn sie auf einer bösen Seite stehen. Wenn Menschen im Recht sind, können sie es sich leisten, gnädig zu sein. Unrechtstäter und böswillige Menschen bringen auch Unruhe hinein.
Der Statthalter hatte jetzt mehr zu helfen als seine beträchtliche Erfahrung mit den Juden in der Vergangenheit. Er hatte gerade eine bedeutende wahrheitsgemäße Antwort des Paulus auf die Rede des Tertullus gehört. Er hätte gut genug über die Vorzüge davon entscheiden können, wenn es ihm gefallen hätte. Aber er war sowohl Statthalter als auch Richter und hatte es mit einem stets widerspenstigen Volk zu tun. Die Politik diktierte seine Haltung, nicht die Gerechtigkeit, wie es zu oft in dieser Welt geschieht, ganz zu schweigen vom Heidentum der Römer und der Skrupellosigkeit des Felix im Besonderen. Strahlend wird der Tag sein, an dem das Gericht zur Gerechtigkeit zurückkehren wird. Obwohl das Christentum den moralischen Standard der Menschen in gewisser Hinsicht angehoben hat, sind wir noch weit von dem Zustand entfernt, in dem ein König in Gerechtigkeit regieren wird und Fürsten in Gerechtigkeit herrschen werden.
Auch das Evangelium schlägt keine solche gegenwärtige Verbesserung der Welt vor. Es ist die Verkündigung der Gnade an die Gottlosen im Namen Jesu, die uns den geöffneten Himmel zeigt für alle, die glauben, einsgemacht mit dem Verherrlichten in der Höhe. Der Christ ist also berufen, nichts anderes zu rühmen als das Kreuz Christi, wodurch er der Welt gekreuzigt ist und die Welt ihm gekreuzigt ist. Es ist also keine Gemeinsamkeit zwischen der Welt und dem Christen möglich, wenn er konsequent ist. Denn die Welt hat den, den der Christ als den Herrn der Herrlichkeit, als den allein Gerechten, Heiligen und Wahren bekennt, einem Tod der Schuld und Schande und des Leidens zugesprochen. Die Welt würde aufhören, die Welt zu sein, wenn sie Ihn in Tat und Wahrheit bekennen würde. Nicht nur das: Der Christ sieht im Kreuz nicht nur das Fehlurteil der Welt über den einzig Würdigen, sondern auch das Urteil Gottes über sich ihn als nur und ganz böse vor Ihm, dieses Böse aber auf Christus gelegt, um es nicht nur zu richten, sondern recht zu tilgen. Und er sieht ferner die ungläubige Welt mit ihrem Fürsten gerichtet, obwohl das unvermeidliche und unabänderliche Urteil nicht vollstreckt wird, bis der Herr Jesus in seiner Herrlichkeit erscheint und auch wir mit Ihm in derselben Herrlichkeit. So ist die Trennung von der Welt für den Christen allein der Wahrheit gemäß, da die Welt der sichere Gegenstand der göttlichen Rache bleibt. „Wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist?“ (Jak 4,4).