Behandelter Abschnitt Apg 17,16-29
Paulus in Athen
Wie ein von Hunden gehetztes Reh floh Paulus von Stadt zu Stadt. In 2Kor 11 lässt er uns unter anderem in viele Nöte, die er erlebte, hineinschauen. Er trug wirklich das Sterben Jesu allezeit an seinem Leibe. In Athen fühlte er sich sehr einsam und gab den Reisebegleitern Befehl, sobald als möglich Silas und Timotheus zu ihm zu senden. Unglaube, Aberglaube, Zauberei und Götzendienst beherrschten die Bewohner von Athen. Inmitten solch dichter, heidnischer Finsternis fühlt der Stärkste die Macht Satans und sehnt sich nach Gemeinschaft mit Mitkämpfern.
Die Stadt Athen. Sie war in vieler Hinsicht sehr berühmt. In ihr blühten Kunst und Wissenschaft; auch war sie das Zentrum der bekannten griechischen Philosophie. Berühmte Männer wie Plato, Sokrates und Aristoteles waren einst hier daheim. Nach ihren Namen wurden die großen Philosophenschulen genannt. Zugleich war Athen neben dem wissenschaftlichen auch der religiöse Mittelpunkt und Sitz der griechischen Mythologie. Ein besonderer Anziehungspunkt war neben vielen andern auch der Areopag. Hier konnte man die Weisheit der großen Männer hören. Diesmal aber sollte die höchste Weisheit: „Christus Jesus, welcher uns gemacht ist von Gott zur Weisheit“ (1Kor 1,30), durch Paulus verkündigt werden.
Die Philosophenschulen waren der Stolz der Stadt. Unter ihnen gab es zwei große Richtungen:
1. Die Epikureer, die ihrem großen Vorbild, Epikur, huldigten, der in den Jahren 340-370 v. Chr. lebte und wirkte. Die Epikureer waren Genussmenschen, die ähnlich den Sadduzäern dachten: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Die Epikureer leugneten jedes Leben nach dem Tode. Ihre Religion war das Vergnügen, und so fanden sie viele Anhänger.
2. D i e S t o i k e r hatten gewisse Ähnlichkeit mit den späteren Pharisäern und waren das Gegenstück von den Epikureern. Sie waren sehr stolz auf ihre Selbstzucht, Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung, worin sie ihre höchste Befriedigung fanden. Immerhin glaubten sie an einen Gott und Schöpfer; waren also nicht religionslos. Und obwohl sich diese beiden Philosophenschulen lehrmäßig entgegengesetzt gegenüberstanden, so waren sie sich doch darin einig, den von Paulus verkündigten Jesus Christus abzulehnen. So war es zur Zeit Jesu und in den Tagen der Apostel, und heute ist es nicht anders. Mögen sonst die Meinungen noch so weit auseinandergehen, in der Ablehnung Christi sind sich aber alle Parteien eins.
Ein Gang durch die Stadt. Zeugen Jesu Christi sind keineswegs einseitig, sondern wie Paulus, vielseitig interessiert. Zweifellos verlangte es den Apostel sehr danach, das Evangelium zu verkündigen, und er wird sich zunächst nach der Synagoge erkundigt haben, um bei der ersten Gelegenheit den Juden dort das Wort auszuteilen. Hier in Athen sah der Apostel die weltberühmte griechische Kultur und die historischen Baudenkmäler. Und während er so die Stadt durchzog, bot sich allenthalben derselbe tief betrübende Anblick zahlloser Götzenaltäre. Solches zu sehen tat dem Apostel sehr weh, wusste er doch, dass Satan, der Gott dieser Welt, mit seiner List und seinem Betrug dahinter steckte. Paulus spürte den direkten Einfluss der Dämonen und dies war zweifellos der Grund, weshalb er sich so sehr nach Mitarbeitern sehnte, die ihn im Kampf gegen die geistigen Mächte der Bosheit unterstützen sollten. Doch gerade bei dem Rundgang durch die Stadt fand Paulus den Schlüssel zu den Herzen der Menschen. Er sah unter vielen Altären besonders einen, der dem „unbekannten Gott“ geweiht war. Die Inschrift dieses Altars diente Paulus zur Einleitung und als Grundton seiner Rede auf dem Areopag. Doch zunächst sehen wir ihn wie überall:
Bei seinem Volke in der Synagoge. Wir kennen des Apostels Sehnsucht nach der Bekehrung seiner Volksgenossen. Hier ließ er nichts ungetan, um, wenn möglich, etliche zu retten. Von der modern gewordenen Phrase einer sogenannten Gnadenwah1, die behauptet: jeder der erwählt ist, komme zur Erkenntnis des Heils, ohne dass man sich um ihn bemühe, weiß Paulus nichts. Im Gegenteil! Alle seine Anstrengungen, Sündern die Notwendigkeit des Heils durch Buße zu Gott und Glauben an Jesus Christus nahe zu legen, wären dann nutzlose Bemühungen gewesen.
Paulus ging den Juden überall nach; so z. B. auf den Markt, wo viele ihre Waren feilboten. Andere suchte er in ihren Häusern auf und unterredete sich mit ihnen. Wieder andere hörten das Wort in der Synagoge durch ihn. Auf öffentlichen Plätzen versammelten sich ganze Scharen um ihn her, was die Aufmerksamkeit der Männer auf seine Lehre lenkte und sie interessierte, zumal die Athener ihre Zeit mit nichts anderem zubrachten, als damit, «etwas Neues» zu hören. Und so nötigten sie den Apostel, den Areopag zu besteigen, damit er seine Lehre dem ganzen Volke vortragen konnte. Paulus benützte diese Gelegenheit gern. Wahre Gottesmänner sind allzeit bereit über die Hoffnung, die in ihnen ist (1Pet 3,15) und vom Herrn zu zeugen, den sie erlebt haben. Wer mit Gott in Gemeinschaft ist, schöpft täglich neu aus Seiner Fülle und hat stets ein passendes Wort zur rechten Zeit.