Behandelter Abschnitt Apg 17,16-18
Verse 16-18 Paulus in Athen
16 Während aber Paulus sie in Athen erwartete, wurde sein Geist in ihm erregt, da er die Stadt voll von Götzenbildern sah. 17 Er unterredete sich nun in der Synagoge mit den Juden und mit den Anbetern, und auf dem Markt an jedem Tag mit denen, die gerade herzukamen. 18 Aber auch einige der epikuräischen und stoischen Philosophen griffen ihn an; und einige sagten: Was will doch dieser Schwätzer sagen?, andere aber: Er scheint ein Verkündiger fremder Götter zu sein – weil er [ihnen] das Evangelium von Jesus und der Auferstehung verkündigte.
Die Botschaft, die Paulus den Brüdern bezüglich Silas und Timotheus mitgegeben hatte, bewegt ihn sehr. Er wartet in Athen auf sie. Das scheint der Hauptgrund dafür zu sein, dass er in Athen blieb. Das bedeutet aber nicht, dass er sich ruhig in ein Hotelzimmer zurückzog, um die Ankunft der beiden Mitarbeiter abzuwarten. Er sucht dieses Mal zwar nicht direkt eine Synagoge auf, sondern macht einen Rundgang durch die Stadt. Während dieses Rundgangs erregen ihn zutiefst die vielen Götzenbildern, die er dort sieht.
Athen war das große Zentrum der griechischen Kultur, Gelehrtheit und Philosophie. Es war allerdings auch eine Stadt mit dem Glanz vergangener Tage und voller Götzenbilder. Man sagt, dass die Stadt mehr Götzenbilder als Einwohner gehabt habe und dass man dort leichter ein Götzenbild traf als einen Menschen. Leider musste Gott über Israel einmal etwas Ähnliches sagen (Jer 2,28; 11,13).
Das, was er sah, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Sein Geist in ihm wurde erregt, als er so vieles sah, was falsch ist und Menschen auf einen verkehrten Weg führt. Es drängte ihn, sein Zeugnis abzulegen. Er war ja schließlich nicht als Tourist in der Stadt, sondern als Prediger. Wenn es um die Verkündigung geht, geht er zuerst wieder in die Synagoge, um sich mit den Juden und Anbetern zu unterhalten. Er war jedoch auch auf dem Markt zu finden, denn auch dort waren immer viele Menschen.
Er „unterredete“ sich mit ihnen. Er hielt also keine Ansprache, sondern führte ein Gespräch, einen Dialog, mit ihnen. Das hat er auch in Troas in der Gemeinde getan (Apg 20,7). Solch eine Besprechung bezieht die Zuhörer mit ein. Es zwingt zum Mitdenken. Wer sich mit jemandem unterhält, muss auch selbst gut zuhören, damit er erkennt, was den anderen beschäftigt.
Die Einwohner von Athen werden gekennzeichnet von einer enormen geistigen Aktivität und einem unersättlichen Hunger nach neuen Ideen und nach den neusten philosophischen Ansichten. Unter den Zuhörern von Paulus befinden sich zwei Gruppen von Philosophen, die ihn angreifen. Sie hören nicht zu, sondern beginnen einen Wortstreit.
Die eine Gruppe besteht aus Anhängern der Genusslehre eines gewissen Epikur. Dieser Mann lehrte, dass das höchste Gut eines Menschen in der Befriedigung der eigenen Wünsche liegt. Wenn er seine Wünsche befriedigen könne, sei er glücklich. Solche Menschen sind Materialisten und Atheisten, und das Ziel ihres Lebens ist Vergnügen (1Kor 15,32). Das bedeutet auch, dass sie Leiden meiden, denn Leid verhindert das Genießen. Ihre Lebensweise erhob sie über andere. Das ist im Wesen völliger Egoismus. Für Gott gibt es da keinerlei Platz. Als Gruppe existieren sie nicht mehr, doch sie haben heutzutage zahllose Gesinnungsgenossen.
Die andere Gruppe besteht aus Anhängern einer Lehre, die besagt, dass jemand erst dann glücklich ist, wenn er völlig frei ist von Gemütsbewegungen und Emotionen. Diese Lehre steht im Gegensatz zu der von Epikur. Die stoischen Philosophen (so nach der Säulenhalle stoa poikile auf der Agora genannt, wo diese Philosophie gelehrt wurde) sagen, dass sowohl jeglicher irdischer Genuss als auch das Leiden völlig unterdrückt werden sollen. Es geht darum, gefühllos zu sein und Freude und Leid unbeeindruckt zu erleben. Wer sich nicht durch innere Gefühle oder äußere Umstände beeinflussen lässt, hat sich selbst völlig unter Kontrolle und genießt so das höchste Glück. Dies nährt natürlich den Stolz und macht unabhängig von Gott.
Beide Gruppen haben keinerlei Interesse an Paulus, den sie hochnäsig „Schwätzer“ nennen. Mit „Schwätzer“ meinen sie jemanden, der verschiedene Ansichten anderer sammelt (überall Körner pickt; wörtlich bedeutet „Schwätzer“ Körnerpicker/Saatkrähe) und sie anschließend weitergibt, als wären es seine eigenen Ideen. Damit wollen sie die Wahrheit lächerlich machen und ihrer Ursprünglichkeit berauben. Sie leugnen ihren göttlichen Ursprung. Das Verspotten der Wahrheit oder die Darstellung, das Evangelium sei nicht original, ist oft ein Mittel in der Hand des Feindes, Seelen von der Wahrheit abzuziehen. Das bewirkt Angst bei Menschen, sich mit Dingen zu identifizieren, die von anderen verachtet werden.
Für andere war das, was Paulus predigte, allerdings eine Neuigkeit. In „Jesus und der Auferstehung“, die er verkündigte, sahen sie Götter, von denen sie bis jetzt noch nichts gehört hatten. Sie verstehen ihn so, als würde er über zwei Götter sprechen: Jesus und Anastasis (das griechische Wort für Auferstehung). Eine derartige Auffassung zeigt ihre völlige Blindheit bezüglich der Offenbarung Gottes in Christus. Sie sehen nicht nur Jesus als Gott, sondern auch die Auferstehung. Die Auferstehung aus den Toten war ihnen unbekannt; deshalb meinten sie, dass auch die Auferstehung ein Götze war. Für sie verkündigte Paulus einen Gott und eine Göttin.