Behandelter Abschnitt Apg 6,1-7
Innere Gemeindeschwierigkeiten
Die Gemeinde in Jerusalem war sehr gewachsen und zählte nach
Tausenden. Die Mehrzahl der Glieder bestand aus Armen; denn diese hat
Gott vornehmlich erwählt (Jak 2,5). Ihrer Notdurft zu gedenken wird
den Mitgläubigen besonders nahe gelegt (Apg 20,35; Gal 6,10;
Unvollkommenheit. Schon in Kapitel 5, 1 sahen wir,
wie sich Satan in dieses herrliche Paradies der Gemeinde Eingang zu
verschaffen suchte. Wo Segen fließt, leistet Satan Widerstand (1Kor 16,9). Wenn möglich bedient er sich am liebsten der Gläubigen, um das
Werk und vor allem die ihm verhasste Einheit zu stören. In der Gemeinde
zu Jerusalem verursachte Satan ein Murren. Die Fremden, das heißt die
ausländischen Judenchristen fühlten sich bei der Versorgung der Armen
benachteiligt, weil sie meinten, dass die in Jerusalem wohnhaften
bevorzugt würden. Diese erste Uneinigkeit unter den Gläubigen entstand
aus materiellen Gründen. Ist es nicht, nebenbei gesagt beachtenswert,
dass der erste im Alten Testament erwähnte Zank zwischen den Hirten von
Abrahams und Lots Vieh auch materieller Ursache wegen war? (
Murren. Es entstand ein Murren. Das ist ein altes
Übel und gehörte zu den Hauptsünden Israels, weswegen sie auch nicht ins
Land Kanaan kamen, sondern in der Wüste sterben mussten (
Die erste berichtete Gemeindestunde. Bis dahin lagen alle Lasten der Gemeinde allein auf den Schultern der Apostel. Bald kamen sie zu der Erkenntnis, dass es unmöglich war, sich um alles zu kümmern, deshalb wurde der Vorschlag gemacht, die geistliche Arbeit von der mehr geschäftlichen zu trennen und sie auf andere Schultern zu legen. Die Apostel beschäftigten sich von nun an hauptsächlich mit dem Gebet und der Wortverkündigung. Man schlug die Wahl von sieben Diakonen vor. Diese Wahl ist in vieler Hinsicht vorbildlich. Man wählte allein Männer aus der Partei, aus der die Murrenden stammten, das heißt aus den ausländischen Judenchristen. Damit war der Mund der Unzufriedenen gestopft. Den Diakonen lag fortan die Versorgung der Bedürftigen ob. Welch eine Weisheit! Heute würde man solch eine Wahl wenigstens zu gleichen Teilen vornehmen, dort aber gab man der Seite der Klagenden den Vorzug.
Von den gewählten Diakonen wurde dreierlei gefordert:
1. Sie mussten ein gutes Zeugnis haben (Vers 3).
2. Sie mussten voll Heiligen Geistes sein. Wir sehen also, dass nicht jedermann die rein geschäftliche Seite einer Gemeinde versehen kann, sondern nur geisterfüllte Menschen. Diese Grundsätze werden nur zu oft in den heutigen Gemeinden übersehen. Man wählt vielfach Männer von Ansehen oder Reichtum; die Schrift aber nennt die erforderlichen Eigenschaften sehr deutlich (2. Mose 18,21).
3. Sie mussten voll Weisheit sein. Es erfordert viel Einsicht und Weisheit mit den eingegangenen Geldern gottwohlgefällig umzugehen. Jede, auch die rein materielle Aufgabe muss geistlich, im Glauben gehandhabt werden.
Diesen sieben erwählten Männern wurden die Hände aufgelegt, das war ein Sich‑eins‑machen mit ihrem Dienst.
Warum geschah diese Wahl? Vers 4 gibt die Antwort. Die Apostel wollten frei sein für die ihnen aufgetragene Arbeit und durch nichts daran gehindert sein. Beachten wir, dass das Gebet an erster Stelle steht, danach wird die Predigt des Wortes genannt. Nichts sollte dem Diener Gottes so wichtig sein wie das Gebet. Die Apostel wollten sich nicht in die Dinge des Lebens verwickeln (2Tim 2,4). Sie ließen sich weder durch Streiche einschüchtern (Kapitel 5, 40), noch vom verführerischen Geld im Dienst hindern. In jeder Weise waren sie ein Vorbild der Herde, und obwohl sie so große Autorität besaßen, handelten sie nicht eigenmächtig, sondern überließen es der Gemeinde. Sie schlugen nicht Männer vor, die i h n e n passten, noch übten sie später einen Druck auf die Gewählten aus, ihr Interesse war allein das Wohl der Gemeinde.
Neues Wachstum (Vers 7). Nachdem das Murren beseitigt und volle Zufriedenheit wieder hergestellt worden war, folgten neue Segnungen. Das Murren gehört zu jenen kleinen Füchsen, die den Weinberg verderben und diese müssen gefangen werden. Beim ersten Ansturm Satans gegen die Gemeinde waren auch die Priester beteiligt (4, 1), hier aber lernen wir, dass viele Priester bekehrt wurden. Endlich hatten auch sie den neuen und lebendigen Weg gefunden. Wenn jede Sünde recht verurteilt wird, folgen neue Segnungen. Offenbar predigten die Apostel das Wort mit noch größerer Freudigkeit, so dass sie selbst Menschen aus dieser schwierigen Klasse zum Herrn führen konnten.
Das Murren einiger aus der Gemeinde, das den Heiligen Geist betrübte, führte, wie wir sahen, zur Wahl der sieben Diakonen. Sie waren es, die sich besonders der Bedürftigen anzunehmen hatten, und meinte jemand, berechtigte Klage zu haben, so musste er sich an einen dieser Brüder wenden. Unter diesen sieben Diakonen steht Stephanus im Vordergrund. Wie Petrus unter den andern Aposteln besonders hervortrat, so Stephanus unter den sieben Diakonen. Die Eigenschaften, die von den Diakonen verlangt wurden, waren: voll Weisheit und Heiligen Geistes zu sein. Von Stephanus aber wird mehr gesagt. Bei ihm kommt der Ausdruck „voll“ öfters vor. Er war:
Voll Heiligen Geistes (Vers 3). Er war also entleert vom eigenen Ich und erfüllt mit der Kraft von oben. Diese göttliche Fülle wurde bald offenbar und so schlug man gerade auch ihn unter der nach vielen Tausenden zählenden Jüngerschaft für den Diakonendienst vor. Es ist unmöglich, mit Heiligem Geist erfüllt zu sein, ohne dass es die Umgebung merkt. So war es schon am Pfingsttage, wo die Volksmenge den Unterschied zwischen sich und den mit Heiligem Geist Erfüllten bald sah. Heutigentags hört man Leute sagen, sie hätten die Geistestaufe empfangen; doch dies zu sagen erübrigt sich ‑ die Umgebung nimmt dies ohne weiteres wahr, wenn es der Fall ist. Kaum hatte Paulus den Heiligen Geist empfangen, so merkten es schon die andern Gläubigen und waren außer sich. Zwar haben alle, die aus Gott geboren sind, den Heiligen Geist empfangen; handelt es sich jedoch um eine besondere Dienstleistung, die Gott einem Gläubigen zu tun gibt, so verleiht Er auch eine entsprechende Ausrüstung. Nur in der vollen Kraft von oben vermochte Stephanus seinen Dienst zu erfüllen.
Voll Weisheit (Vers 3). Um die Unzufriedenen in der Gemeinde völlig zu beruhigen, bedurfte es großer Weisheit und diese hatte Stephanus in hohem Maße. Seine im folgenden Kapitel gehaltene Rede ist ein Meisterstück göttlicher Weisheit. Das längste Gebet der Schrift stammt vom weisen Salomo und die längste Rede von Stephanus. In Vers 10 lesen wir, dass die Lehrer aus den verschiedenen Synagogen der Weisheit des Stephanus nicht zu widerstehen vermochten und das waren gewiss geschulte Leute. Und worin besteht diese Weisheit? In Christus und Seinem Wort!
Christus ist uns zur Weisheit gemacht (1Kor 1,30). Und jeder, dem diese Weisheit fehlt, darf darum bitten (Jak 1,5). Die göttliche Weisheit von oben ist in Jak 3,17, hervorragend beschrieben: «Sie ist aufs erste rein, sodann friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.»
Voll Glaubens (Vers 5). Die Bedürfnisse einer so zahlreichen Gemeinde waren sehr groß und mannigfaltig. Kollektieren oder dergleichen war damals noch nicht bekannt, aber um so mehr war der Glaube tätig. Menschen voll Glaubens blicken nicht auf die natürlichen Hilfsquellen, sondern auf den nieversagenden Gott. Der Glaube geht zur unausschöpflichen Gottesfülle und wird nie zuschanden, er kennt kein „Unmöglich“, sondern ruht auf der Verheißung Gottes. Wahrer Glaube nimmt Gott beim Wort, sei es in geistlichen oder materiellen Bedürfnissen. Die Verheißungen Gottes sind Ja und Amen in Christus Jesus. Der beste Kommentar eines in jeder Hinsicht wirksamen Glaubens wird uns in Hebr., Kap. 11, vor Augen geführt.
Voll Gnade (Vers 8). Männer in öffentlichen Diensten
sind der Kritik aller ausgesetzt und da bedarf es außerordentlicher
Gnade, unverdiente Vorwürfe und Beschuldigungen hinzunehmen. Durch die
Gnade sind wir gerettet und in der Gnade sollen wir wachsen (Eph 2,8;
2Pet 3,18). Der Herr Jesus nahm zu an Gnade (Lk 2,52) und
Timotheus sollte darin stark sein (2Tim 2,1). In Schwachheit und
schwerer Lage ließ sich Paulus an der Gnade allein genügen (
Voll Kraft (Vers 8). Stephanus war voll göttlichen «Dynamits», wie das griechische Wort für Kraft heißt. Aus dieser göttlichen Kraft heraus vollbrachte er die großen Zeichen und Wunder. Kraft ist nötig zum Dienst des Herrn, darum sagte der Herr zu Seinen Jüngern: „Ihr werdet Kraft empfangen“, und: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft“ (Jes 40,31). Es ist ein hervorragendes Zeugnis, das Gottes Wort dem Stephanus ausstellt: voll Heiligen Geistes, voll Weisheit, voll Glaubens, voll Gnade, voll Kraft. Doch wir weisen auf noch zwei weitere Eigenschaften hin, die Stephanus erfüllten, wenngleich das Wörtlein «voll» nicht davor steht. Er war außerdem:
Voll Liebe. Er war voll Liebe zu seinem Herrn, dem er mit uneingeschränkter Hingabe diente und von dem er so eindrucksvoll zeugte. Ferner sehen wir seine Liebe zu den Fernstehenden, die er mit großer Beredsamkeit von der Notwendigkeit eines Heilandes zu überführen suchte. Vor allem aber sei seine Feindesliebe hervorgehoben, die sich in heißer Fürbitte über seine Mörder ergoss. Hierin ahmte er ganz den Herrn nach, als Er am Kreuze betete: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, und Stephanus flehte: „Herr rechne ihnen diese Sünde nicht zu.“ Das von Liebe durchdrungene Zeugnis des Stephanus konnte nicht überhört werden, es hinterließ vor allem tiefe Eindrücke in Saulus (Apg 22,20). Der sicherste Sieg über Gegner ist die Liebe und die Fürbitte für sie. Leser, betest du ernstlich für deine Gegner? Das kann niemand von Natur, aber der Herr schenkt es. Die Liebe glaubt alles, hofft alles, duldet alles (lies 1Kor 13).
Voll Liebt. Man könnte auch sagen voll Herrlichkeit, denn sein Angesicht strahlte die himmlische Herrlichkeit wider. Stephanus, verklagt wider .\loses geredet zu haben, leuchtete in seinem Angesicht wie einst jener (Vers 11; 2. Mose 34,29-35). Die Sadduzäer, die nicht an Engel glauben wollten, mussten nun einen Menschen sehen, dessen Angesicht leuchtete wie das Angesicht eines Engels. Der Glanz der Herrlichkeit, welcher dereinst die Lehrer des Wortes umgeben wird, zierte Stephanus schon hienieden (Dan 12,3). Stephanus heißt „Krone“; die strahlende Siegeskrone wurde ihm sozusagen schon in seinem Sterben aufs Haupt gesetzt (2Kor 3,18).
Bewundern wir nicht allein die schönen Eigenschaften dieses treuen Jesusjüngers, streben wir alle vielmehr ernstlich darnach, sie uns anzueignen. Nur so vermögen wir, wie Stephanus, den Herrn zu verherrlichen.