Behandelter Abschnitt Apg 5,33-42
Die Apostel vor dem Hohen Rat
Die übernatürliche Befreiung der Apostel aus dein Gefängnis muss eine mächtige Glaubensstärkung für sie gewesen sein. Sie sahen dadurch ganz klar, dass Gott ganz auf ihrer Seite war; ja, mehr, dass sie erneut mit dem Zeugnis über den Auferstandenen beauftragt waren (Vers 20). Nach der mutigen Verteidigungsrede vor dem Rat mussten die Apostel abtreten, damit er frei unter sich verhandeln konnte. Mit solch freudigem und entschlossenem Widerstand hatten die Ratsherren nicht gerechnet. Alle mussten merken, wenn sie nur wollten, dass hier nicht bloß menschlicher Eifer, sondern Gottes Kraft sich offenbarte und doch beschloss der Rat, die Apostel umzubringen. Beachtenswert sind einige Einzelheiten.
Es ging ihnen durchs Herz (,Vers 33). Schon in Kapitel 2, 37 lesen wir, dass die Botschaft des Petrus den Zuhörern durchs Herz ging. Hier wiederholt sich dasselbe, jedoch mit entgegengesetztem Resultat. In Kapitel 2, 37 war das Wort den Zuhörern ein Geruch des Lebens zum Leben, hier aber ein Geruch des Todes zum Tode. Gottes Wort hat noch heute die eine oder andere Wirkung. Die Ablehnung der Hörer ist sehr verschieden. Bei manchen äußert sie sich in direkten Zornausbrüchen und krassester Auflehnung, wie beim Hohen Rat, bei andern hingegen in höflicher Form, wie bei einem Felix, der zu Paulus sagte: „Wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich wieder rufen lassen“ (Kapitel 24, 25). Aber ob so oder anders, der Ausgang bleibt sich gleich.
Ein teuflischer Plan. Anstatt dass sich der Hohe Rat unter das Wort beugte, wie man das nach einem so auffallenden Wunder und freudigen Zeugnis erwarten durfte, ratschlagten sie, wie sie die Apostel umbringen könnten. Menschen, die der Heilige Geist überführt hat, die aber mit ihren Sünden nicht brechen wollen, beseitigen am liebsten die Zeugen Gottes. Dieses Verbrechen beobachten wir durch die ganze Schrift von Abel hinweg bis zum letzten Blutzeugen der Offenbarung. Und heute, wo das Zivilgesetz die Gläubigen vor der Brutalität der Feinde schützt, bringt man sie moralisch um, verdächtigt und verleumdet sie in der niedrigsten Weise.
Menschliche Klugheit. Während der Hohe Rat noch verhandelte, ja eigentlich schon das Todesurteil ausgesprochen hatte, ergriff Gamaliel das Wort. Er war eine sehr einflussreiche, hochgestellte Persönlichkeit, ein Gesetzesgelehrter, zu dessen Füßen bekanntlich Saulus studierte (Apg 22,3). Gamaliel war ein Pharisäer, und glaubte, im Gegensatz zu den Sadduzäern, an die Auferstehung, die die Apostel so gewaltig verkündigten. Er war ein geschätztes Glied im Rat, angesehen und beliebt beim Volk. Beachten wir kurz seine Worte.
Die Anrede: „Männer von Israel.“ Mit diesen Worten sagte er sehr viel. Israel heißt „Gotteskämpfer“. Dieses Israel war aber im Begriff g e g e n Gott zu kämpfen. Es ist, als sage Gamaliel, ringt euch im Gebet durch, wie einst euer Vater Jakob, der auch zuvor unehrlich war wie ihr, aber am Ende als ein Zerbrochener jene große innere Umwandlung vor Pniel erlebte. Trachtet danach, diesen Namen würdig zu tragen, wahrhaftige Israeliten, „Gotteskämpfer“, zu sein.
Dann riet Gamaliel zur Duldsamkeit und Vorsicht. Seine Beweisführungen waren kurz, abgewogen, logisch und frei von Hass. Er sprach wie etwa wahrhaft Gelehrte reden. Gamaliel zeigt wie gefährlich es ist, eine Sache oder Personen unbedacht zu verurteilen. Es ist, als sage er: lasst die Apostel ruhig weiter machen. Ob wohl Gamaliel gar ein geheimer Jünger Jesu war, wie seine beiden Kollegen Nikodemus und Josef von Arimathia, an deren Beispiel er dachte. Nikodemus, der bei einer früheren Gelegenheit seinen Kollegen widersprach, als sie den Herrn verurteilten (Joh 7,50) ; und Josef von Arimathia, der nicht in den Vorschlag der Kreuzigung Christi einwilligte (Lk 23,51).
Weiter ersuchte sie Gamaliel, den hartnäckigen Widerstand aufzugeben. Er empfahl vor allem, die Apostel nicht zu strafen, da sie dem Volke doch nur Wohltaten erwiesen und kein Unrecht begangen hatten. Ferner sollten sie bedenken, wie sie an Ansehen verlören, wenn das Werk am Ende doch aus Gott wäre. ‑ Es klingt wie: ihr habt den Gründer dieser Sekte, „Jesus“ gekreuzigt, und nun müsst ihr die unangenehmen Folgen tragen, überlegt, was ihr mit seinen Nachfolgern macht, damit ihr euch nicht noch Schwereres aufbürdet, und am Ende als solche erfunden werdet, die wider Gott streiten.
Schließlich begründet Gamaliel seine Ausführungen mit kurz zuvor stattgefundenen religiösen Bewegungen. Er erinnert an das Werk des Theudas und Judas und wie kläglich sie geendet haben (Vers 36-37). Und genau so wird es mit der Sekte der Nazarener gehen, wenn sie nicht aus Gott ist. Also wartet ab ‑ die Zeit wird selbst Richter sein.
Die Rede hatte Erfolg. Es trat kein Gegenredner auf. Zwar wurde sein Rat nur teilweise befolgt, aber die Apostel wurden doch nicht umgebracht, wie zuvor beabsichtigt (Vers 33). Man geißelte sie und glaubte die Sache abgetan.
Und dennoch mangelhaft. Gamaliels Rat enthielt viel Weisheit und hatte eine gesegnete Wirkung. Er war ein sehr gütiger und edel gesinnter Mensch, doch dieser Klasse fehlt trotz allem oft die nötige Entschiedenheit. Dieser weise Mann wusste mehr als er sagte und zugab. Das Übernatürliche in der Sache der Apostel muss ihn stutzig gemacht haben. Gamaliel dürfte unter jenes milde Urteil des Herrn fallen: „Wer nicht wider mich ist, ist für mich.“ Gamaliel wollte gewiss nicht wider Gott streiten, brachte aber auch nicht genügend Mut auf, bestimmter gegen den Rat Stellung zu nehmen, der letzten Endes doch wider Gott ausschlug.
Leiden um Christi willen. Nach der Rede Gamaliels rief man die Apostel wiederum herbei, gebot ihnen, nicht im Namen Jesu zu reden und geißelte sie. Das waren jene vierzig Streiche weniger einen, die Paulus öfters zu fühlen bekam (2Kor 11,24). Die Jünger klagten nicht, sondern freuten sich, um des Namens Jesu willen leiden zu dürfen, trotzdem dieses Stäupen oder Geißeln eine schmähliche Erniedrigung und äußerst schmerzhaft war (5. Mose 25,2-3). Gern trugen sie die Malzeichen Christi an ihrem Leibe (Gal 6,17).
Einschüchterung unmöglich. Weder Drohung, noch Leiden, noch Todesgefahr vermochten die Apostel zum Schweigen zu bringen. Jeden Tag versammelten sie sich erneut im Tempel. Sie hatten ihren Auftrag von Gott und wussten, dass nur Jesus das Heil der Menschheit ist, und dieses verkündigten sie überall und allen zum Trutz.