Behandelter Abschnitt Mt 27,1-14
Judas als Apostel, und sein Ende.
Die Verse 1 u. 2 gehören noch zu dem vorhergehenden Kapitel. Der Beschluß der Obersten war das Todesurteil, und Pilatus sollte ihre niedrigen Pläne ausführen. Sie hatten gar kein Recht, den Herrn zu töten, darüber hatte das römische Gericht zu entscheiden. Und nun folgt der Abschnitt vom Ende des Judas. Dabei sehen wir eine zu späte Buße und Wiedergutmachung. Wir wollen hier einen kleinen Allgemeinüberblick uns zur Warnung geben.
Judas war vom Herrn berufen.
Judas Iskariot, d. h. der Mann von Kerith, hatte wie andere das Wort, ja, sogar den Apostelruf vernommen (Mt 10,4). Ähnlich wie König Saul, wird er sehr hoffnungsvoll gewesen sein. An Fähigkeiten und Eifer wird es bei ihm nicht gefehlt haben (Der Ruf zum Apostelamt bot jedoch keine äußeren Vorteile; denn der Herr war arm, dazu war Er für Sein Wirken nicht besoldet.). Der Anfang bei Judas war, wie noch oft in unsern Tagen, gut.
II. Judas war Zeuge der größten Zeichen und Wunder.
Wenn schon die Volksmenge über des Herrn Wunder und Sein gewaltiges Reden staunte, wie vielmehr hat Judas, der drei Jahre ein täglicher Beobachter und Zuhörer, ‑ in ständiger Gemeinschaft dieses einzigartigen, fleckenlosen Lebens war, nachdenken müssen! War das Leben Jesu keine Predigt für Judas? Gewiß müssen auch des Herrn aufopfernde Liebe, sowie die vielen Gebetszeiten laut zu Judas geredet haben.
III. Judas wirkte als Apostel.
Auch er gehörte zu jenen, die Gewalt über unreine Geister erhielten
und Vollmacht, Kranke zu heilen. Und gewiß hat er es auch getan. In Mt 7,22 spricht der Herr von solchen, die in Seinem Namen Dämonen
austreiben, die Er aber trotzdem nicht kennt und darum verwerfen, wird.
Judas trieb die Teufel aus andern, aber nicht aus sich selbst (
IV. Judas hat mit gewissen Sünden nie aufgeräumt.
Er liebte das Geld. Geldliebe aber ist die Wurzel alles Bösen (l. Tim. 6, 10). Des Herrn Beispiel allein hätte ihn davon heilen sollen (2Kor 8,9). Daß doch keiner von denen, die angeben, Gott zu dienen und Ämter bekleiden, ein Geiziger sei! Geizige wandeln in den Wegen des Judas oder Bileams. Judas hat beim Entschluß, dem Herrn zu dienen, nie die Geldliebe aufgegeben. Manche halten bei der Bekehrung etwas zurück, und darum kommt es nie zu einer Gänzlichen Übergabe an Gott. Solches Glaubensleben hinkt von Anfang an. Menschen, die das Geld lieben und suchen, fallen in Versuchung und Stricke, und am Ende in die Verdammnis (1Tim 6,9). Die Schrift nennt Judas einen Dieb (Joh 12,6).
Judas wurde besonders ermahnt.
Schon bei der Salbung in Bethanien erhielt er eine Zurechtweisung (Joh 12,6). Später beim Passahmahl zeigte ihm der Herr seine Sünde. Aber sicherlich hatte der Herr längst zuvor an ihm Seelsorge getrieben. Wenn Paulus die Gläubigen täglich mit Tränen ermahnt hat, wie viel mehr der Herr (Apg 20,31). Aber Judas verhärtete sein Herz, das Geld war ihm lieber als der Herr. Vielen ist noch heute ein gutes Geschäft lieber als ein Gottesdienst, das Geld hält sie gefangen, wie den Judas.
Judas wurde ein Werkzeug Satans.
Der, der zum Apostel gerufen worden war, lieferte sich Satan aus. Er wußte, daß die Juden den Herrn gern umbringen wollten, und so entschloß er sich, ihnen gegen Bezahlung darin behilflich zu sein. „Was wollt ihr mir geben, ich will Ihn euch überliefern?“ Wie entsetzlich! Judas ging hin, verkaufte den Herrn und suchte nun Gelegenheit, Ihn zu überliefern (Mt 26,15). Der einstige Apostel des Herrn wird zum Apostel Satans, zum Anführer der Feinde Christi. Und Geldliebe war die Ursache zu dieser schrecklichen Tat.
Judas und seine Scheinbuße.
Judas sah nun den Ausgang seiner Sünde. Sah er wohl den Herrn bespien und mit der Dornenkrone, reute ihn sein Handeln? Ach, es waren mehr die Folgen, als die Sünde selbst, die ihm leid taten. Er sagte zu den Obersten: „Ich habe unschuldig Blut verraten“; sie aber kümmerten sich wenig darum. Judas fand nirgends mehr Ruhe; wohin er auch blickte, sah er nur Sünde, keinen Ausweg aus diesem Todesverrat, der auch sein ewiger Tod wurde. Er war verlassen von Gott, seinem Meister, seinen Freunden, ja selbst von seinem Götzen „Geld“; denn er hatte es in den Tempel geworfen. Der Ausgang der Sünde ist stets anders, als ihr verlockender Anfang. Die Geschichte des Judas zeigt kein Sich‑zu‑Gott‑wenden, keine Buße, wie bei Petrus, nur ein Bedauern der Folgen der Sünde. Satan führte ihn immer tiefer, bis an seinen eigenen Ort (Apg 1,29). So ging er hin und erhängte sich. Hätte das wohl Judas je geglaubt, wenn man ihm sein Ende am Anfang seiner Jesusnachfolge gesagt hätte?
Das Denkmal des Judas.
Was ist es, und wo steht es? Es ist der Blutacker, dort, nahe bei Jerusalem. Judas hatte das Geld in den Tempel geworfen. Die Priester sammelten es. Sie, die eben die schlimmste Sünde begangen, finden es als unerlaubt, dieses Geld in den Gotteskasten zu werfen. Was sollen wir damit tun? Wir kaufen den Acker des Töpfers als Fremdenfriedhof. Das Volk aber nannte ihn nicht Fremdenfriedhof, sondern das, was er war: „Blutacker“, ‑ ein ständiger Zeuge der frevelhaften Tat des Judas.
Was uns die Freilassung des Barabbas lehrt. Mt 27,15-21.
Barabbas heißt Sohn des Vaters. Die Gegenüberstellung von Christus und Barabbas ist in vieler Hinsicht sehr lehrreich. Einige alte Handschriften geben Barabbas den Namen „Jesus Barabbas“. Dieser gab sich in jenen Tagen als Messias aus, rief einen Volksaufruhr hervor, wurde gar zu einem Mörder, und darum wurde er verurteilt (Lk 23,25). Pilatus, der sich in seiner Verlegenheit in bezug auf Jesus nicht mehr zu helfen wußte, weil er Christi Unschuld erkannt und Ihn gern los gegeben hätte, versuchte es nun mit einem Kunstgriff. So stellte er den Herrn und Barabbas vor das Volk; denn beide waren durch den gleichen Anspruch, Messias zu sein, bekannt. Pilatus sagte sich, gewiß werden sie Jesum frei geben. Ach, er kannte nicht die gottlose Priesterschaft mit ihrer bitteren Feindschaft gegen den Herrn. So wurde das Volk aufgepeitscht, um Barabbas zu wählen. Den Herrn des Lebens verwarfen sie und erwählten sich einen Mörder (Apg 3,15). Diese entsetzliche Wahl hatte für Israel die furchtbarsten Folgen, die sich erst in Zukunft in der Person des Antichristen, der in Barabbas vorgebildet ist, so recht fühlbar machen werden.
Der Tag der Kreuzigung.
Das war ein besonders lebhafter Tag. Schon in den frühesten Morgenstunden war reges Treiben im Gerichtshof. Kreuze wurden hergerichtet. Grauen und Entsetzen erfaßten den verurteilten Barabbas, der in seiner Zelle auf seine Hinrichtung wartete. Er dachte an die vor ihm liegenden Qualen, den entsetzlichen Durst, an das Zerbrechen der Gebeine durch die Kriegsknechte usw. Schon öffnete sich die Gefängnistür und Barabbas wurde herausgeführt, aber nicht zur Kreuzigung, wie er erwartete, sondern um nochmals vor dem Richter zu erscheinen. Nach altem Brauch durfte einer auf das Fest freigegeben werden (Mk 15,6). Barabbas hegte wenig Hoffnung, als er von seinem Gegenüber hörte, nämlich von Christus, dem großen Wohl‑ und Wundertäter. Der, den Pilatus als unschuldig erkannt, den Frau Pilatus als einen Gerechten bezeichnete, der, an dem auch Herodes keine Schuld fand, und von dem Judas bekennen mußte: „Ich habe unschuldig Blut verraten“, kam mit Barabbas in die Stichwahl. Nein, da hegte Barabbas keine Hoffnung mehr. Dieser Tag, so hoffnungslos er für Barabbas aussah, wurde zum Tag seiner Freiheit. Wie kam das? Ein anderer, „Jesus“ starb für ihn. So wurde der Tag der größten Not für Barabbas zum glücklichsten seines Lebens.
Wir wollen nun noch kurz das, was Barabbas an jenem Tage erfuhr und fortan wußte, ‑ bildlich anwenden.
II. Barabbas wußte, daß er schuldig und mit Recht zum Tode verurteilt war (Lk 23,25).
Barabbas ist unser Repräsentant. Wie er, so sind auch wir des
gerechten Urteils Gottes schuldig; denn jeder Mensch ist von Natur unter
dem Fluch, weil er Gottes Gebote übertreten hat (Gal 3,10;
III. Barabbas wußte, daß Jesus, der am mittleren Kreuze hing,
keine Sünde getan hatte (Joh 8,46; 19,4;
Wir wissen auch, wie Barabbas, daß der Herr das fehlerlose Lamm ist, und nicht Seiner, sondern unserer Sünde wegen am Kreuze sterben mußte (Röm 4,25).
IV. Barrabas wußte, daß der Herr an seiner Stelle starb.
Sein vergangenes Leben zeugte gegen ihn. Überführt und des Todes würdig, wartete er auf seine Hinrichtung. Nun aber erfährt er, dass der Gerechte, Jesus, für ihn, den Ungerechten, sterben soll (2Kor 5,21; Gal 3,13; Jes 53,5-6; 1Pet 3,18). Auch unsere Sünde zeugt gegen uns, und auch wir wissen, daß wir Tod und Hölle verdient haben, und daß keines unserer Werke hinreicht, uns zu retten. Nun aber wissen wir auch, wie Barabbas, daß wir in Christo einen Stellvertreter haben, und durch Seinen Tod freigeworden sind, und darum nichts Strafwürdiges mehr an uns ist (Röm 8,1). Weil der Herr unsere Strafe trug, so haben wir keine mehr zu fürchten. Weder ein verklagendes Gewissen, noch Satan vermögen uns diese Gewißheit zu rauben.
Barabbas wußte, daß er gar nicht dazu beigetragen hatte, solche Freiheit zu erhalten.
Er wußte, daß, weil Christus an seiner Stelle starb, er leben dürfe (Röm 4,4-5; Eph 2,4-9; Tit 2,11). Auch der Gläubige weiß, daß er allein aus Gnaden gerettet ist, durch die Gabe Gottes, indem Gott Seinen geliebten Sohn für ihn dahingab, und Ihm alle Sünde zurechnete. Gott wird den durch Christi Blut Gereinigten nie mehr strafen, Er kann doch nicht die Schuld zweimal fordern. Daran zu glauben, gibt jedem Menschen völlige Ruhe des Gewissens; denn es kann ihn nicht mehr verklagen.
Barabbas wußte, daß Christi Tod völlig genüge.
Nun durfte er sich frei in den Straßen bewegen, keiner durfte ihn
antasten; denn seine Sünde war gesühnt. Die Frage des Pilatus lautete:
„Welchen wollt ihr?“, und alles schrie: Gib uns den Barabbas. Als es
entschieden war, daß Christus sterben müsse, war Barabbas völlig frei.
Die Strafe traf Jesus. Auch wir wissen, daß Gott den Herrn Jesus unser
aller Schuld hat treffen lassen, darum sind wir rechtlich frei (