Behandelter Abschnitt Mt 20,29-34
Die zwei Blinden vor Jericho. Mt 20,29-34.
Ergreifend ist die Geschichte der zwei Blinden und ihre Heilung, die sich im Vorbeigehen vollzog. Zum letzen Male war der Herr in Jericho und begab sich hinauf nach Jerusalem, um gekreuzigt zu werden. Die zwei Bettler benützten diese letzte Gelegenheit, riefen den Herrn an, und erfuhren Heilung von ihrer Blindheit. Verweilen wir kurz bei einigen Punkten dieser Begebenheit.
I. Der schöne Wohnort.
Die zwei Blinden wohnten in Jericho, der schönen Palmenstadt (5. Mose 34,3), aber dennoch lag sie unter dem Fluch (Jos 6,26).Jericho ist das Bild dieser Welt, die auch schön ist, und die sich der Mensch so bequem eingerichtet hat. Dennoch liegt sie im argen (1Joh 5,19). Diese Welt ist wie Jericho unfruchtbar, und ihre Wasser sind ungenießbar (2Kön 2,19). nach außen hin bietet sie viel Angenehmes. Neidend schaut das Auge auf ihre Schätze, wie einst ein Achan oder Gehasi, aber mit welchem Ausgang? Wo wohnst du? Noch in Jericho, in der Welt unter dem Fluche?
II. In großer Not.
Die zwei Blinden befanden sich in mancher Hinsicht in Not, aber der Herr erbarmte sich.
1. Sie waren blind. Also der schönsten Gabe beraubt. Sehende können
sich unmöglich die Entbehrungen Blinder ausdenken. Es gibt aber eine
weit schlimmere Blindheit, nämlich die, daß der Gott dieser Welt die
Sinne der Menschen verblendet (2Kor 4,4; Joh 9,39-41;
2. Sie waren arm. Darum saßen sie am Wegrande und bettelten. Viele
sitzen an der Landstraße des Lebens und betteln, aber umsonst (
3. Sie waren hilflos. Wenn sie auch zwei waren, konnte keiner dem andern helfen (Lk 6,39).
III. Willkommene Nachricht.
Eine große Volksmenge nahte sich. Ein Erntetag für die Bettler, so werden sie gedacht haben, ehe sie wußten, wer komme. Als sie es aber erfahren haben, bieten sich ihnen zwei Gelegenheiten: das Nötigste fürs tägliche Leben zu erbetteln, oder den Herrn anzurufen um Heilung. Was werden sie wählen? Als sie den Namen Jesus hörten, erfüllte nur eins ihr Inneres, Ihm zu begegnen und geheilt zu werden. Das war ihr Gnadentag, und die Sonne ging ihnen auf (1. Mose 32,31-32). Beachte, was sie taten!
1. Sie schrien laut. "Erbarme dich unser." Gleiches taten die zehn Aussätzigen (Lk 17,13). Andere, wie z. B. das Weib in Mt 9,21, schrien nur innerlich. Aber ob laut oder leise, jeder, der Ihn von Herzen anfleht, erlebt Ihn.
2. Sie schrien im Glauben. Sie nannten Ihn "Herrn" und "Sohn Davids",
Tatsachen, die den scheinbar Sehenden entgingen. Wohl schrie das Volk
bald "Hosianna dem Sohne Davids", aber nicht im Glauben, sondern in rein
äußerer Begeisterung. Die sehende Menge erkannte Ihn nicht, und ist ein
Bild Israels jener Tage. Die zwei Blinden aber glaubten, daß der
verheißene Messias der Blinden Augen auftun werde (Jes 35,5;
3. Sie riefen um Erbarmen. Daß sie nichts verdient hatten, wußten sie; deshalb stützten sie sich auf die Gnade allein (Eph 2,8-9), denn sie allein rettet.
4. Sie schrien zur angenehmen Zeit. Viele warten auf bessere Gelegenheiten und kommen daneben (2Kor 6,2).
IV. Glaubenshindernisse.
Jeder, der zum Herrn kommen will, begegnet wesentlichen Hindernissen, das erfuhren auch die zwei Blinden. Ein Hindernis war ihre eigene Blindheit, ein weiteres ihre Umgebung, die sie mitleidslos zurückhielt, dann die innere Anfechtung der persönlichen Unzulänglichkeit einem so großen Herrn gegenüber. Hindernisse, an Zahl wie die Volksmenge, waren in demselben Augenblick da, als sie das "Licht der Welt" erblicken wollten. Sie schrien - das war der Ausdruck ihres Glaubens. Wahrer Glaube läßt sich weder durch die Volksmenge, noch durch Mitgläubige (Mt 19,13) oder gar Umstände hindern, er dringt durch - und Jesus ist erreicht.
V. Ein williger Erretter.
Er will, daß allen geholfen werde. Da aber gilt es zuzugreifen. Ergreife das ewige Leben! Vor vielen liegt das Heil so nahe, wie das Sündopfer vor Kains Tür, aber sie greifen nicht zu. Beachten wir, was Jesus tat:
1. Der Herr blieb stehen. Der Herr geht nie am Suchenden vorbei (Lk 10,33). Keiner ist Ihm zu sündig.
2. Er rief sie zu sich. Nun bot sich ihnen eine nie dagewesene Gelegenheit. Doch diese war auch mit Verzicht ihrerseits verbunden. Es galt, den früheren Bettelstand aufzugeben. Noch mehr, sie verließen Jericho. Viele möchten Heilung, aber nicht die alte Umgebung, das alte Leben aufgeben.
3. Sein gnädiges Anerbieten. Was wollt ihr? Welch großer Moment, vor dem Sohn Davids zu stehen und solch ein Angebot zu erhalten. Kurz, bestimmt, glaubensvoll und ernst war ihre Antwort. Und wie einst Jerichos Mauern fielen, so fielen die Schuppen von ihren Augen.
VI. Völlige Heilung.
Wie ging diese vor sich? Er erbarmte sich ihrer. Ihre Not traf das Herz des Herrn (Lk 7,13; Heb 4,15). Dieser Herr ist heute derselbe (Heb 13,8). Er berührte sie. Seine Nähe ist stets fühlbar und heilbringend, sie schafft völlig Neues (Mt 8,15; Lk 8,46).
VII. Der neue Weg.
Bis dahin standen die zwei bettelnd am Wege. Nachdem sie aber den Herrn erlebt hatten, gingen sie einen neuen Weg, den dem Lamme nach. Doch dieser ist schwer; denn der Herr ging nach Golgatha. Das ist und bleibt der Weg für alle, die Ihn erkannt haben (Heb 13,13-14).