Glückselig sind die Hungernden. Mt 5,6.
Das neue Leben hat Bedürfnisse, die nach Befriedigung verlangen, genau so wie beim natürlichen Leben. Es schreit wie das neugeborene Kind nach Milch (1. Petrus 2,2). So hungert die Seele des Gotteskindes nach Gerechtigkeit. Man kann getrost Menschen nach ihrem Verlangen einschätzen. Wirklicher Hunger treibt zum Handeln. Der Hunger trieb den verlorenen Sohn ins Vaterhaus. Solche werden satt. Schrecklich aber ist der Zustand der Satten. Man denke an Laodizäa, die sagte, "ich bin gar satt", und furchtbar ist Jesu Urteil über sie (Off 3). Gleiches sehen wir bei den satten Pharisäern, sie hatten alles und Jesus muß ihnen dennoch sagen: "wehe euch, Pharisäer!" (Mt 23.)
I. Was ist unter diesem Hungern und Dürsten zu verstehen?
Hunger und Durst kommen aus einer inneren Leere. Sie sind Unbehagen, ein Schmerz, ja oft geradezu eine Qual. Hunger ist ein Zeichen des Lebens; denn der Tote hungert nicht. Er ist auch ein Zeichen der Gesundheit, denn Kranke hungern selten. Wie der gesunde natürliche Mensch hungert, so schmachtet der innere Mensch nach Gott und göttlicher Gerechtigkeit. Wir sind darüber betrübt, daß wir nicht im rechten Verhältnis zu Gott stehen; denn es ist jedes Gotteskindes Sehnsucht, vor und in Gott zu leben. Diese Sehnsucht ist bei manchem so stark, daß sie wie ein Schrei gehört wird (Ps 42,1-2). Bedürfnisse, wie Essen und Trinken sind also mit dem Verlangen der Seele verglichen. Dieser Hunger ist auf einen Gegenstand, auf Gerechtigkeit Gottes, gerichtet, und wo dieser fehlt, da stimmt es bei uns nicht. So hungern wir solange wir leben.
1. Was ist bei diesem Hungern nicht
gemeint? Nicht Sehnsucht nach irdischen Gütern, wie z. B.
Geld, denn der Geizige ist ein Götzendiener (1Kor 5,11; 6,10). Auch
nicht nach Ansehen, Ehre, Bequemlichkeit, Luxus oder Vergnügen. Israel
hungerte nur nach dem Natürlichen und starb (1Kor 10). Wer hier nicht
nach Gott schmachtet, der wird dereinst ewiglich dürsten (
2. Was diesen Hunger stillt. Die Gerechtigkeit Gottes. In Phil 3 gibt uns Paulus das beste Beispiel dieses Hungerns nach Gerechtigkeit. Er strebt so nach dieser Gerechtigkeit, daß er ihretwegen alles andere für Kot achtet. Gleichheit mit Ihm, denn Gott ist gerecht. Persönliche Gerechtigkeit, Heiligkeit, Reinheit, das ist wahre Glückseligkeit. Die neue Natur kann nur durch den erquickt werden, der uns wiedergezeugt hat durch Wort und Geist. Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Ihm und dem Volke Gottes, das sind die Bedürfnisse des neuen Menschen (Apg 2,42).
II. Was ist Gerechtigkeit?
Die Schrift lehrt Gerechtigkeit durch Glauben und Gerechtigkeit des Lebens.
a) Gerechtigkeit durch Glauben. In diese treten wir ein durch die Bekehrung. Der Sünder erkennt seine große Schuld und glaubt dem, der die Gottlosen gerecht spricht (Röm 4,5) und der für Gottlose starb (Röm 5,6; 1. Petrus 3,18). Darum rühmt der Gläubige, daß er gerecht geworden ist durch den Glauben (Röm 5,1). Also nicht durch Gaben oder Opfer wird diese Gerechtigkeit erreicht, sondern sie ist die freie Gabe Gottes. Die nach Gerechtigkeit schmachtende Seele wird mit Freude des Heils erfüllt. Aber nicht diese Gerechtigkeit meint hier Jesus; denn der Jude wußte nichts davon, daß Jesus für ihn sterben werde. Sondern hier meint die Schrift:
b) Gerechtigkeit des täglichen Lebens. Unsträflichkeit vor Gott und Mensch ist hier gemeint, wie z. B. bei Noah (1. Mose 6,9), David (1Kön 3,6), Hiob, Daniel (Hes 14,14) und andere. Der durch Glauben Gerechtgemachte kennt nur das Leben zu Gottes Ehre. Sehnsüchtig schaut er danach aus wie Elias nach den Raben, die ihm Brot und Fleisch brachten. Es ist das tiefe Verlangen nach dem "Sein wie Er". Darum sehnt sich der Gerechte nach Seinem Kommen, weil er dann sein wird wie Er (1Joh 3,2-3). Nach Gleichheit, Heiligkeit und Reinheit "wie Er" hungert der Gläubige. Diese sind es, die Jesu in diesem Wort glückselig nennt.
III. Das große Vorbild.
Des Herrn ganzes Leben war ein Akt der Gerechtigkeit. Er tat allezeit, was dem Vater wohlgefiel. Seinen Hunger nach Gerechtigkeit sehen wir immer wieder. Seine Speise war der Wille Gottes (Joh 4,34). Als ihn nach vierzigtägigem Fasten hungerte, sagte Er, daß Seine Speise das Wort Gottes sei (Mt 4,4). Ja, Er hungerte danach, die Gerechtigkeit Gottes auf Schritt und Tritt zu offenbaren bis zur Dahingabe Seines eigenen Lebens. Sind wir auch bereit, um der Gerechtigkeit willen bis zum Tode zu leiden? Aber der Herr wurde auch gesättigt. Von der Mühsal Seiner Seele darf Er die Fülle sehen (Jes 53). Er ist das Brot und das Wasser des Lebens und erfüllt alle, die zu Ihm kommen, bis zur Genüge mit Glückseligkeit. Bald aber wird der große Tag da sein, da nicht nur, wie heute, Einzelne, sondern da der ganze Erdkreis von Seiner Gerechtigkeit gesättigt werden wird.
IV. Die Sättigung.
Sie sollen satt werden. Zur dürstenden Samariterin sagte Er: "Wer von
dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird in Ewigkeit nicht dürsten"
(Joh 4,14). Wir hungern und dürsten also nicht umsonst und müssen
nicht darin sterben. Sie werden schöpfen, ruft Jesaja aus (