Glückselig sind die Sanftmütigen. Mt 5,5.
Geradezu unverständlich kommt der Welt diese Seligpreisung vor, denn sie praktiziert auf der ganzen Linie das Gegenteil von ihr. Sie sagt, glücklich sind die Mächtigen, die Starken, die genialen Erfinder, die Feldherren, deren Namen und Photographien in allen Illustrierten erscheinen. Jesus aber, der sich in allem vom natürlichen Menschen unterscheidet, sagt das Gegenteil. Auch Israel verstand den Herrn nicht, es erwartete in Ihm jenen Josua, der bald alle Feinde zerschmettern werde, um ihnen das längst verheißene Reich zu geben. Einen König wie Jesus begehrten sie nicht, sondern einen, der sich in Macht und Herrlichkeit offenbarte. Israel aber vergaß vollkommen (wie auch heute viele Menschen), daß wir erst durch die neue Geburt in dieses Reich eingehen können. Sie wollten ein Ostern ohne Karfreitag haben. Das Fleisch haßt das Kreuz. Die Welt legt Sanftmut als Feigheit aus, sie hält es mit dem Wort "Auge um Auge, Zahn um Zahn", und wie froh wäre sie oft, wenn wir ihren Herausforderungen also begegneten.
I. Ich bin sanftmütig.
So durfte der Sprecher der Seligpreisung von sich sagen (
II. Wer sind die Sanftmütigen?
Viele verstehen darunter leicht biegsame, energielose, gutmütige Menschen, denen man widerstandslos, wie einem Esel oder Kamel, jede Last aufbürden kann. Aber die Sanftmut ist nicht eine Art Zahmheit, sondern das Gegenteil, sie ist die größte Selbstbeherrschung. Sanftmut besteht nicht in Worten, sondern ist eine Tugend, die sich im praktischen Leben auswirkt. Sie zeigt sich im Tragen und Dulden, wenn gekränkt, beleidigt, verleumdet, übervorteilt etc. wird. Sanftmut ist nicht, ein um jeden Preis ruhiges Leben führen wollen, sondern eine schöne geistliche Tugend, die Heilige anziehen sollen (Kol 3,12-13; Zeph 2,3). Sie ist eine schöne Geistesfrucht und muß daher bei allen, die den heiligen Geist empfangen haben, gesehen werden (Gal 5,22-23), sie ist ein Zeichen göttlicher Weisheit (Jak 3,17) und sehr kostbar in Gottes Augen (1. Petrus 3,4). In ihr vermögen wir zu dienen und Irrenden zurechtzuhelfen (Gal 6,1). Diese Seligpreisung zeigt so recht die wunderbare Reihenfolge dieser Aussprüche Jesu. Die, die innerlich über ihre geistliche Armut trauerten, zeigen in dieser 3. Seligpreisung eine schöne Frucht im Glaubensleben. Sanftmütige nehmen, wie Er, die Leidenswege widerstandslos hin. Nur wenn es gilt, Seine Ehre zu wahren, dann beweisen sie, daß sie Gott mehr gehorchen als Menschen, und geben unter keinen Umständen nach (Apg 4,19-20). Hier vereinen sich die Unschuld der Taube und die Kraft des Löwen.
III. Der Heiligen Vorbild in der Sanftmut.
Die schöne Frucht des Geistes, "die Sanftmut", tritt bei vielen Gläubigen herrlich hervor. Denken wir an einige Beispiele.
In 1. Mose 13 haben wir das erhabene Handeln des ergrauten Abraham dem jüngeren Lot gegenüber. Der sanftmütige Abraham ließ sich willig das ihm Verheißene nehmen. Lot wollte die Erde besitzen, aber bald besaß sie ihn, und wir wissen, daß er bald alles verlor. Zu Abraham aber sprach Gott: "Hebe deine Augen auf - das ganze Land, das du siehst, will ich dir geben." Der sanftmütige Abraham erhielt das Erdreich.
Ein weiteres lehrreiches Beispiel bietet uns Moses, der der sanftmütigste Mensch genannt wurde (4. Mose 12,3). Israel will ihn steinigen, aber er liegt für sein Volk vor Gott am Boden in heißer Fürbitte, und als Gott Israel vertilgen und aus Moses eine Nation machen wollte, da sehen wir seine große Bescheidenheit (4. Mose 14,12), und wie willig er die Schmähungen seiner leiblichen Geschwister trug, ist uns bekannt.
Wer hätte nicht auch schon mit Genuß von der Sanftmut der Hanna gelesen (1Sam 1) und wie sie dadurch Gott ehrte.
Hervorragend darin ist auch David, der nicht durch Macht dem Saul das Reich abnahm, sondern litt, bis Gott es ihm gab, ja sogar am Ende seinen Feind Saul beweinte. Ach, und wie sanftmütig nimmt er die Flüche Schimeis hin (2Sam 16,5-8). Mit Recht war er der Mann nach dem Herzen Gottes.
IV. Die große Verheißung.
Sie werden das Erdreich besitzen. Sanftmut führt also zu großem Besitz. Der Herr hat uns das beste Beispiel gegeben, Er hat sich nicht durch Macht, sondern durch Sanftmut und Leiden Sein Reich erworben. Er hat dadurch den Fürsten der Welt überwunden und ihm die Welt entrissen. Männer wie Karl der Große, Alexander, Napoleon u. a. haben ihre Reiche durch Macht gewonnen, aber wo ist heute ihr Erbe?
Diese Verheißung harrt noch ihrer besonderen Erfüllung. Jesus redete zu Israel, dem das Reich verheißen ist und es ererben wird. Nach der großen Drangsal, in den Tagen des Tieres, wird der sanftmütige Überrest Israels das Reich bekommen, ja mehr, die Verheißung erstreckt sich hin zur neuen Erde. Aber auch wir werden mit Ihm herrschen, wenn wir mit Ihm dulden (2Tim 2,12; Röm 8,16-17). Je mehr wir Seinetwegen aufgeben, umsomehr werden wir an jenem Tage Besitz erlangen.