Behandelter Abschnitt Dan 11,5-20
Dan 11,5-20 - Erfüllte Weissagungen
Lesen wir zunächst die Verse 5 und folgende im Lichte erfüllter Weissagung. Die Geschichte weis hier interessante Dinge zu berichten, die man nicht ohne weiteres übersehen darf.
Die Kämpfe zwischen Süd- und Nord-Reichen (Verse 5 bis 9). Wir entnehmen hierzu einige Ausführungen aus: „Die Visionen im Buche Daniel“ von H. Schädel „,Zwischen den Seleuciden im Norden und den Ptolomäern im Süden entbrannten also heftige Kämpfe, die teilweise auf diplomatischem Wege, durch Verbindung der Herrscherhäuser in Heiraten, aber auch in bitteren Kriegen zum Austrag kamen. Es ist ein politisches Ränkespiel, das der modernen Staatskunst nichts nachgibt. Acht Jahre lang hatte das Nordreich mit dem Südreich Krieg geführt. Israel war der Tummelplatz der feindlichen Heere. Der Friede kam dadurch zustande, daß der ägyptische König dem syrischen König seine Tochter zur Frau gab, die ihm große Reichtümer mitbrachte. Der syrische König war mit seiner Stiefschwester verheiratet, die aber von ihm samt ihren Kindern verstoßen wurde, damit er die ägyptische Königstocher Berenice heiraten konnte. Schon nach zwei Jahren starb der mächtige ägyptische König Ptolomäus II., worauf sein Schwiegersohn Antiochus 11. von Syrien seine neue Gemahlin mit ihrem Söhnlein verstieß und seine frühere Gattin Laodice wieder zu sich nahm. Diese aber vergiftete dann aus Rache den König und ließ die ägyptische Königstochter samt ihrem Sohn umbringen. Deren Bruder, Ptolomäus III., rächte den Tod seiner Schwester durch einen Kriegszug nach Syrien, der so erfolgreich verlief, daß er das Land eroberte und die Hauptstadt Antiochien einnahm. Die blutdürstige Laodice ließ er hinrichten und brachte große Beute mit nach Ägypten. Der neue König von Syrien machte zwar einen Kriegszug gegen Ägypten, mußte aber ohne Erfolg mit wenigen Leuten wieder zurückehren.
Der Fortgang der Kämpfe. Verse 10-20. Es ist nicht nötig, diesen klaren Ausführungen der Verse 10-20 noch weitere Anmerkungen hinzuzufügen. Es sind die gleichen Kämpfe und diplomatischen Verhandlungen, wie sie bereits vorher geschildert werden. Ägypten und Syrien lösten sich in den Siegen ab und während der sogenannten Friedensjahre wurde für den nächsten Krieg gerüstet. Der Engel deutet aber an und spricht es als Tadel aus, daß Israel, das als Korn zwischen diesen beiden Mühlsteinen gewiß viel zu leiden hatte, sich Ägypten gegenüber treulos verhalten werde. Bei der Teilung des griechischen Weltreiches war Palästina Ägypten zugeteilt worden (Nebenbei gesagt, hatte einer der ägyptischen Könige auch eine griechische Übersetzung des Alten Testamentes herstellen lassen, die wir heute unter dem Namen „Septuaginta“ kennen.). Nach allem, was wir wissen, hatte Israel nur Ursache, Ägypten gegen über dankbar zu sein. Nun aber erheben sich Abtrünnige aus Israel und fallen Syrien zu. Doch der Untergang wird ihnen vorausgesagt. Unter der festen Stadt, die der ägyptische Feldherr einnehmen wird, ist wohl Sydon zu verstehen, wo sich das ägyptische Heer später dem Syrerkönig, Antiochus dem Großen, übergeben mußte. Dadurch ging auch Palästina in den Besitz Syriens über. Als Antiochus sich gegen Ägypten selbst wenden wollte, traten die Römer dazwischen und verhinderten dies. Die Diplomatie trat wieder in Aktion und der Syrerkönig gab dem König von Ägypten seine Tochter Kleopatra zum Weibe. Der Syrer wandte sich dann gegen die griechischen Inseln und gegen das alte Griechenland selbst. Später wurde er aber von der neuaufsteigenden römischen Weltmacht besiegt und damit verging ihm sein Spotten und Höhnen. Der Nachfolger sandte einen Schergen oder Gelbeintreiber, der die durch die Kriege entleerte und verarmte Staatskasse wieder füllen sollte. Auch dieser König nahm ein ruhmloses Ende.
Antiochus Epiphanes (Verse 21-27.) Hier begegnen mir nun wieder der geheimnisvollen Persönlichkeit des syrischen Antichristen Antiochus Epiphanes, dem jüngeren Sohne Antiochus des Großen. Der junge Antiochus war von seinem Vater nach dem schmählichen Friedenschluß, zu welchem ihn die Römer gezwungen hatten, nebst andern Jünglingen vornehmen Geschlechts, im Jahre 190 vor Christi als Geisel nach Rom gesandt worden. Nach kaum drei Jahren starb Antiochus der Große. Nachfolger wurde sein ältester Sohn Seleukus IV. im Jahre 187. Dieser entschloß sich nach etlichen Jahren, seinen Bruder Antiochus in Rom gegen seinen eigenen Sohn Demetrius als Geisel auszuwechseln, da ereilte ihn der Tod durch Vergiftung. Sein Mörder Heliodor maßte sich den Thron an. Zu gleicher Zeit machte auch der junge ägyptische König Ptolemäus IV. auf das Betreiben seiner Mutter Kleopatra, die eine Schwester des jungen Antiochus war, Ansprüche auf den syrischen Thron. Die Kunde von der Ermordung seines Bruders Seleukus erreichte den Antiochus in Athen, als er auf der Heimreise von Rom war. Schnell war sein Plan gefaßt, seinem einzig berechtigten Neffen Demetrius die Herrschaft zu entreißen. Es gelang ihm, die doppelten (syrischen und ägyptischen) Streitkräfte, die gegen ihn standen, mit Hilfe pergamenischer Könige niederzuwerfen. Unter dem Bundesfürsten in Vers 22 ist der junge ägyptische Herrscher zu verstehen, der ja auch durch die Heirat mit der Kleopatra, unseres Antiochus Schwester, ihm sehr nahe verbunden war. Es gelang Antiochus Epiphanes, durch Ränke den ägyptischen Monarchen ganz unter seinen Einfluß zu bekommen und ihn von seiner Politik vollständig abhängig zu machen. So durchzog Antiochus Epiphanes nicht nur die eigenen Lande, in welchen er das Volk durch Schmeicheleien zu gewinnen verstand, sondern wußte sich sogar die ägyptische Bevölkerung von Stadt zu Stadt durch die freigebigste Verteilung von allerlei Beute und Schätzen geneigt zu machen. Was seinen Vorfahren mit Waffengewalt nicht gelang, das brachte er durch List und Klugheit fertig, nämlich die Oberhoheit über Ägypten an sich zu reißen. Doch blieben die starken Festungen des Landes noch unbezwungen, die er aber auch an sich zu bringen bestrebt war. Inzwischen war in Ägypten ein Bruderkrieg entbrannt. Der regierende König Ptolemäus VI. fand einen Nebenbuhler in seinem jüngeren Bruder. Als das Antiochus erfuhr, eilte er herbei, angeblich um seinem verbündeten älteren Neffen gegen den Bruder zu helfen. Dieser hatte ein großes Heer für sich geworben, das aber Antiochus durch Verrat und List auf seine Seite brachte. Obschon nun der Sieger seinem Verbündeten in anscheinender Großmut die Herrschaft überließ, bestand doch zwischen beiden das größte Mißtrauen. Der eine fürchtete im andern den Nebenbuhler. So verkehrten sie heuchlerisch miteinander, ohne sich jedoch zu getrauen, dem schier unerträglichen Zustand ein Ziel zu setzen. Es gehörte mit zur Züchtigung des Volkes Gottes, daß seine Heimsuchung noch länger fortgesetzt wurde; die Zeit für deren Abschluß war noch nicht gekommen. 2. Makk. 5, 5 berichtet, daß um diese Zeit das Gerücht entstand, Antiochus sei gestorben. Da machten die Juden einen Aufstand gegen die unerträgliche Herrschaft Syriens, worauf Antiochus mit einer blutigen Züchtigung auf seiner Heimreise von Ägypten antwortete.
Das Ende der Herrschaft des Antiochus (Verse 28 bis 35). Die Bücher der Makkabäer erzählen uns vieles aus jener schrecklichen Zeit der blutigen Rache des Antiochus gegen das Volk Israel. Auf seinem Zug von Ägypten nach Syrien hält er Gericht am jüdischen Volk und raubt die kostbaren Schätze des Tempels. Ein zweiter Feldzug nach Ägypten mißlingt ihm, weil die Schiffe aus Chitim, d. h. Schiffe der auftretenden Macht Roms, ihm Einhalt gebieten. Bekannt ist ja die Geschichte von dem Römer Markus Popilius Laenas, der dem Antiochus die Forderung des römischen Senats brachte. Als sich Antiochus Bedenkzeit ausbat, zog der Römer einen Kreis im Sand um den König und sagte: „Ehe du aus diesem Kreise trittst, muß ich deine Antwort haben!“ Wut und Ingrimm erfaßten den gottlosen König, die er dann am Judenvolk in entsetzlicher Weise zum Ausdruck kommen ließ. Im Tempel ließ er ein Götzenbild aufstellen und Schweinefleisch opfern. Die jüdischen Gottesdienste wurden verboten und die gesetzestreuen Juden mit dem Tode bestraft. Wahrscheinlich redet der Hebräerbrief (Kapitel 11, 36-38) von dieser furchtbaren Verfolgung: „Etliche haben Spott und Geiseln erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sie wurden gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie sind umhergegangen in Schafpelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach (deren die Welt nicht wert war) und sind im Elend umhergeirrt in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde.“ Die kleine Hilfe, von der Daniel hier etwas vernehmen darf, ist zweifellos der Makkabäeraufstand. Die eigentliche Hilfe, die Israel zu erwarten hat, kommt erst zur „Zeit des Endes“. Vers 35 deutet es klar an, daß diese ganzen Vorgänge endgeschichtliche Vorbilder sind. So hat ja auch der Herr Jesus klar gesagt, daß der Greuel der Verwüstung, von dem Daniel redet, noch eine eigentliche Erfüllung in der Zukunft finden werde. Das setzt voraus, daß Israel dann wieder in Palästina sein wird, daß der Tempel wieder erbaut worden ist und die alttestamentlichen Gottesdienste wieder eingerichtet sein werden. Noch deutlicher tritt das Vorbildliche der Schilderung hier in den nächsten Versen zutage. (Schädel.)
Dan 11,5-20 - Große zukünftige Ereignisse
Im vorhergehenden brachten mir eine Darstellung der Verse 5 ff. im Lichte erfüllter Weissagung von H. Schädel. Wir glauben aber, daß wir es schon vom 5. Vers ab auch mit unerfüllter Weissagung zu tun haben. Nach unserer Überzeugung gehören die Verse 5-45 und Kapitel 12 zum Geschehen der Endzeit. Die von Vers 5 an geschilderten Kriege leiten die siebzigste Woche ein und bilden gleichsam die Vorgeschichte des kleinen Horns. Die verschiedenen Kriege, in ihren Einzelheiten geschildert, werben den Gläubigen der Endzeit beim Lesen des Buches Daniel besondere Wegleitung sein. Sie werden dann erkennen, in welchem Zeitabschnitt sie sich befinden. Das können wir heute nicht. In ereignisreichen Zeiten, wie den gegenwärtigen, tauchen gern allerlei Propheten auf, die meinen, in jedem neuen Kriege, der ausbricht, eine Erfüllung der Weissagungen Daniels zu sehen. Immer wieder sei darauf hingewiesen, daß die Weissagungen Daniels, resp. die Erfüllung derselben, es mit dem Volke Israel als Nation im Lande Palästina zu tun haben. Kriege, die also vorher stattfinden, ehe Israel im Lande Palästina wohnt, haben nichts mit dem Buch Daniel zu tun. Die Weissagungen Daniels offenbaren das Schicksal Israels unter den Völkern besonders während der Endzeit.
Der große Sprung ins Weite. Damit meinen wir ein Wegblicken von den Nachfolgestaaten Alexanders des Großen, hin zur Endzeit, zum letzten Weltherrscher. Das Hauptinteresse Daniels und sein ernstes beten um Licht waren in Verbindung mit der siebzigsten Woche. So mögen sich die Gesichte von Vers 5 an zum Teil wie vorerfüllt haben, denn die Weltgeschichte ist vielfach eine Wiederholung früherer Geschehnisse. In Kürze und doch eingehend werden in den Versen 5-20 die politischen und militärischen Ereignisse, die dem Antichristus den Weg bahnen, geschildert, und von Vers 21 ab sehen wir dann seine furchtbare Laufbahn.
Kommende Ereignisse. So möchten wir den Inhalt der vor uns liegenden Verse nennen. Optimisten, die meinen, der gegenwärtige furchtbare Krieg sei der letzte, irren schwer. Oft wurde dieser Gedanke nach dem Weltkrieg 1914-1918 behauptet. Bei Millionen lautete die Parole „Nie wieder Krieg“. Aber Schriftkenner schauten tiefer; die Weissagungen der Schrift waren ihnen glaubwürdiger als die leeren Versprechungen großer Staatsmänner. ‑ Der vielgepriesene Völkerbund sollte die Garantie gegen den Ausbruch neuer Kriege sein, aber das Fundament kam ins Wanken, es war auf Sand gebaut - ohne befragen der Gedanken Gottes über Israel und den Nationen. Wir brauchen kaum daran zu erinnern, daß neben dem Völkerbund die Rüstungsindustrie auf hohen Touren lief, bis die schreckliche Katastrophe im Jahre 1939 neu über die armen Völker hereinbrach. Und wie damals die Hoffnung der Völker auf einen dauernden Frieden schwer getäuscht wurde, so wird es auch in Zukunft sein. Wir kennen den Gang der Dinge und die zunehmende Ratlosigkeit der Nationen aus der Schrift. Die Weissagungen über kommende Kriege in Daniel Kapitel 7 und 11, sowie in Offenbarung Kapitel 6 und 19 sind unumstößlich. Alle Reden und Handlungen von Staatsmännern, so gutgemeint sie auch sein mögen, werden an diesen göttlich festgelegten Völkergerichten nichts ändern können. Gerichte werden die Welt überfallen wie ein Dieb in bei Nacht. Gottes Volk (die Gemeinde) wird aber vor den schrecklichen Endkatastrophen bereits im Vaterhaus droben sein.
Unser Text redet von zwei Gegnern, die sich wiederholt bekämpfen. Es sind dies: der König des Südens und der König des Nordens. Süden und Norden von Palästina aus gesehen. Da kamen zunächst Ägypten und Assyrien in Frage. Welche Ausdehnung diese Länder in Zukunft nehmen werden, sah der Prophet noch nicht.
Dem König des Nordens begegnen wir zu wiederholten Malen in der Schrift (Jes 10,24-27; 31,8; Mich 5,5-6; Nahum 1,1-15; Zeph 2,13). Er bedrängt Israel hart.
Der König des Südens, der Herrscher über Ägypten, ist mächtiger als der König des Nordens. Und obwohl sich diese beiden Könige hart bekämpfen, so werden doch Schwierigkeiten, die durch eine andere Macht entstehen, sogar zu einem Bündnis zwischen Syrien und Ägypten führen, welches Bündnis durch eine Fürstenehe noch bekräftigt wird. Das Bündnis aber wird nur von kurzer Dauer sein. Bald darauf kommt es zwischen den beiden Reichen wieder zu einem Waffengang. Der Ausgang wird die Niederlage des Königs des Südens sein. Juden, die hier die Abtrünnigen genannt werden, scheinen irgendwie einzugreifen, um sich Freiheit zu verschaffen, werden aber mit in die Niederlage hineingerissen. Es muß Israel sein, um das es sich hier handelt; denn der Bote nennt sie Daniels VoIk (Vers 14). Der Sieg des Königs des Nordens wird uneingeschränkt sein und mit ihm gerät Palästina unter die Herrschaft des Königs des Nordens, der in das Land der Zierde (Palästina) eindringt. Nach diesen Siegen wendet sich der König des Nordens gegen Westen hin, kehrt aber erfolglos zu seinen Festungen zurück und findet auf dem Rückzug den Tod (Vers 19). Die verschiedenen gewaltigen Kriege werden sich in kurzer Zeit folgen, denn von Vers 5 ab haben wir es mit ein und derselben Person zu tun. An Stelle des gefallenen Königs wird ein anderer gekrönt. Durch neue Steuern versucht er, die erschöpften Staatskassen zu füllen, um weitere Kriege zu ermöglichen. Aber wegen der Bedrückung wird er in kurzer Zeit von denen, die seine Tafelkost essen, umgebracht werden.
Vers 21 beginnt: „Und an seiner Statt wird ein Verachteter aufstehen.“ Wer ist dieser Verachtete? Kein anderer als der Antichrist, das kleine Horn, und mit dieser Person, die so oft in verschiedener Weise von Daniel gesehen und sonst in der heiligen Schrift genannt wird, wollen mir uns etwas eingehender im nächsten Abschnitt beschäftigen. Die Verse 5-20 haben wir absichtlich nur kurz gestreift, weil diese Geschichte in unserer Zeit kaum jemand zu lösen vermag. Sie sind wohl deshalb in Gottes Wort festgehalten, um den bedrängten Heiligen k o m m e n d e r Tage Licht zu geben.
Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß wir es in dieser letzten Vision mit dem ausgesprochenen Ende des Zeitalters der Nationen zu tun haben und nicht allein mit den vielen Nachfolgestaaten des Reiches Alexanders (Kapitel 10, 14). Heute fragen mir uns, warum die Schrift bei so unwesentlichen Einzelheiten der für uns alten Geschichte stehen bleibt, zudem in den Versen 5-35 nur Streitigkeiten unter den kleinen Königen zu finden sind. Da nun alle Schrift von Gott eingegeben und nützlich ist zur Belehrung (2Tim 3,16), so werden auch diese Verse, als Vorläufer der endgeschichtlichen Ereignisse, zur rechten Zeit völlig verstanden werden.