Behandelter Abschnitt Dan 11,1-4
Dan 11,1-4 - Daniel erhält weitere Lichtblicke
Aus Kapitel 10 ersahen wir, wie Daniel durch den himmlischen Boten zubereitet und befähigt wurde, die ihm bis dahin noch nicht völlig klaren Gesichte, sowie noch weitere zu verstehen. Nachdem der Prophet gestärkt und wieder aufgerichtet war, sprach er: „Mein Herr möge reden.“
Unmißverständliche Belehrungen. In den Versen 2 bis 4 gibt der Engel ein klares Bild über den Lauf der Dinge, die sich unter den Völkern ereignen werden, hinter welchen unsichtbare Wesen stehen und die Könige beeinflussen. Man denke an Kämpfe wie die in 2Sam 5,24; 2Kön 6,17; Richter 5,20. „Die Wagen Gottes sind Tausende und aber Tausende (Psalm 68,17).
Der Bote sagt zu Daniel: „Ich will dir kundtun, was in dem Buche der Wahrheit verzeichnet ist“ (Kapitel 10, 21). Gott handelt nach bestimmten, von Ihm niedergelegten Grundsätzen und Plänen. Er faßt also nicht Beschlüsse von heut auf morgen wie wir Menschen, noch wird Er überrascht, wenn scheinbar ein Gefäß mißrät (Jer 18). Wenn schon ein David in bezug auf sich selbst sagte: „Alle Tage waren in sein Buch eingetragen, die noch werden sollten“ (Psalm 139,16), wieviel mehr sind dann die Geschichte ganzer Völker lange im voraus göttlich geplant. Und wenn Gottes Wort dir und mir zusichert: „Erwählt vor Grundlegung der Welt“ (Eph 1,3), wer könnte dann Gottes Absicht vereiteln? Seine Beschlüsse sind vor Ihm vollbrachte Tatsachen und irgendwo in Büchern festgelegt. In diesem Sinn haben wir wohl auch das Wort an Daniel zu verstehen. Das ewige Walten des Herrn gibt dem Herzen des Gotteskindes Ruhe und Sicherheit in Prüfungen, in schweren Tagen und in Zeiten größter Not unter den Völkern. Es weiß, alles läuft so genau wie eine Uhr nach dem Gedanken des allweisen Gottes. Der Bote, der zu Daniel gesandt wurde, hatte Einsicht in die Pläne Gottes und teilte sie Daniel mit. In diesem Buch der Wahrheit (Kapitel 10, 21) sind offenbar jene Gesichte aus Kapitel 7 und 8 enthalten, die sich Daniel notiert hatte, deren Sinn er aber, wie schon erwähnt, noch nicht völlig erfaßt hatte, und über deren Inhalt er besonders in Kapitel 9 Verständnis erflehte. Kapitel 11 ist also mehr oder weniger ein Kommentar zu den Kapiteln 7 und 8. Beachten wir, ehe wir in unserer Betrachtung weiter gehen, daß wir es hier mit Israel zu tun haben und nicht mit der Gemeinde Christi. Wer letzteres annimmt, dem müssen die Weissagungen Daniels verschlossen bleiben; er wird vor unlösbaren Rätseln und Schwierigkeiten stehen und zu den unglaublichsten Auslegungen greifen. Vergessen wir auch nicht, daß es sich im Buche Daniel zur Hauptsache um die Endkrisis des Volkes Israel handelt. Was immer man in Unkenntnis der Sache hineingelegt hat, wie z. B. das Papsttum, den Islam oder anderes, mag gut gemeint gewesen sein und ein Notbehelf, bestehende Schwierigkeiten zu überbrücken oder sie zu beseitigen, liegt aber vollständig außerhalb der Gedanken Gottes in diesem Buch. Gott will, daß wir eingeweiht seien in Seine Absichten und läßt uns wissen, wie Er die Erde, auf der wir wohnen, zu regieren gedenkt. Deshalb war auch der Bote gekommen, um Daniel Verständnis zu geben.
Ein kurzer Bericht über das zweite Weltreich (Vers 2). „Siehe, es werden noch drei Könige in Persien aufstehen, und der vierte wird größeren Reichtum erlangen als alle; und wenn er durch seinen Reichtum stark geworden ist, wird er alles gegen das Königreich Griechenland aufregen.“ Was hier dem Daniel gesagt wurde, mußte ihn besonders interessieren, weil er zu der Zeit selbst im zweiten Weltreich lebte und ein treuer Untertan war. Allerdings erlebte Daniel seines hohen Alters wegen den Ausgang bei geweissagten Dinge nicht mehr, aber die Geschichte gibt uns deutliche Belege über die erwähnten drei Könige. Also im dritten Regierungsjahr des Königs Kores erklärte der himmlische Bote dem Daniel, daß außer Kores noch drei Könige aus derselben Dynastie folgen werden. Wir wissen genau wer sie waren; denn sie sind in den Büchern Esra und Esther mit Namen genannt (Esra 4,6, 7,24; Esther 1,1). Der Nachfolger von König Kores war „Ahasveros“, an welchen die Feinde der Juden eine Anklageschrift gegen die Juden geschrieben hatten, um sie am Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels hindern zu können (Esra 4,6.11). Das Schreiben hatte vollen Erfolg und Ahasveros gebot, daß die Arbeiten eingestellt werden sollten. Der Nachfolger Ahasveros hieß Artasasta (Esra 4,7), und der letzte König war Darius (Esra 4,24). Die Weltgeschichte kennt diese Könige unter dem Namen „Kambyses, Pseudo-Smerdes, Darius-Hystaspies und Xerxes, der durch seinen unermeßlichen Reichtum weltbekannt wurde. Er unterlag in einem Kriege gegen Griechenland, und damit fand das zweite, das medo-persische Weltreich, sein Ende. Vers 2 nennt also nochmals dasselbe Gesicht, das Daniel in Kapitel 8 unter dem Widder mit den zwei ungleichen Hörnern sah, und das in Nebukadnezars Standbild die Brust von Silber darstellt (Kapitel 2). Der Umstand, daß also immer wieder Bezug auf Früheres genommen wird, zeigt einmal mehr den ,Zusammenhang der Gesichte und ferner, daß Daniel vorher manches unklar geblieben war.
Der tapfere König (Vers 3-4). „Und ein tapferer König wird aufstehen, und er wird mit großer Macht herrschen und nach seinem Gutdünken handeln. Und sobald er auf gestanden ist, wird sein Reich zertrümmert und nach den vier Winden des Himmels hin zerteilt werden. Aber nicht für seine Nachkommen wird es sein; denn sein Reich wird zerstört und andern zuteil werden.“ Auch in diesen Versen wird nochmals das bereits zweimal erwähnte griechische Weltreich Alexanders genannt, dargestellt in Kapitel 8 unter dem Bilde des ,,Ziegenbocks mit dem großen Horn, mit dem er den Widder erbarmungslos zu Boben legte und in Kapitel 2 versinnbildlicht ist durch den Bauch und die Lenden von Kupfer. Der tapfere, heldenmütige König ist Alexander der Große, den wir bereits kennen lernten. Vers '4 weist nochmals auf sein schnelles Ende und auf seine Nachfolger hin. Bei seinem Tode teilten sich seine vier bedeutendsten Generale das Reich. Zwei dieser Reiche erhielten besondere Bedeutung für das Volk der Juden, nämlich das der Seleuciden in Syrien und das der Ptolomäer in Ägypten.
In den folgenden Versen finden wir zweifellos Hindeutungen auf die Endzeit. Die Deutung der Weissagungen über Vers 5 hinaus erachten einige Schriftaugleger als schon erfüllt, während andere sie noch unerfüllt sehen wollen. Wir lassen auch hier wieder beide Meinungen folgen und der Leser wolle sich selbst ein Urteil bilden.