Vorwort und Geleit
Es ist mir eine große Freude, zum zweiten Band der „Skizzen über die Psalmen“ ein Geleitwort zu schreiben. Mit Spannung erwartete man diese Fortsetzung des ersten Bandes, der in weiten Kreisen einen guten Eingang und ein dankbares Echo gefunden hat.
Es ist das Verdienst des Verfassers, in unserer Zeit, in der alles in den Schmelztiegel kommt jede Überlieferung und Erfahrung des Glaubens dem scharfen Schwert der Kritik unterworfen wird und der Wind der Änderung überall weht, deutlich zu machen, dass Gott, der Lebendige, uns Menschen auch heute etwas Entscheidendes zu sagen hat. Viel hören wir heute von der Predigtnot, von geistlicher Desorientiertheit, von der drohenden Gefahr der Oberflächlichkeit und vom Schwund der Glaubenssubstanz. Manche Mitmenschen sind enttäuscht darüber, weil bisherige verantwortliche Entscheidungsträger in Theologie, Kirche, Freikirche und Gemeinschaft zusammengebrochen sind, und sie suchen im zunehmenden Gefälle Orientierungshilfe und Halt.
Georg Brinke, der begnadete praktische Bibelausleger, zeigt in diesem Buch, wie die Bibel dem Menschen wieder zum entscheidenden Erlebnis werden kann, wenn er die Mühe nicht scheut, den Zugang zu ihr ernsthaft zu suchen. In diesen „Skizzen über die Psalmen“ strahlt Gottes Wort auf, das, praktisch ausgelegt und methodisch gut dargestellt, hilft, verschüttete Fundamente freizulegen und zu einem überlegenen Glauben zu kommen im Wissen um das Ergriffensein von der Macht und Gnade Gottes.
Das Buch, wie den ersten Band, wünscht man in die Hand aller, die in Predigten, Bibelstunden, Bibelbesprechstunden und Hausbibelkreisen im Verkündigungsdienst des Evangeliums mithelfen. Auch als Andachtsbuch, das die großen biblischen Zusammenhänge aufzeigt, ist es eine Fundgrube und gibt reiche Anregungen und Hilfeleistung zur Weiterarbeit für das persönliche Bibelstudium.
St. Chrischona, im August 1971
Edgar Schmid, Direktor
Bemerkungen des Verfassers
Mit vielem Dank zum Herrn blicke ich zurück auf den ersten Band der „Skizzen über die Psalmen“. Keines meiner vielen Bücher hat so großen Absatz gefunden wie dieses. Nun ist es mir eine besondere Freude, den zweiten Band herauszugeben. Leider weist er viele Mängel auf; denn unter schwerer Krankheit und oft heftigen Schmerzen durfte ich ihn fertig schreiben. Einige Monate musste ich die Arbeit ganz unterbrechen. Eine Reihe der Psalmen sind aus früheren Bibelstunden und aus Ährenlese und tragen mehr erbaulichen Charakter. Ich schreibe nicht für Theologen, sondern für einfache Bibelleser, um ihnen die Kostbarkeiten der Psalmen lieb zumachen, was auch viele Leser bestätigt haben.
Hier möchte ich auch vielen Betern danken, die mir in ihrer Fürbitte beigestanden sind. Ebenso denen, die die Korrekturen gelesen haben, was mir wegen großer Schmerzen kaum möglich war. Der Herr sei allen Mithelfern ein reicher Belohner.
Möge auch der zweite Band vielen zum Segen gereichen!
Der Verfasser.
Ein Überblick über Psalm 73
Dieser Psalm gehört zu den meistgelesenen des Buches. Er stammt aus der Feder des Lobsängers Asaph und hat Tausenden von Gotteskindern den Weg aus inneren Nöten herausgewiesen. Zermürbt und enttäuscht lag er am Boden wie einst Elias (1. Könige 19). Er lechzt nach Gemeinschaft mit Gott wie ein Hirsch nach frischem Wasser. Bis heute gelingt es Satan, Männer wie Asaph, David und andere, die Lobsänger, Anbeter und Propheten waren, zum Unterliegen zu bringen (2Chr 29,30; Apg 2,30). Wie gelang ihm das? Er lenkte ihre Blicke auf den Wohlstand der Gottlosen und wie ihnen alles gelingt, der Gläubige dagegen schwer leidet. Wie ist das mit der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes zu vereinbaren? Der Herr aber, der in ihnen das gute Werk angefangen hat, vollendet es und hilft ihnen zurecht. Die folgenden Verse geben uns die Erklärung:
Fürwahr, Gott ist Israel gut, oder: Israel hat dennoch Gott zum Trost (V. 1-3). Diese Erkenntnis konnte ihm angesichts seiner innern Verirrung nur der Heilige Geist geschenkt haben. Zu wem ist Gott gut? Zu denen, die reinen Herzens sind und mit Gott wandeln. Er ist gütig gegen die Seinen (Joh 13,1). Er vergisst auch die andern nicht (Mt 5,45). Vorübergehend macht es Asaph den Anschein als widerstehe ihm Gott. Letzte Woche klagte mit eine Mutter, dass ihr Sohn, der manches Jahr mit Gott wandelte und wirkte, aber von Missgeschicken überhäuft wurde, abgewichen sei und sogar seine Bibel verbrannt habe. Ähnlich war es kurze Zeit bei Asaph. Er sann nicht über die Schrift nach, sonst hätte er gleich in den ersten Berichten der Bibel Ruhe gefunden, angefangen bei Abel, dessen Blut zu Gott schrie und der das erste Vorbild auf den Meistleidenden, auf Jesus, ist. Das Blut beider sprach vor Gott (Heb 12,24). Asaph las nicht die Geschichte der Flut oder die Geschichte Sodoms, da Gott den Gerechten ehrte und den Gottlosen umbrachte. Asaph ging durch eine schwere Krise. Zu allen Zeiten gingen viele treue Knechte Gottes durch ähnliche Nöte (1Pet 2,21). Man denke an die Märtyrer (Heb 11,36-38), an diejenigen in Gefängnissen, an Männer wie Joseph, Daniel und seine drei Freunde, an Johannes, den Täufer (Mt 11. 2‑6).
Eine Beschreibung der erfolgreichen Gottlosen (V. 4‑9). Asaph zählt sieben Sünden auf, die der Gottlose begeht und scheinbar ungestraft bleibt. Die Gottlosen sind mit sich selber zufrieden und haben Gelingen. Ihr Wohlstand häuft sich, obwohl sie Gott .nicht kennen, noch Ihm danken. Das sehen wir auch in unserer Zeit. Man lese, was Paulus darüber schreibt (2Tim 3,1-13). Lies dazu die nächsten Verse (14‑17).
Die Wirkung solcher Beobachtungen auf viele Gläubige (V. 10 -14). Sie lassen sich durch das ständige Gedeihen des Gottlosen blenden, was sie unglücklich macht. Asaph, dem es schwer geht, fragt sich: „Habe ich denn umsonst Gott gedient?“ Bis heute unterliegen Gläubige der gleichen Versuchung. Manche meinen wie Asaph, ihre Bemühungen, Gott zu dienen, seien nutzlos und würden schlecht belohnt. Was soll der Gläubige machen? In das Heiligtum gehen.
Die Lösung des Problems (V. 15‑20). Asaph wagte nicht zu reden wie die Gottlosen, obwohl er dazu versucht ward. In Vers 15 sagt er: „Wenn ich ebenso redete, dann wäre ich untreu.“ Die Not wächst über sein Haupt; aber wie kann er sie überwinden?
Im Heiligtum. Asaph handelte wie später der König Hiskia, der mit dem Schmähbrief, der gegen ihn und Juda gerichtet war, in das Heiligtum ging und ihn sozusagen Gott zur Beantwortung vorlegte (2. Könige 19). Im Heiligtum sieht der Gläubige das Dunkel so, wie Gott es ansieht, und es wird licht. Dort ist er erschüttert, wenn er sieht, wie der Gottlose endet, in das ewige Verderben hinabstürzt und sein Aufgehäuftes einem Trümmerhaufen gleicht. Er ist ein Narr (Lk 12,20) und gleicht dem Manne in Lukas 16,23. Im Heiligtum hat jedes Prahlen ein Ende. Lasst uns fleißig in das Heiligtum gehen, denn dort erhalten wir Antwort und Trost auf alle Fragen.
Asaphs Bekenntnis und Lobgesang in Vers 11-26 sind erstaunliche Worte! Er dankt für die Erkenntnis, die ihm im Heiligtum geworden ist und bekennt seine Torheit in Vers 22 (2Kor 4,18).
Asaphs fester Entschluss (V. 23 -26). Er will in allem Ungemach dem Herrn anhangen. Wie Mose schaut er auf das herrliche Ende (Heb 11,24-26). Auf das Ende blicken ist schon hier Seligkeit (Phil 3,20-21). Jetzt kennt Asaph nur einen auf Erden und auch nur einen im Himmel, den treuen Gott. Man lese oft Kapitel wie Kolosser 1 oder Hebräer 1. Da bekommen wir ein Bild von dem, bei dem wir bald allezeit sein werden.
Der reiche Schluss des Psalmes (V. 22 -28). Er ist ein Summa Summarum des Vorangegangenen. Er hebt nochmals den Kontrast zwischen dem Gerechten und Gottlosen hervor, nämlich beider Ende (Ps 39,4). Gott richtet die Gottlosen mit ewiger Strafe, aber Er krönt Seine Heiligen schon hier (Ps 103,4) und am Ende mit der Krone der Gerechtigkeit (2Tim 4,8). In Vers 28 hebt Asaph noch dreierlei hervor: den Segen derer, die Gott suchen; die Sicherheit aller, die Gott vertrauen und die all Sein Tun und Seine Werke verkündigen.
Das ist das Sehnen aller, die wieder in Gemeinschaft mit Gott stehen.
Ein dankbarer Rückblick Psalm 73,1 „Fürwahr, Gott ist Israel gut, denen, die reinen Herzens sind.“ Da: ist ein würdiges Lob gleich zu Anfang des dritten Buches der Psalmen. Die Psalmen bestehen bekanntlich aus fünf Büchern. Diese erste Psalm des dritten Buches ist von Asaph geschrieben, wie noch viele andere. Er war Komponist und Dirigent des großen Chors in Israel. Nach 1Chr 23,3-5 waren die 24 000 Leviten in verschiedene Abteilungen eingeteilt, und eine davon, viertausend Mann, waren die Sänger, die besonders an den sieben Festen den Herrn lobten. Josaphat schickte sie im Streit vor dem Heer her, und sie sangen Psalmen im Glauben an den Sieg (2Chr 20,21). Ihr Glaube wurde reich belohnt. Gott schenkte einen großen Sieg. Der Glaube siegt stets! Zwei Namen stehen voran: Gott und Israel.
Gott. Sein Name war Israel von der Schrift bekannt. Vom ersten bis zum letzten Blatt ist Er der Handelnde. Vor allem ist Er es in der Schöpfung und in der Erlösung. Und in Seinen unzählbaren Wohltaten. Er bleibt selbst den Untreuen treu (Klagelieder 3,22.23; 2Tim 2,13).
Israel. Diesen Namen „Gotteskämpfer“ erhielt Jakob am Jabbok, als er die ganze Nacht mit Gott rang, innerlich zusammenbrach, aber als neuer Mensch aufstand und diesen erhabenen, schönen Namen und Titel erhielt (1. Mose 32,28). Was Jakob dort wurde, sollte da! ganze Volk werden. Paulus klagte: Nicht alle, die aus Israel sind sind Israel (Röm 2,28.29; 9,6). Dasselbe sagt der Herr in Johannes 8,37-44. Genauso ist es in der heutigen Christenheit (Mt 7 2123; Lk 13,25; 1Kor 13,1.2; 2Tim 2,19). Aber Gott hat Sein Volk nicht verworfen, vielmehr wird Er es zum Segensträger der ganzen Welt machen, wie Er es Abraham zugesagt hat (l. Mose 12, 3). Aus Seinem Volk kam der Christus, der für alle starb (Röm 9,4.5).
Ein Rückblick. Asaph sagt: „Gott ist Israel gut.“ Das wusste er aus der Erwählung Israels. Dankerfüllten Herzens denkt er an Gottes Erbarmen über Sein Volk, während es unter der Knechtschaft Pharaos litt (2. Mose 3,7.8) und Er sie auf Grund des Blutes des Passahlammes herausführte, sowie durch mächtige Zeichen und Wunder (2. Mose 12; Eph 1,6.7). Er denkt an das viele Versagen Israels und dass Gott Sein Volk nie verließ (Röm 11,1; Ps 90,14.15; 103,17; Mal 3,6). Er mag an Gottes Führung durch die Wolkensäule während der Wüstenwanderung bis hinüber in das Land der Verheißung gedacht haben sowie an die liebevolle, väterliche Versorgung. Täglich erhielt Israel das Manna, selbst in Zeiten der Untreue blieb es nicht aus. Asaph mag sich auch an die vielen Gebetserhörungen in Niederlagen erinnert haben, die es seiner Sünde wegen durch die Feinde erlitt. Aber auf ihre Buße und ihr Schreien zu Gott hin erbarmte Er sich ihrer und rettete sie. Asaph sah Gottes großes Erbarmen, das jeden Morgen neu war. Genau so ist es bis heute. Der ist unser Gott, der sich derselbe gestern, heute und in Ewigkeit nennt und sich stets Seines Bundes erinnert (Heb 13,8).
Welchen ist Gott gut? Der Psalmist antwortet: „Denen, die reines Herzens sind.“ Wir wissen es aus eigener Erfahrung, wie unrein das Herz ist, besonders aber aus der Schrift, wie böse es von Natur ist (1. Mose 6,5; Pred 9,3; Jes 1,6; Jer 17,9), und der Herr bestätigt es in Markus 7,21-23.
Eine herzliche Einladung. Die gab Jesaja einem sündigen Volk in Kapitel 1, 18: „Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Wolle sollen sie werden.“ Gott selbst hat für das Mittel zur Erneuerung und Reinigung des Herzens gesorgt (Tit 3,5). Er hat einen Quell geöffnet wider die Sünde und Unreinigkeit (Sach 13,1). Es ist jener Quell, der aus Jesu Wunden floss, den der unreine Mensch zu seiner Reinigung benützen darf, denn ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung der Sünden (Heb 9,22).
Die Schrift redet viel von Reinigung. Man denke nur an das schöne Vorbild des ehernen Waschbeckens, das vor dem Eingang in das Heiligtum stand, in das die Priester nur mit gewaschenen Händen und Füßen hineingehen durften. Ungewaschene mussten sterben (2. Mose 30,21). Wie hätten sie mit unreinen Händen das Schaubrot genießen können? Das vergessen viele am Tisch des Herrn, und darum sind sie innerlich tot (1Kor 11,29.30).
Die Schrift redet von der Waschung durch das Blut, die wir alle erfahren haben, als wir zum Kreuz kamen. Sie redet aber auch von der Reinigung durch das Wort: „.. . sie reinigend durch das Wort“ (Eph 5,26). Wie geht das zu? Beim Lesen oder Hören des Wortes werden uns Unreinheiten, Mängel aufgedeckt, Unter-lassungssünden, die wir bekennen, und der Herr vergibt sie. Der Herr selbst bittet in Johannes 17,7: „Heilige sie durch die Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit.“ Schon David fragt in Psalm 24,3: „Wer wird stehen an heiliger Stätte? Der unschuldige Hände hat und reines Herzens ist.“ In Jakobus 4,8 befiehlt der Apostel: „Reiniget euch!“ Und wer wird im Himmel sein? „Die ihre Kleider helle gemacht haben im Blute des Lammes“ (1Kor 6,11; Heb 9,14; 1Joh 1,9). Und wiederum lesen wir in Offenbarung 21,27, dass droben nichts Gemeines eingehen werde, sondern nur die, deren Namen im Buch des Lebens stehen. Denken wir an das eine wichtige Wort: „Ohne Heiligung wird niemand den Herrn schauen“ (Heb 12,10.14).