Behandelter Abschnitt Ps 1,1-2
Vorwort
Mancher Leser mag sich fragen: wozu sind noch Skizzen über die Psalmen nötig, da ein so wertvolles Werk von Spurgeon „Die Schatzkammer Davids“ besteht. Dem sei gesagt, dass es sich hier nicht um eine theologische Auslegung, sondern um kurze praktische Abhandlungen für einfache Leser handelt. Zu allen Zeiten waren die Psalmen das meistgelesene Buch der Bibel, besonders in Notzeiten. Luther nannte sie sein Schatzkästlein und verteidigte sie vor Kaiser und Kardinälen. Männer wie z. B. Johannes Huß sprach sie noch auf dem Scheiterhaufen. Kirchenväter sangen sie auf dem Sterbebett. Auffallend ist, dass sie der Herr von allen Büchern der Schrift am meisten zitierte. Pharisäer, die Ihm Fallen stellten, brachte er durch Psalmworte zum Schweigen. Am letzten Abend seines Erdenlebens sang er mit den Jüngern einen Lobgesang. Besonders aber erwähnte sie der Herr in den sieben Worten am Kreuz und nach Seiner Auferstehung den traurigen Emmausjüngern. Er machte ihre Herzen durch Psalmen brennend. Auch die Apostel zitierten sie. Petrus bewies durch sie die Auferstehung und Paulus die Himmelfahrt des Herrn. Und was mir oft in schweren Zeiten die Psalmen an Aufmunterung waren, möchte ich gern anderen hinterlassen. Was richtete mich oft auf, wenn ich spät niedergeschlagen heimkam: ein Psalm!
Neben schlichten Auslegungen sind viele Einzeltexte behandelt. Sie stammen aus Predigten oder Bibelstunden von bis zu 50 Jahren zurück.
Bitte übersehen Sie die mancherlei Mängel; aber mit 84 Jahren lässt oft die Spannkraft nach. Dabei aber darf man umso mehr Jesaja 40,31 erleben.
Sollte der Herr mir noch einige Zeit schenken, so hoffe ich noch über die Psalm 73 bis 150 zu schreiben. Für Ihre Mithilfe im Gebet bin ich sehr dankbar!
Möge der Herr durch diese schlichte Arbeit viele segnen und stärken und solchen den Weg zur Buße weisen, die gefallen sind. Das walte Gott!
Der Herausgeber
1. Auflage Bern, Juni 1970
Der Gerechte oder Gottselige Psalm 1
Der erste Psalm beginnt mit dem vielsagenden Wort glückselig. Es kommt in den Psalm 25 mal vor. Luther übersetzt mit „wohl dem“, die Elberfelder-Übersetzung schreibt glückselig. Dem Glückseligen ist es immer wohl, selbst in Leiden rühmt er den Herrn (Neh 8,10; Röm 5,3). Wir werden uns ferner des Ausdrucks „glückselig“ bedienen.
Der Psalm zerfällt in zwei Teile. Die Verse 1 bis 3 beschreiben den Gerechten oder den Gottseligen. Die Verse 4 bis 6 schildern den Gottlosen oder Gesetzlosen. Von Natur sind beide gottlos; denn da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer (Röm 3,10-12). Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch (Joh 3,6; Ps 51,7). Gerecht wird der Mensch nur durch den Glauben an Christus Jesus, an Sein Opfer auf Golgatha. Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht (Joh 3,36) und ist gerecht.
Wem gilt dieser Psalm? Die Verse 1 bis 3 beziehen sich zunächst auf unsern Herrn. Er ist der einzig Gerechte, der Vollkommene (Heb 7,26; 9,14). Er allein ist es, der Seine Lust nur am Wort Gottes hatte (Ps 40,7.8). Der Herr kam als Diener in die Welt. Seine Speise war das Wort (Joh 4,34), den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte. Der Herr selbst ist in diesem Psalm der Baum, der immer grünt und nie aufhört Früchte zu tragen (Jer 17,8).
Eine Beschreibung des wahren Gerechten oder Glückseligen. Es gibt eine wahre Glückseligkeit, wie sie Jesus in Matthäus 5,1 bis 12 nennt. Beachten wir drei Punkte, was der Gerechte nicht tut.
Er wandelt nicht im Rat der Gesetzlosen. Er hat sie samt der Welt verlassen, er lässt sich nicht mehr von ihnen beraten, weil sie unter dem Einfluss Satans, des Fürsten der Welt stehen. Sein Ratgeber ist der Herr (Ps 119,105). „Du leitest mich nach Deinem Rat“ (Ps 73,24). Der Gerechte lässt sich auch nicht von seinen Empfindungen oder Gefühlen leiten, sondern von den Augen des Herrn (Ps 32,8). Er hört nicht auf die Frage der Schlange, wie Eva: „Sollte Gott gesagt haben“», sondern handelt wie Joseph (1Mo 39,12).
Er tritt nicht auf den Weg der Sünder. Er hat den breiten Weg verlassen und folgt dem Lamme nach, wohin es geht (Off 14,4). Er ist auf dem Wege, der Jesus heißt (Joh 14,6). Er hat ein neues Lebensziel, eine neue Aufgabe wie Saulus (Apg 9,15): dem lebendigen Gott zu dienen (l. Thess. 1, 9).
Er sitzt nicht da, wo die Spötter sitzen. Nicht wie Lot, der bei den Gottlosen im Tore Sodoms saß und Schaden litt. Unter den Gottlosen saß Petrus kurze Zeit und ging mit blutendem Herzen davon (Mt 26,75).
Der Weg des Gerechten. Eben sahen wir das Negative dessen, was der Gerechte nicht tut. Wiederum wird dreierlei genannt was er ist und tut.
Er hat seine Lust, seine Freude am Gesetz Gottes, es ist tief im inneren seines Herzens (Ps 40,8). Das Wort ist für ihn bindend, es ist ihm zum Gesetz geworden, wie dem Herrn selbst.
Der Psalmist liebte das Wort, er sagt, dass es ihm köstlicher sei als Feingold (Ps 19,10). Wer den Herrn liebt, hält Sein Wort (Joh 14,23.24). Das Wort allein ist des Gerechten Ratgeber, darum kann er nicht fehlgehen. In Psalm 119,9 lesen wir: „Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält nach Deinem Wort.“. Das Wort allein ist sein Ratgeber (Ps 16,7; 73,24) und führt ihn zum Erfolg (Jos 1,8). Es ist seine tägliche Speise, wie dem Volk Israel das Manna, das es frühmorgens sammelte (2Mo 16). Er liebt und bewahrt es wie Maria im Herzen (Lk 2,19).
Die volle Befriedigung des Gerechten. Er wird glückselig genannt und mit einem saftigen, grünen Baum verglichen. Schon sein Ansehen erfreut den Wanderer, der gern unter seinem Schatten ruht. Das sagt die Schrift auch von Joseph in 1. Mose 49,22 bis 26. Kinder Gottes sind bestimmt viel Frucht zu bringen (Joh 15,8). Der Gerechte gleicht nicht dem Rohr, vom Winde umhergetrieben, sondern einem Baum, der seine Wurzeln am Bach ausstreckt, er ist wie wir in Eph 3,17 lesen gewurzelt und gegründet. Blumen welken, aber der Baum bleibt grün (V. 3). Ein Baum wächst, und das soll auch der Gläubige. Warum wachsen so viele nicht? Weil sie sich nicht am Wort nähren (1Pet 2,2).
Der Baum am Bach ist unabhängig von Tau und Regen. Die drei Jünglinge in Babylon wuchsen und standen fest, weil sie an Wasserbächen gepflanzt waren (Dan 1; Joh 15,4). In Jeremia 17,8 beschreibt ihn der Prophet in belehrender Weise: Gepflanzt an Wasserbächen, der seine Wurzeln ausstreckt und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt. Sein Laub bleibt grün. Im Jahr der Dürre ist er unbekümmert und hört nicht auf, Früchte zu tragen (Ps 80,8; Jes 5,1). Wir glichen dem wilden Ölbaum und sind in den fruchtbaren eingepfropft (Röm 11,24).
Er bringt dauernd Frucht, mehr, viel, ja bleibende Frucht (Joh 15). Er ist treu im Bekenntnis: seine Blätter sind immer grün, als Ausdruck seiner Schönheit und Gattung.
Er hat ganzes Gelingen. Zeige dem Weltmensch den Weg zum irdischen Gewinn, er wird dir danken und ihn gehen. Aber handeln wir ähnlich im geistlichen Leben? Man denke an Männer, wie Josua, die ihre Wurzeln nach dem Wort ausstreckten, darum so fruchtbar waren und von Sieg zu Sieg schritten (Jos 1,8; 1. Mose 39,23). Gott segnet den Gerechten in all seinem Unternehmen (Ps 27,3-6), so dass ihm selbst das Schwere zum Besten dient (Röm 8,28).
aus „Ährenlese“