Phil 4,4: Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!
Der Apostel kehrt jetzt zu den praktischen Ermahnungen zurück, die an die Gläubigen hinsichtlich des täglichen Lebens gerichtet werden. So sollten sie sich ihrer himmlischen Berufung gemäß verhalten. „Freut euch in dem Herrn“ (Phil 4,4). Wenn er auch über viele weint, die sich Christen nennen, so freut er sich doch allezeit in dem Herrn. In Ihm findet er das, was durch nichts verändert werden kann. Das ist nicht Gleichgültigkeit dem Schmerz gegenüber – sie würde das Weinen verhindern –, sondern in Christus ist für ihn eine Quelle der Freude. Diese Quelle erweitert sich sogar, wenn Betrübnis vorhanden ist, weil sie unveränderlich ist, und sie wird sogar umso reiner im Herzen, je mehr sie allein das Herz ausfüllt; und sie ist in sich selbst die einzige Quelle, die endlos rein ist. Wenn nun Christus diese einzige Quelle für uns ist, so lieben wir in Ihm alle, die sein sind. Wenn wir dieselben neben Ihm lieben, so verlieren wir etwas von Ihm. Wenn wir durch Herzensübungen von allen anderen Quellen entwöhnt sind, so bleibt die Freude in Ihm in ihrer ganzen Reinheit übrig. Dann hat unsere Zuneigung zu anderen teil an dieser Reinheit. Nichts trübt auch diese Freude, weil Christus sich nie verändert. Je mehr wir Ihn kennen, desto mehr sind wir fähig, das zu genießen, was durch die Erkenntnis seiner Person immer an Ausdehnung zunimmt. Aber der Apostel ermuntert die Christen, sich zu freuen, denn dadurch legen sie ein Zeugnis für den Wert Christi ab. Es ist ihre wahre Stellung. Vier Jahre Gefängnis, an einen Kriegsknecht gekettet, das alles hatte ihn nicht verhindert, sich zu freuen und andere ermuntern zu können, die sich in angenehmeren Verhältnissen befanden als er.
Phil 4,4: Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!
Wer war fähig, so zu reden? War es der Mann, der im dritten Himmel gewesen war? Nein, es war der Gefangene zu Rom. Das hieß, sich allezeit im Herrn freuen, wie auch der Psalmist sagt: „Den HERRN will ich preisen allezeit“ (Ps 34,2). Wenn ich den Herrn als den Gegenstand meines Herzens habe, so ist im Gefängnis mehr vom Himmel zu finden als außerhalb des Gefängnisses: Nicht die grünen Auen und die Wasser der Ruhe erquicken die Seele; die Freude meines Herzens besteht darin, dass „der Herr mein Hirte“ ist; sie besteht nicht in den grünen Auen, obwohl sie sehr schön sind. Und wenn ich mich von diesen entfernt haben sollte, so „erquickt er meine Seele“. Ist der Tod auf meinem Weg, so fürchte ich ihn nicht, denn „du bist bei mir“. Bin ich von schrecklichen Feinden umgeben, so ist mir angesichts ihrer ein Tisch bereitet. Und jetzt heißt es: „Mein Becher fließt über.“ Mein Hirte führt mich durch alle Schwierigkeiten und Prüfungen meiner Schwachheit hindurch und legt die Worte in meinen Mund: „Nur Güte und Huld werden mir folgen alle Tage meines Lebens; und ich werde wohnen im Haus des HERRN auf immerdar“ (Ps 23,6).
Je größer die Trübsal desjenigen ist, der auf den Herrn vertraut, in umso reichlicherem Maß macht er die Erfahrung, dass alles zum Guten mitwirkt. Paulus konnte sagen: Ich kenne als ein Freier den Herrn und ich kenne Ihn als ein Gefangener. – Er war ihm genügend, sowohl wenn er Mangel litt als auch wenn er Überfluss hatte. Deshalb sagt er: „Freut euch in dem Herrn allezeit.“ Was konnte man einem solchen Menschen zufügen? Tötete man ihn, so schickte man ihn in den Himmel; ließ man ihn frei, so war er mit aller Hingabe bemüht, Seelen zu Christus zu führen, dessen Namen man auszurotten suchte.
Es ist schwieriger, sich im Wohlergehen im Herrn zu freuen als in den Trübsalen, denn die Trübsale werfen uns auf den Herrn. Die Gefahr ist größer für uns, wenn keine Trübsale vorhanden sind. Doch die Freude im Herrn befreit uns völlig von der Macht der gegenwärtigen Dinge. Wenn Gott uns unserer Stützen beraubt, dann erst gewahren wir, wie sehr selbst die Geistlichsten unter uns sich darauf verlassen haben. Freuen wir uns aber allezeit in dem Herrn, so besitzen wir eine Kraft, die uns nie genommen werden kann.