Behandelter Abschnitt Phil 3,12-14
Phil 3,12-14: Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eines aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.
Wenn nun aber die Auferstehung und das Gleichsein mit Christus in der Herrlichkeit der Gegenstand der Hoffnung des Apostels ausmachten, so ist sehr deutlich, dass er sie noch nicht erreicht hatte. Wenn das seine Vollendung bedeutete, so konnte er noch nicht vollendet sein. Er war, wie gesagt, auf dem Weg dahin. Aber Christus hatte ihn dazu ergriffen und er streckte sich stets aus, um den Kampfpreis zu ergreifen, den zu genießen Christus ihn ergriffen hatte. Nein, wiederholt er seinen Brüdern, ich halte mich selbst nicht dafür, es ergriffen zu haben. Aber eines konnte er wenigstens sagen: Er vergaß alles, was dahinten war, und jagte, das vorgesteckte Ziel immer anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes, der sich im Himmel befindet. Glücklicher Christ! Es ist etwas Großes, das nie aus den Augen zu verlieren, nie ein geteiltes Herz zu haben, nur an eines zu denken. Der Heilige Geist hilft uns dabei. Er schenkt uns die Kraft dazu. Er bewirkt das in dem neuen Menschen. Er leitet ihn zu diesem einzigen und himmlischen Gegenstand. Der Apostel denkt nicht eigentlich an seine Sünden, wenn er sagt: „Vergessen, was dahinten ist“ – es waren vielmehr seine Fortschritte, die er vergaß, seine Vorzüge, alles, was schon hinter ihm lag. Und diese Energie hatte sich nicht nur bei den ersten tiefen Regungen kundgetan, als er den Herrn kennenlernte; er achtete jetzt immer noch alles für Dreck, weil er Christus stets vor Augen hatte. Das ist wahres christliches Leben. Welch eine traurige Sache wäre es für Rebekka gewesen, wenn sie auf ihrer Wüstenreise unter Eliesers Führung Isaak vergessen und wieder angefangen hätte, an Bethuel und an das Haus ihres Vaters zu denken! Was hätte sie dann in der Wüste bei Elieser gehabt? So ist das wahre Leben, die wahre Stellung des Christen: wie bei den Israeliten, die sich – obwohl sie durch das Blut an den Türpfosten vor dem Würgeengel geschützt waren – nicht eher an ihrem wahren Platz befanden, bis sie als ein befreites Volk jenseits des Roten Meeres standen. Dann betraten sie als Gott angehörend den Weg nach Kanaan.
Behandelter Abschnitt Phil 3,12-14
Phil 3,12-14: 12 Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, 14 jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.
Wir sehen hier die unmittelbare Verbindung des Gegenstandes mit der gegenwärtigen Wirkung. Paulus wünschte, Christus jetzt ähnlich zu sein, nicht nur wenn sein Leib im Grab und sein Geist im Paradies sein würde. Sollte er sterben, so wusste er, dass er Ihm dann gleich sein würde; doch das, was er für jetzt suchte, war nicht, dem Bild des Sohnes Gottes in der Herrlichkeit gleichförmig zu sein. Sicher sollte ihm dieses zuteilwerden; aber ich werde erst dann dahin gelangen, wenn Christus kommt und die Toten auferweckt. Darauf warte ich; ich bin mir bewusst, dass ich es hier nie erreichen werde, aber ich warte darauf, und so werde ich Christus von Tag zu Tag ähnlicher, indem ich in der Kraft der Liebe leide, in der Er dem Vater gedient hat; und dadurch, dass mein Blick auf Christus in der Herrlichkeit gerichtet ist, werde ich innerlich immer mehr in sein Bild verwandelt (2Kor 3,18). Die einzige Sache, die mich beschäftigt, ist, Ihm in der Herrlichkeit gleich zu sein und bei Ihm zu sein, da, wo Er ist.
Das Leben des Apostels war hierauf gegründet und völlig dadurch gebildet. Der Sohn Gottes bildete Tag für Tag seine Seele, und Paulus eilte unaufhörlich zu Ihm hin; nie tat er etwas anderes. Nicht nur als Apostel, sondern auch als Christ ging Paulus in die Gemeinschaft der Leiden Christi und in die Gleichförmigkeit seines Todes ein, und jeder Christ sollte das tun. Du magst zu mir sagen: „Ich habe Vergebung meiner Sünden.“ Dann frage ich dich: „Was leitet jetzt dein Herz? Ruht dein Auge auf Christ in der Herrlichkeit? Steht die Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu so vor deiner Seele, dass sie alles andere beherrscht und dich alles, was auf dem Weg ist, als Verlust achten lässt? Bist du dahin gelangt? Hat diese vortreffliche Erkenntnis alles andere verbannt? Ich frage nicht, ob du äußerlich tadellos wandelst und sagen kannst: Ich liebe Christus, sondern ob der Gedanke an Christus in der Herrlichkeit alle anderen Dinge verbannt hat. Wenn dies der Fall ist, so wirst du durch die täglichen nichtigen Dinge sicher nicht geleitet werden.“ Ein Arbeiter, der eine Familie hat, wird über seiner Arbeit gewiss nicht die Liebe zu seinen Kindern vergessen; im Gegenteil, wenn seine Arbeit vollendet ist, legt er sein Werk beiseite und kehrt umso freudiger heim, weil er von den Seinen getrennt war. Seine Arbeit hat die Liebe seines Herzens weder gehindert noch geschwächt.
Es gibt aber noch eine andere Gefahr, über die wir zu wachen haben, damit wir in unseren täglichen Verrichtungen Christ gemäß handeln: nämlich die Zerstreuungen. Über diese haben wir ebenso sehr zu wachen wie über die Gegenstände, die uns beeinflussen wollen; unser Herz muss stets von einer eifersüchtigen Liebe für Christus erfüllt sein, sonst tritt augenblickliche Schwachheit ein, und wir haben dann, wenn wir in die Gegenwart Gottes kommen, unser Gewissen zurechtzuweisen, anstatt uns in dem Herrn erfreuen zu können. Es ist wirklich sehr traurig, wenn unser Wandel in der Welt so ist, dass wir bei unserer Rückkehr zu Christus bekennen müssen: Wir haben an Ihn darin nicht gedacht. Können wir sagen, wie Paulus zu Agrippa sagte: „Ich möchte wohl zu Gott beten, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin“? (Apg 26,29). Sind wir glücklich genug, um so sprechen zu können? Freuen wir uns so sehr in dem Herrn, und sehen wir eine solche Vortrefflichkeit in seiner Erkenntnis, dass wir sagen können: „Ich wollte zu Gott, ihr wäret alle wie ich“? Das Bekenntnis unserer Herzen darf nicht nur sein: „Ich habe geachtet“, sondern: „Ich achte.“ Achten unsere Herzen in diesem Augenblick wirklich alles für Verlust? Wir haben über zwei Dinge zu wachen: dass wir außer Christus keinen anderen Gegenstand haben, und dann, dass wir nicht, was noch weit gefährlicher ist, durch Zerstreuung von Ihm abgewandt werden. Der Herr möge unsere Augen mit Augensalbe salben, damit wir Ihn so sehen, dass unsere Herzen von anderen Dingen abgezogen werden und keinen anderen Gegenstand vor sich haben als Ihn allein. Vielleicht müssen wir das Kreuz auf uns nehmen; doch wenn dies der Fall ist, so leiden wir nicht nur, sondern wir leiden stets mit Ihm, wenn auch nicht immer gerade für Ihn. Unser Weg führt durch eine Welt, die sich um Christus nicht kümmert; möge daher unser Auge so fest auf Ihn gerichtet sein, dass wir Ihn als ein Heiligtum haben, als die Kraft und die Energie, die uns hindurchführt. Der Herr gebe – und es ist sein Wohlgefallen, uns zu geben –, dass wir sagen können: „Eines tue ich“; Er gebe uns aufrichtige und eifrige Herzen!
Wir haben bereits oben gesehen, in welcher Weise Christus – wenn das Auge auf Ihn gerichtet ist – den ernsten Vorsatz wachruft, der Herrlichkeit entgegenzueilen. Paulus war hierzu von Christus ergriffen worden; und er wollte Christus in der Herrlichkeit ergreifen. Wir haben ferner gesehen, dass dieser Brief den Christen als einen Wanderer betrachtet, der die Wüste durchschreitet und am Ende seines Weges alles zu finden erwartet. Vergessen wir jedoch nicht, dass der Apostel, da die Kraft der Auferstehung Christi in ihm war, schon die Macht des Lebens besaß und sie in der Herrlichkeit zu besitzen wünschte. Die praktische Folge war, dass er vorwärtseilte wie jemand, der nur die Herrlichkeit im Auge hat. Für ihn gab es nur eine Sache: Christus zu gewinnen und selbst zur Herrlichkeit auferweckt zu werden. Gott hat uns „zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29); aber dies findet seine Erfüllung nicht dann, wenn unsere Leiber im Grab und wir im Paradies sind, sondern „wenn es offenbart werden wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2).
Jedoch ist „unser Wandel“ oder „unser Bürgertum“ jetzt in den Himmeln. Ich möchte hier bemerken, dass weder das eine noch das andere Wort den Sinn des Grundtextes genau wiedergibt. Der griechische Ausdruck bezeichnet unsere bürgerlichen Verhältnisse, wie wir von jemand sagen: Er ist ein Deutscher oder ein Engländer, wenn wir das hervorheben wollen, was ihn kennzeichnet. Was uns kennzeichnet, ist, dass wir im Himmel sind. Deshalb sagt Paulus: „Eines aber tue ich“, indem ich dem herrlichen Ziele entgegeneile; es hat meinem ganzen Leben seine Richtung gegeben: „Ich jage hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“ Für uns gibt es keine andere Vollkommenheit als die in der Herrlichkeit. Sobald ich Christus als den erkannt habe, der herabkam und um unseretwillen gehorsam war bis zum Tod, verstehe ich, dass als Antwort darauf keine Herrlichkeit zu groß ist; denn alles ist die Frucht der Mühsal seiner Seele.
Die Heilige Schrift weiß nichts von einem „Unterpfand seiner Liebe“. Dieser Ausdruck ist, wie ich glaube, irgendeinem Lied entnommen. Wir besitzen das Unterpfand der Herrlichkeit, und die „Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“ (Röm 5,5). Paulus empfand die Macht, die die Herrlichkeit auf seinen Geist ausübte, und in gleicher Weise sind wir berufen, zu laufen; doch nicht alle Christen wissen es. Ist jemand wirklich ein Christ, so muss er das Kreuz als das kennen, wodurch er erlöst worden ist; hingegen weiß er vielleicht nicht, dass er mit Christus eins sein wird in der Herrlichkeit. Die Kinder wissen, dass ihre „Sünden vergeben sind“ (1Joh 2,12); dies zu wissen, ist das gemeinsame Teil aller. Die „Kinder“ kennen den Vater (1Joh 2,14), sie haben den Geist der Kindschaft. Die Vollkommenen in Christus aber, wie der Apostel sie hier nennt, kennen die Verderbtheit ihres eigenen Herzens weit besser und sehen zugleich die vollkommene Liebe Gottes, der Christus auf dem Kreuz für uns dahingegeben hat; eine Liebe, die zu dem Sünder in seinen Sünden herabkam. Sie wissen nicht nur, dass sie Vergebung ihrer Sünden haben, sondern auch, dass sie als Kinder Adams völlig beseitigt sind. Die „Kinder“ wissen dies nicht; sie wissen nicht, dass sie, was ihre adamitische Natur betrifft, gänzlich beiseitegesetzt sind. Die alte Natur ist für den Glauben tot, und „wenn der Christus, der unser Leben ist, offenbart werden wird, dann werden auch wir mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Und diesen Platz hat der Glaube schon jetzt. „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden …, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Das ist der vollkommene Mensch, von dem der Apostel spricht, wenn er sagt: