Behandelter Abschnitt Eph 1,1-2
Einleitung
Der Brief an die Epheser stellt uns in der ausführlichsten Weise sowohl die persönlichen Segnungen der Heiligen als auch die gemeinschaftlichen Segnungen der Versammlung vor. Zugleich legt uns dieser Brief die Ratschlüsse Gottes im Blick auf die Herrlichkeit Christi dar. Christus Selbst wird als derjenige betrachtet, der als das Haupt der Versammlung alle Dinge in eins zusammenbringen und unter Seiner Hand bewahren wird.
Wir sehen hier, dass die Versammlung in die innigste Beziehung zu Christus gebracht worden ist, genauso wie das auf die einzelnen Glieder, die zusammen die Versammlung bilden, in ihren persönlichen Beziehungen zum Vater Selbst zutrifft. Die Versammlung wird in ihrer himmlischen Stellung gesehen, die ihr durch die souveräne Gnade Gottes geschenkt worden ist.
Eph 1,1.2: Paulus, Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen, den Heiligen und Treuen in Christo Jesu, die in Ephesus sind: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Zwei Beziehungen zu Gott: Gott und Vater des Herrn Jesus
Diese Wege der Gnade mit der Versammlung offenbaren zwei verschiedene Charakterzüge Gottes selbst: einmal im Zusammenhang mit Christus, aber auch in Verbindung mit den Christen. Gott ist der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er ist der Gott Christi – dann wird Christus als Mensch gesehen. Er ist aber auch der Vater Christi – dann wird Christus als Sohn Seiner Liebe gesehen. In Verbindung mit dem ersten Charakter – der Beziehung Gottes zu Christus – wird die Natur Gottes offenbart. Der zweite Charakter – die Beziehung Gottes zu den Gläubigen – zeigt die innige Beziehung, die wir mit dem genießen, der Sich als unser Vater offenbart hat. Diese Beziehung ist von der gleichen Würde wie die Beziehung Christi Selbst mit dem Vater.
Diese Beziehungen zum Vater und auch zu Christus – wir sind Sein Leib und Seine Braut – stellen die Quelle des persönlichen Segens der Heiligen und des gemeinsamen Segens der Versammlung Gottes dar. Es ist die Gnade, die uns zu Gliedern der Versammlung zusammengefügt hat.
Der Brief richtet sich an Heilige und Treue – sie bekommen Gnade und Frieden
Schon der Aufbau des Briefes zeigt uns, wie das Herz des Apostels erfüllt war von dem Bewusstsein des Segens, der der Versammlung gehört. Nachdem Paulus den Heiligen und Treuen1 in Ephesus Gnade und Friede gewünscht hat vonseiten Gottes, des Vaters der wahren Christen, und vonseiten Jesu Christi, ihres Herrn, beginnt er sofort damit, von den Segnungen zu sprechen, an denen alle Glieder Christi Anteil haben. Sein Herz ist erfüllt von dem Reichtum der Gnade. Und tatsächlich machte der Zustand der Gläubigen in Ephesus keine weiteren speziellen, ermahnenden Bemerkungen nötig.
Es ist die Nähe des Herzens zu Gott, die eine Schlichtheit hervorbringt und uns fähig macht, die Segnungen Gottes in aller Einfachheit so zu genießen, wie Gott selbst uns diese Segnungen geschenkt hat. Denn sie fließen in ihrer ganzen Vorzüglichkeit aus Seinem Herzen hervor, damit wir sie in Gemeinschaft mit dem genießen können, der sie uns gegeben hat. Sie werden somit nicht an den Zustand derjenigen angepasst, denen die Segnungen geschenkt worden sind, oder in einer Art und Weise mitgeteilt, die nur einen Teil der Segnungen offenbarte, weil die Seele unfähig wäre, mehr aufzunehmen. Es ist wirklich so, dass ein Leben in der Nähe Gottes voller Schlichtheit ist. Und das ganze Ausmaß Seiner Gnade und unserer Segnungen entfaltet sich, wie es in Ihm gefunden wird.
Gemeinschaft mit Gott – wenn wir Fehler begehen
Es ist mir wichtig, kurz auf zwei Dinge hinzuweisen:
Die moralische Intimität der Seele mit Gott und die Gemeinschaft mit Ihm sind die einzigen Mittel, um wirklich zu wachsen in der Erkenntnis Seiner Wege und der Segnungen, die Er Seinen Kindern geschenkt hat. Denn nur in dieser Haltung können wir sie wirklich verstehen; nur so sind wir moralisch dazu in der Lage. Jedes Verhalten, das nicht dieser Nähe Gottes entspricht, jeder leichtfertige Gedanke, der sich nicht mit Seiner Gegenwart verträgt, führt dazu, dass wir diese Mitteilungen vonseiten Gottes verlieren und unfähig werden, sie wirklich aufzunehmen (vgl. Joh 14,21-23).
Der Herr verlässt uns nicht aufgrund unserer Fehler oder Nachlässigkeiten. Vielmehr verwendet Er Sich für uns und lässt uns so Seine Gnade erfahren. Aber wir genießen dann keine Gemeinschaft mehr mit Gott; es ist auch kein geistliches Wachstum mehr in Bezug auf die Reichtümer der Offenbarung Seiner selbst und der Fülle, die in Christus ist. Es ist dann Gnade, die unseren Bedürfnissen angepasst ist. Sie ist die Antwort auf unser Elend. Jesus reicht uns Seine Hand gemäß dem Bedürfnis, das wir spüren. Es handelt sich dabei um ein Bedürfnis in unseren Herzen, das der Heilige Geist hervorgerufen hat.
Dass Sich Jesus auf eine solche Weise mit uns beschäftigt, ist eine unendlich wertvolle Gnade – die liebliche Erfahrung Seiner Treue und Liebe. Wir lernen dadurch, das Gute und das Böse durch Selbstgericht zu unterscheiden. Aber die Gnade muss sich dann anpassen an unsere Bedürfnisse, die sie stillt. Sie muss uns dahin führen, an uns selbst zu denken.
Der Heilige Geist beschäftigt uns in einem solchen Fall mit uns selbst – zweifellos in Gnaden.
Und wenn wir den Genuss der Gemeinschaft mit Gott verloren haben, können wir dieses Nachdenken über uns selbst nicht vernachlässigen, ohne uns zu betrügen und zu verhärten. Leider geht der Umgang vieler Seelen mit Christus kaum weiter als bis zu dieser Rückbesinnung. Und das ist traurigerweise für uns alle viel zu oft der Fall.
Mit einem Wort: Wenn wir einem sündigen Gedanken in unseren Herzen Raum gegeben haben, muss unser Umgang mit dem Herrn – wenn alles echt sein soll – aufgrund dieser traurigen Tatsache stattfinden, dass wir uns haben gehen lassen zu sündigen, zumindest in unseren Gedanken. Es ist allein die Gnade, die es uns erlaubt, noch mit Gott in Verbindung zu treten. Die Tatsache, dass Er uns wiederherstellt, erhöht Seine Gnade in unseren Augen. Gemeinschaft miteinander zu haben ist jedoch etwas ganz anderes.
Gott ist die wahre Quelle unserer Freude
Wenn wir praktisch mit Gott leben, wenn wir in Übereinstimmung mit dem Geist Gottes leben, ohne Ihn zu betrüben, erhält Er uns in der Gemeinschaft und auch in dem Genuss Gottes. Gott ist die wahre Quelle unserer Freude, und zwar einer ewigen Freude. Dann sind wir an allem interessiert, was Ihm wichtig ist und befinden uns in einem Zustand, in dem uns Gott beschäftigen kann mit der ganzen Entfaltung Seiner Ratschlüsse, Seiner Herrlichkeit und Güte in der Person Seines Sohnes. Er ist Jesus: der Christus (Mensch) und zugleich der Sohn Seiner Liebe (Gott). So wird der Blick des Herzens zunehmend weiter, und zwar in dem Maß, wie es sich mit diesen Personen und den Ratschlüssen Gottes beschäftigt. Das ist eigentlich der normale Zustand eines Gläubigen. Und das traf tatsächlich im Wesentlichen auf die Epheser zu.
Wir haben schon darauf hingewiesen, dass Paulus von Gott die besondere Gabe verliehen bekommen hatte, Gottes Ratschlüsse und Wege in Christus mitzuteilen. Dagegen hatte Johannes die Gabe, das Wesen Gottes und das Leben darzustellen, wie es sich in Jesus offenbarte. Das Ergebnis der besonderen Gabe, die dem Apostel Paulus gegeben worden war, sehen wir in dem Brief, mit dem wir uns beschäftigen.
Unsere Beziehung zu Gott
Indessen finden wir, die wir ebenfalls in Christus sind, im Epheserbrief die bemerkenswerte Entfaltung unserer Beziehungen mit Gott, der Intimität dieser Beziehungen und des Ergebnisses dieser Vertrautheit. Christus ist die Grundlage, auf der alle unsere Segnungen beruhen. Weil wir in Ihm sind, können wir sie genießen. Wir sind so die gegenwärtigen und eigentlichen Gegenstände der Gunst Gottes, des Vaters, geworden, so wie Christus selbst ihr Gegenstand ist. Der Vater hat uns Ihm geschenkt: Christus ist für uns gestorben, hat uns erkauft und erlöst, gewaschen, lebendig gemacht und stellt uns durch die Wirksamkeit Seines Werkes und in der Annahme Seiner eigenen Person vor Gott.
Das Geheimnis jeder Segnung der Versammlung ist daher, dass sie mit Jesus selbst gesegnet ist. Und so ist sie – genauso wie Christus als Mensch – vor Gott angenommen. Denn die Versammlung ist Sein Leib und genießt in und durch Christus alles, was der Vater Ihm als Mensch geschenkt hat.
Persönlich wird der Gläubige geliebt, wie Jesus von dem Vater hier auf der Erde geliebt wurde. Später wird er vor den Augen der Welt teilhaben an der Herrlichkeit Christi. Das ist dann der Beweis, dass der Gläubige in gleicher Weise geliebt wurde wie Jesus. Und das alles betrifft unsere Verbindung zu dem Vater – das ist der Name, den Gott in dieser Beziehung annimmt (vgl. Joh 17,23-26).
Der Gläubige ist „in Christus“
Das ist der Grund dafür, dass wir den Gläubigen in diesem Brief im Allgemeinen als in Christus sehen – nicht Christus in dem Gläubigen, wie im Kolosserbrief, auch wenn das natürlich genauso wahr ist. Wir werden im Epheserbrief daher mehr dazu geführt, die Vorrechte des Gläubigen und der Versammlung zu überdenken als die Fülle Christi selbst. So finden wir hier auch eher den Unterschied zwischen dieser neuen Stellung und unserem Zustand in der Welt als die Entfaltung des Lebens Christi - ein Gegenstand, der sehr ausführlich im Kolosserbrief behandelt wird, wo wir mehr die Wahrheit finden „Christus in uns“ (Kol 1,27).
Der Epheserbrief dagegen zeigt unsere Stellung in Christus in unserer Beziehung zu Gott, dem Vater (Eph 1,3), und sieht uns als in den himmlischen Örtern mitsitzend in Christus Jesus (Eph 2,6). Das gibt unserem Zeugnis hier auf der Erde den höchsten Charakter, den es überhaupt geben kann.
Wir haben schon gesehen, dass Christus eine doppelte Beziehung zu Gott Seinem Vater hat: Er ist der vollkommene Mensch vor Seinem Gott, und Er ist der Sohn Seines Vaters. Wir Christen dürfen an beiden dieser Beziehungen teilhaben. Christus hat dies Seinen Jüngern vor Seiner Rückkehr in den Himmel angekündigt. Er hat dies in Seiner ganzen Tragweite in den Worten gezeigt: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17).
Diese wertvolle und zugleich unschätzbare Wahrheit stellt die Grundlage der Belehrung des Apostels in diesem Brief dar. Er betrachtet Gott unter den zwei Blickwinkeln als Gott unseres Herrn Jesus Christus und als Vater unsers Herrn Jesus Christus (Eph 1,17; 3,14). Auch unsere Segnungen sind mit diesen beiden Titeln Gottes verbunden (Eph 1,3).
Paulus stellt die ursprünglichen Gedanken Gottes vor
Bevor ich versuche, die Gedanken des Apostels in ihren Einzelheiten auszulegen, sollten wir beachten, dass er in diesem Brief allein mit Gott beginnt – mit Gottes Gedanken und Ratschlüssen –, nicht jedoch mit dem, was der Mensch ist. Man kann die Wahrheit von dem einen oder auch dem anderen Endpunkt ausgehend betrachten, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf: Man kann von dem Zustand des Sünders ausgehend die Verantwortung des Menschen verfolgen, oder man beginnt bei den ewigen Gedanken und Ratschlüssen Gottes, die Er im Blick auf Seine eigene Herrlichkeit hat.
Diesen letzteren Weg beschreitet der Geist Gottes, wenn Er uns die Wahrheit in dem Epheserbrief vorstellt. Selbst die Erlösung, so herrlich diese Wahrheit in sich selbst ist, bekommt den zweiten Platz zugewiesen, da sie „nur“ das Mittel ist, durch das wir die Ergebnisse der Ratschlüsse Gottes genießen.
Der Epheserbrief betrachtet folglich die Wege Gottes als ausgehend von Gottes selbst. Es geht hierbei nicht (nur) um das Mittel, durch das der Mensch in den Genuss des Segens eingeführt wird. Diese Seite der Wahrheit finden wir im Römerbrief. Dort weist der Apostel nur kurz darauf hin, dass alles Gottes Güte ist, um den eigentlichen Brief mit dem Gericht des Menschen zu beginnen: Der Apostel zeigt den Menschen in seiner Bosheit und stellt dann die Gnade Gottes vor, die diesem Zustand des Menschen begegnet, um ihn daraus zu erretten.
Der Vorsatz Gottes für die Gläubigen (Eph 1,3-14)
Ein Überblick über Kapitel 1
„Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm“ (Eph 1,3.4). Epheser 1,4-7 entfaltet diese Segnungen und das Mittel, um an ihnen teilzuhaben. In den Versen Epheser 1,8-10 finden wir den von Gott festgesetzten Vorsatz, der die Verherrlichung Christi zum Inhalt hat. In Christus werden wir auch daran teilhaben. Anschließend werden in den Versen Epheser 1,11-14 das Erbteil und der Heilige Geist vorgestellt, der als Siegel für uns, die Gläubigen, und als Unterpfand unseres Erbes gegeben wurde.
Schließlich finden wir in den Versen Epheser 1,15-23 ein Gebet, in dem der Apostel darum bittet, dass wir, seine geliebten Kinder im Glauben, unsere Vorrechte und die Kraft kennen, die uns in diese Vorrechte einführt. Es ist die gleiche Kraft, die auch Christus aus den Toten auferweckt und zur Rechten Gottes gesetzt hat, damit Er als Mensch diese Vorrechte genießen kann.
Die Berufung und der Ratschluss Gottes
Es geht um Christus als das Haupt der Versammlung, die Sein Leib ist und die zusammen mit Ihm über alle Dinge, die durch Ihn als das göttliche Haupt geschaffen wurden, bestellt werden wird. Und als Mensch erbt Er alle diese Dinge, indem Er sie darüber hinaus durch Seine göttliche und zugleich erlösende Herrlichkeit erfüllt.
Mit einem Wort: Zunächst haben wir den Ruf Gottes, das heißt das, was die Heiligen vor Ihm in Christus sind. Dann zeigt Paulus uns den ganzen Ratschluss Gottes in Bezug auf Christus, aber auch das Erbe Gottes in den Heiligen. Danach kommt das Gebet, in dem der Apostel bittet, dass wir diese beiden Dinge kennenlernen mögen. Und schließlich finden wir die Kraft, durch die wir in diese beiden Wahrheiten – den Ratschluss und das Erbe – eingeführt werden und durch die wir sie genießen können.