Behandelter Abschnitt Hld 5,1
Kaum hat die geliebte Sulamith ihren Herrn eingeladen, in Seinen Garten zu kommen und von dessen köstlichen Früchten zu essen, als Er antwortet: „Ich bin gekommen.“ Er sagt nicht: „Ich will kommen“, sondern: „Ich bin gekommen.“ Schon während sie Ihn einlädt, ist Er gegenwärtig. Sein Herz ist stets bereit, auf den Ruf Seiner Geliebten zu hören und ihn zu beantworten. Glückliche Braut, ja, glückliches Volk, das sich in solch einer Lage befindet! Der König der Könige und Herr der Herren wartet auf unseren Ruf und ist bereit, sofort zu antworten. Die Früchte des Geistes sind stets wohlgefällig für Ihn und hier findet Er sie in reicher Fülle, und Er nimmt mit tiefer Freude Platz an dem Mahl, das die Liebe Ihm bereitet hat.
„Ich bin in meinen Garten gekommen, meine Schwester, meine Braut, habe meine Myrrhe gepflückt samt meinem Balsam, habe meine Wabe gegessen samt meinem Honig, meinen Wein getrunken samt meiner Milch. Esst, Freunde trinkt, und trinkt euch fröhlich, Geliebte!“ (Hld 5,1).
Diese verschiedenen Gewürze, Speisen und Getränke mögen wohl ein bildlicher Ausdruck sein von den Wirkungen des Geistes Gottes in der Seele mittels der Wahrheit. Vielleicht fließen Tränen, bitterer als Myrrhe, aus unseren Augen in dem tiefen Gefühl vergangener Sünden, verlorener Tage, versäumter Gelegenheiten für die Verherrlichung unseres Herrn; aber sie sind süßer als Honig und wohlriechender als Balsam für das Herz Christi.
Der Herr findet mancherlei köstliche Frucht in Seinem Volk; und mit allem, was von dem Geist ist, hat Er volle Gemeinschaft, es gereicht zu Seiner innigen Freude. „Ich habe gesammelt . . . ich habe gegessen . . . ich habe getrunken.“ Er nimmt gleichsam von allem. In dem geförderten Christen mag Er etwas finden, was an die Kraft des Weines erinnert, in dem Kindlein in Christus die süße, liebliche Milch. – Was hast du für deinen Herrn, meine Seele? Was kann Er von dir einsammeln? was kann Er essen, was kann Er trinken von dem Deinigen? Was ist lieblicher als Demut und Einfalt? Was ist ehrender für den Herrn als ein Geist völliger Abhängigkeit von Ihm? Was erfreut Sein Herz mehr als ein täglich wachsendes Verlangen, Ihm zu dienen und Gott zu verherrlichen?
Viele werden teilnehmen an dem königlichen Mahl, von dem in unserem Vers die Rede ist. Zahlreich, sehr zahlreich sind die „Freunde“ des Bräutigams; und alle werden an dem Tage Seiner Herrlichkeit in Seine Freude eingehen. Wunderbarer, lang ersehnter Tag himmlischer und irdischer Herrlichkeit! Alle Herzen werden jene freudenvolle Einladung hören und durch sie bewegt werden: „Esst, Freunde; trinkt und trinkt euch fröhlich, Geliebte!“ Die „natürlichen Zweige“, die so lange aus dem Stamm der Verheißung ausgebrochen waren, werden wie der Apostel sagt, wieder eingepfropft werden (Röm 11).
An jenem Tag, dem Tag der Wiederherstellung Israels, „wird Jakob Wurzel schlagen, Israel blühen und knospen; und sie werden mit Früchten füllen die Flächen des Erdkreises“ (Jes 27,6). Welch ein Fest wird dann durch das wiederhergestellte Israel allen Völkern der Erde bereitet werden! Die Fläche des Erdkreises wird mit Früchten gefüllt sein. „Und der Herr der Heerscharen wird auf diesem Berg allen Völkern ein Festmahl von Fettspeisen bereiten, ein Festmahl von Hefenweinen, von markigen Fettspeisen, geläuterten Hefenweinen“ (Jes 25,6). Und wiederum: „Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der Herr: ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören; und die Erde wird das Korn und den Most und das Öl erhören; und sie, sie werden Jisreel erhören. Und ich will sie mir säen im Land“ (Hos 2,23-25).
Aus dem Neuen Testament wissen wir, dass an jenem Tag „der Himmel“ im Besitz Christi und Seiner verherrlichten Heiligen sein wird. Der Herr „wird den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören“. Christus, in dem dann alle Dinge im Himmel und auf Erden zusammengebracht sein werden, wird Der sein, an Den Sich von der Erde aus alles Flehen richten wird, und durch Ihn und Seine verherrlichten Heiligen werden jene Segnungen der Erde zugeführt werden. „Und die Erde wird erhören das Korn und den Most und das Öl.“ Keine Armut, keine Not wird dann irgendwo herrschen. Die Stimme der Klage wird nicht mehr gehört werden auf den Straßen. Das allgemeine Seufzen der Schöpfung wird verstummt sein; stattdessen werden Lob- und Dankeslieder überall ertönen. „Und sie, sie werden Jisreel erhören.“ Jisreel bedeutet: den Gott sät. Deshalb folgt auch unmittelbar darauf:
„Ich will sie (Israel) mir säen in dem Land.“
So wird eine ununterbrochene Kette von Segnungen bestehen, von dem Thron des Herrn herab, der Quelle von allem, bis zu dem Genuss aller Segnungen dieses Lebens seitens der Menschenkinder; und der Platz, den das wiederhergestellte Israel in dieser wunderbaren Kette einnimmt, ist der Platz des Samens Gottes, gesät von dem Herrn und für Ihn in dem Land und mit Früchten füllend die Fläche des Erdkreises. Der Himmel, im Besitz Christi und der verherrlichten Kirche stehend – das wiederhergestellte Israel oder Jisreel, der Same Gottes hienieden – eine allgemeine Segnung auf der ganzen Erde, ein Überfluss an Korn, Wein und Öl – Krieg und Gewalttat für immer dahin – welch eine Kette von Segnungen! Preis und Ehre sei Ihm, der solche wunderbaren Dinge tut!
Lasst uns hier noch einen Augenblick stillstehen, mein Leser, und über den Kreis des Segens nachsinnen, der uns hier vorgestellt wird. Lasst uns auch vorwärts blicken zu dem glückseligen Tag hin, an dem Er, der so lange abwesend war, wiederkehren und zu Seinem auf Ihn harrenden Volk sagen wird: „Ich bin gekommen – ich bin in meinen Garten gekommen, meine Schwester, meine Braut.“ Dann werden die Verheißungen, die den Vätern gemacht wurden, ihren Kindern erfüllt werden, nach dem Wort des Herrn. Christus und die verherrlichten Heiligen droben, das wiederhergestellte Israel in dem gelobten Lande hienieden, und um Israel her alle Völker der Erde, miteinander verbunden durch diese herrliche Kette allgemeinen Segens: welch ein weiter Kreis von „Freunden“. Welch ein Fest der Liebe! Und welch ein freudiger Willkommensgruß aus dem Herzen Dessen, der „Herr über alles“ ist: „Esst, Freunde; trinkt und trinkt euch fröhlich, Geliebte!“