Behandelter Abschnitt Hld 2,3
„Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne; ich habe mich mit Wonne in seinen Schatten gesetzt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß“ (Hld 2,3). Aus verschiedenen Stellen der Schrift (vergl. Joel 1,12) geht hervor, dass der Apfelbaum im Lande Palästina vielfach vorkam und wegen seines kühlenden Schattens und seiner schmackhaften, lieblich duftenden Frucht (vergl. Hld 7,8) allgemein geschätzt wurde. Im Vergleich mit den gewöhnlichen Bäumen des Waldes muss er ohne Zweifel dem müden, durstigen Wanderer sehr begehrenswert erschienen sein. Und so stellt auch die Braut einen Vergleich an zwischen ihrem Geliebten und anderen. „Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne.“ Niemand ist gleich Ihm. Er ist „ausgezeichnet vor Zehntausenden“; und sie steht in dem vollen Genuss von dem, was Er ist, nicht bloß Seiner Gaben, so herrlich sie auch sein mögen, sondern Seiner Selbst.
Hier finden wir eine völlige, persönliche Gemeinschaft. Die Braut ist in dem ungetrübten Licht Seiner Gunst und Liebe, und ihre Antwort auf diese Liebe ist vollkommen. Wenn Er sagt: „Wie eine Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Freundin inmitten der Töchter“, so erwidert sie: „Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne“. Welche Wunder hat die Gnade bewirkt? Zu welchen Höhen leitet sie? Hätte der Jude, wenn er auch die steilen Felsen des Sinai erstiegen hätte, je die Gegenwart Gottes erreichen können? Nein, alles muss Gnade sein von Anfang bis zu Ende. Durch sie haben wir nicht nur eine vollkommene Versöhnung, sondern sind auch in die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes eingeführt.
Und der Herr freut Sich über das Werk Seiner Liebe, wie geschrieben steht: „Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel“ (Zeph 3,17). Die Braut ruht ebenfalls in dieser unveränderlichen Liebe. „Ich habe mich mit Wonne in seinen Schatten gesetzt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß.“ Ihre Seele findet Ruhe, Freude und Überfluss. Das Herz nährt sich von Christus. Jedes Bedürfnis ist gestillt. Sie fühlt sich bei Ihm zu Hause und ist glücklich. Einst hatte sie einen anderen Platz, den Platz der Sünde und des Todes. Aber der Herr hat sie daraus erlöst und sie an Seinen eigenen, Seinen neuen Platz als der auferstandene Messias gebracht. Das ist jetzt ihr Platz; sie kann nicht an beiden Plätzen zugleich sein. „Unter dem Apfelbaum habe ich dich geweckt“ (Hld 8,5). Der Apfelbaum ist Christus.
Israel, das sich heute bereits wieder seinem Lande, allerdings in eigener Kraft, zuwendet und aus seinem bisherigen Zustande des nationalen Todes, wenn auch im Unglauben, zur staatlichen Selbständigkeit erwacht ist, wird, wie wir wissen, erst unter Christus nach vorangegangenen unvorstellbaren Drangsalen die Segnungen des neuen Bundes genießen. Inmitten großer Not in dem Lande und furchtbarer Gerichte Gottes, wie sie nie da gewesen sind und auch nie wieder sein werden, wird dann Barmherzigkeit der einzige Boden für den treuen Überrest, vollkommene Hilflosigkeit sein einziges Anrecht, und Christus sein einziger Weg sein.
Wenn es einmal so weit gekommen ist, so steht alles wohl, für immer wohl für Israel wie für die Nationen. Israel wird noch einmal auf diesem Boden und unter diesem gesegneten Haupt gesammelt werden. Dann werden sie unter Seinem Schatten sitzen im vollsten Sinn des Wortes, und Seine Frucht wird ihrem Gaumen süß sein – die herrliche Frucht Seiner wunderbaren Liebe, indem Er für das widerspenstige Volk starb. „Und also wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: Es wird aus Zion der Erretter kommen. Er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden“ (Röm 11,26). „An jenem Tage, spricht der Herr der Heerscharen, werdet ihr einer den anderen einladen unter den Weinstock und unter den Feigenbaum“ (Sach 3,10).