Einleitung
Die Briefe an Timotheus und an Titus ähneln sich so sehr, dass man meinen könnte, letzterer sei eine Wiederholung. Doch weit davon entfernt. Der Brief füllt eine Nische in der christlichen Lehre, die sonst leer stünde. Timotheus sollte über die gesunde Lehre wachen (1Tim 1,3.4), Titus über die Ordnung im Haus Gottes (Tit 1,5). Im 2. Timotheusbrief finden wir die Mittel, durch die Christen in der Wahrheit gekräftigt werden, wenn die Mehrheit davon abgewichen ist.
Titus ist der Brief der Nüchternheit und Gesundheit, außerdem geht es um Autorität. Das Hauptthema des Briefes ist die Lebensführung des Christen und gute gegenseitige Beziehungen der Gläubigen. Es geht vor allem um die christliche Offenbarung und dem sich daraus ergebenden Wandel.
Man hat diesen Brief an Titus auch den Brief der guten Werke genannt:
indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst; in der Lehre Unverfälschtheit, würdigen Ernst (2,7)
der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken (2,14).
Erinnere sie daran, Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein (3,1).
Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben. Dies ist gut und nützlich für die Menschen (3,8).
Lass aber auch die Unseren lernen, für die notwendigen Bedürfnisse gute Werke zu betreiben, damit sie nicht fruchtleer seien (3,14).
Was sind das für gute Werke? Es sind Werke, die durch den Heiligen Geist gewirkt sind (Gal 5,22). Der Charakter Gottes wird in den Werken offenbar. Gott wird dadurch verherrlicht (Mt 5,14‒16). Unser Zeugnis als Christen wird durch gute Werke bestätigt. Die Lehre wird dadurch geziert (1Tim 5,10). Beispiele im Neuen Testament sind Kornelius (Apg 10), Tabitha (Apg 8).
Der Brief ist nicht so vertraulich wie die Briefe an Timotheus. Paulus schüttet nicht in gleicher Weise sein Herz aus und spricht kaum über seine Ängste und Befürchtungen. Er hatte nicht zu allen das gleiche Verhältnis, obwohl er volles Vertrauen zu Titus hatte, was das Werk Gottes betraf. Er hat diesen Brief ca. 64 n. Chr. geschrieben.
Einteilung
1. | Die Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist (Kap. 1) |
1.1. | Basis des Briefes: Gottseligkeit und ewiges Leben (1,1–4) |
1.1.1. | Kennzeichen der Apostelschaft des Paulus (1,1–3) |
1.1.2. | Gruß an Titus, das echte Kind des Paulus im Glauben (1,4) |
1.2. | Die Anstellung von Ältesten zur Widerlegung der Widersprechenden (1,5–16) |
1.2.1 | Die Eigenschaften der Ältesten oder Aufseher (1,5–9) |
1.2.2. | Warnung vor falschen Lehrern – der Charakter der Kreter (1,10–16) |
2. | Das, was der gesunden Lehre geziemt (Kap. 2) |
2.1. | Das Ausleben der gesunden Lehre (2,1–10) ... |
2.1.1. | von alten Männern und Frauen – indirekt von den jüngeren Frauen (2,1–5) |
2.1.2. | von jüngeren Männern und Titus selbst als Vorbild (2,6–8) |
2.1.3. | von Knechten, Sklaven (2,9.10) |
2.2. | Der Inhalt der gesunden Lehre (2,11–15) ... |
2.2.1. | für die gegenwärtige Zeit (2,11.12) |
2.2.2. | für die zukünftige Zeit (2,13–15) |
3. | Die Bereitschaft zu jedem guten Werk (Kap. 3) |
3.1. | Die christliche Stellung in der Welt (3,1–7) |
3.1.1. | Die Haltung gegenüber der Regierung und den Menschen im Allgemeinen (3,1.2) |
3.1.2. | Die Vergangenheit des Gläubigen und das Tun Gottes (3,3–7) |
3.2. | Letzte Ermahnungen (3,8–11) |
3.2.1. | Gute Werke und nutzlose Worte (3,8.9) |
3.2.2. | Sektiererische Menschen (3,10.11) |
3.3. | Sorge für die Brüder und Grüße (3,12–15) |
3.3.1. | Anweisungen des Paulus bezüglich seiner Mitarbeiter (3,12.13) |
3.3.2. | Nochmals: die enorme Bedeutung guter Werke (3,14) |
3.3.3 | Abschiedsgrüße (3,15) |
Übersicht nach F.W. Grant
1. | 1. | Die Wahrheit entsprechend der Gottseligkeit |
1.1. | 1,1–4 | Die Verheißung des ewigen Lebens vor ewigen Zeiten, nun bekanntgemacht |
1.2. | 1,5–16 | Älteste angestellt zur Widerlegung der Widersprechenden |
2. | 2; 3 | Die Beziehung untereinander |
2.1. | 2,1–10 | Was der gesunden Lehre geziemt |
2.2. | 2,11–15 | Das Wort, das Errettung bewirkt |
2.3. | 3,1–7 | Heiligung, die der Geist bewirkt |
2.4. | 3,8–11 | Warnung vor eitlen Worten |
2.5. | 3,12–15 | Die Brüder betreffend |
Befragte Bücher:
Darby, J.N., Synopsis
Grant, F.W., The Numerical Bible
Hole, F.B., Pauls Epistles
Kelly, W., Introductory Lectures
Ouweneel, W.J., De brief van Paulus aan Titus
Vine, W.E., The Collected Writings
Kapitel 1
Einleitung
A Geschichtliches
Kreta ist die größte griechische Insel im Ägäischen Meer (ca. 8300 km2). Es mag sein, dass dort Versammlungen durch den Dienst des Paulus entstanden sind, möglich ist auch, dass die jüdischen Kreter das Evangelium dorthin gebracht haben (Apg 2,11). Jedenfalls ließ Paulus Titus nach einem Besuch auf der Insel zurück. Er schrieb den Brief, als er sich auf dem Weg nach Nikopolis (im Nordosten Griechenlands) befand (3,12).
Paulus war gelegentlich der Schiffsreise nach Kreta verschlagen worden (Apg 27,7.8), doch da hatte er sicher keine Gelegenheit, Versammlungen zu gründen. Der Besuch in Kreta geschah also nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis in Rom (60–62).
Andere glauben, dass Paulus Kreta am Ende seiner zweiten Missionsreise besucht und dann Titus zurückgelassen habe (Apg 18,21.22). Dann könnte der Brief 52–54 entstanden sein.
Titus wird in der Apostelgeschichte nicht erwähnt, wohl aber in 2. Korinther 2,13; 7,6.13.14; 8,6.16.23; 12,18, dann in Galater 2,1.3 und in 2. Timotheus 4,10.
B Inhaltliches
In den ersten vier Versen wird die für das Christentum charakteristische Lehre zusammengefasst. Die Praxis des christlichen Lebens ist nicht von der gesunden Lehre zu trennen (vgl. Psalm 119, wo die enge Verbindung zwischen Lehre und Praxis behandelt wird), und umgekehrt.
Bevor Paulus Titus in Kapitel 1,4 seinen Gruß schreibt, legt er schon gleich zu Beginn des Briefes den ganzen Nachdruck auf die Lehre und die entsprechende Praxis. Diese Verse liefern uns den Schlüssel zum Verständnis dieses kleinen Briefes. Der Schlüssel „hängt an der Tür“. „Lehre“ oder „lehren“ mit Bezug auf die christliche Lehre kommt fünfmal vor (1,9; 2,1.3.7.10).
Einteilung
Kennzeichen der Apostelschaft des Paulus (V. 1–3)
Gruß an Titus, das echte Kind des Paulus im Glauben (V. 4)
Die Eigenschaften der Ältesten oder Aufseher (V. 5–9)
Warnung vor falschen Lehrern – der Charakter der Kreter (V. 10–16)
Vers 1
Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist:
Paulus, Knecht Gottes [dou`loς Qeou`]: Paulus ist ein Knecht (eig. Sklave) Gottes. Er ist von Gott berufen und Ihm verantwortlich; er tritt mit göttlicher Autorität auf. Menschen sind durch das Blut des Lammes für Gott erkauft (Off 5,9). Knecht Gottes kommt in den Briefen nur vor hier und in Jakobus 1,1. Knecht Christi kommt oft vor.
Aber [deV = und] Apostel Jesu Christi: Paulus war von Jesus Christus, dem verherrlichten Herrn ausgesandt.
Das bedeutet:
Das Werk der Erlösung war vollbracht.
Er war auferstanden (Joh 20,21).
Er war verherrlicht.
Der Geist war gegeben und damit die Segnungen.
Der Herr wird in Vers 4 ebenfalls Heiland genannt.
Nach dem Glauben der Auserwählten Gottes: Der Glaube war kennzeichnend [kataV] für die Apostelschaft des Paulus; das hatte Bezug auf die Auserwählten Gottes – sein Dienst galt ihnen, war für sie bestimmt (Menge übersetzt: für den Glauben der Auserwählten): Sie sollten zum Glauben kommen und dann in der Wahrheit befestigt werden. Mit dem christlichen Glauben begann eine neue Heilsepoche, das Judentum war beiseitegesetzt.
Auserwählte Gottes [ejklektw`n Qeou`]: vgl. Johannes 17,6; Epheser 1,4; Römer 8,29. Es geht um die Auserwählten und ihren Glauben. Im Christentum geht es nicht um die Erwählung eines Volkes, sondern einzelner Personen.
Dieser Glaube hat einen intimen Charakter in Beziehung zu Gott selbst. Er ruht in ihm, kennt die Geheimnisse seiner Ratschlüsse (JND).
Nach der Erkenntnis der Wahrheit [ejpignwsin ajlhqeivaς]: Ebenso bestimmte seinen Dienst die völlige Erkenntnis der Wahrheit, die Gottseligkeit bewirkt. „Die Erkenntnis der Wahrheit, die sich in einem gottseligen Wandel bewährt“ (Menge). Was ist die Erkenntnis der Wahrheit ohne die Früchte im Leben des Gläubigen? Heute wird der Glaube der Auserwählten von ungläubigen Theologen lächerlich gemacht. Der Dienst des Paulus galt den Auserwählten, ihrer Bekehrung, der Stärkung ihres Glaubens und der Befestigung in der Wahrheit, die ihr Leben bestimmte.
Gottseligkeit [eujsevbeia]: w. gute Furcht, Ehrfurcht; Gottseligkeit, Frömmigkeit, Gottesfurcht ist das Ausleben der Wahrheit, das Bekennen der Wahrheit, ein Gott wohlgefälliger Wandel (siehe Versliste\Gottseligkeit – eujsevbai).
Beachte, dass die Wahrheit durch die Gottseligkeit charakterisiert wird. Hier ist ein sehr guter Prüfstein, der in jeder Richtung angewandt werden kann. Bestimmte Dinge werden uns als die Wahrheit Gottes angetragen. Wir mögen sie nicht immer analysieren, mit der Schrift vergleichen und ihre Falschheit beweisen können; doch wir haben keine Schwierigkeiten bei der Feststellung, dass die praktische Auswirkung bei ihrer Annahme als Wahrheit derart ist, dass dadurch die Gottseligkeit verloren geht (FBH).
Kennzeichen des Dienstes des Paulus 1. Knecht Gottes 2. Apostel Jesu Christi 3. Bezug auf den Glauben der Auserwählten Gottes 4. Erkenntnis der Wahrheit mit Bezug auf die Gottseligkeit 5. die Hoffnung des ewigen Lebens (zukünftige Segnung) 6. Verheißung in der Ewigkeit 7. Offenbarung in der Zeit durch die Verkündigung des Paulus |