Und er wird einen festen Bund mit den Vielen24 schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung der Gräuel25 wird ein Verwüster kommen26, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes27 über das Verwüstete28 ausgegossen werden: WJO meint, dass dieser Vers zu den schwierigsten des Alten Testamentes gehört. Was wir in diesem Vers finden, ist eindeutig Zukunft und wird sich erfüllen, wenn die 70. Jahrwoche Daniels sich erfüllt.
Einen festen Bund mit den Vielen: vgl. Jesaja 28,14-22. Der feste Bund ist ein Verteidigungsbündnis zwischen dem kommenden Römischen Reich ‒ eigentlich ihm, das ist der römische Fürst29 ‒ und der Masse der Juden (hier ist noch nicht vom Antichrist die Rede).
Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen:
Das „er“ in diesem Vers kann sich kaum auf jemand anderen beziehen als auf den Fürsten, von dem in V. 26 die Rede ist. Die Tatsache, dass er hier das Thema ist, unterstützt die Erklärung, dass „sein Ende“ (V. 26b) sich auf das Ende dieses Fürsten bezieht. Etwas schwieriger ist es mit dem „Bund“. Hierzu gibt es im Wesentlichen zwei Meinungen, die beide akzeptabel sind. Eine Meinung besagt, dass der Fürst den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat, schwer machen wird. Er wird es den gläubigen Juden schwer machen, an dem vorgeschriebenen Gottesdienst festzuhalten. Die andere Ansicht besagt, dass der Fürst des Römischen Reiches in der Endzeit einen Bund mit Israel schließen wird, für den er harte Bedingungen stellen wird. Für diese Ansicht stützt man sich auf Jesaja 28,19, wo es heißt, Israel habe einen Bund mit dem Tod geschlossen. So wie die Makkabäer damals einen Bund mit den Römern schlossen, um den Syrern zu widerstehen, so werden sich die Juden in der Endzeit mit dem Fürsten des wiederhergestellten Römischen Reiches verbünden, um sich gegen die Bedrohung aus dem Norden zu stärken. Zöckler (S. 183) übersetzt ohne Bezug auf Jesaja 28 aus sprachlichen Gründen: er wird vielen den Bund stärken, d.h. er wird mit vielen einen starken, festen Bund schließen. Dazu beruft er sich auf Ps 12,5, wo „stark sein“ bedeutet, „sich als stark erweisen“. Für beide Auffassungen ist etwas zu sagen, und da es für die weitere Erklärung von Vers 27 nicht entscheidend ist, werden wir das Für und Wider hier nicht ausführen. (Fijnvandraat)
Einen Bund schließen (von A. E. Hübner)
Und er wird einen Bund bestätigen mit [ihm vielen] eine Woche lang (Dan 9:27). Dies scheint eine Bestätigung eines bereits bestehenden Schutzvertrages für Israel zu sein (gegen den König des Nordens aus Dan 11, der der Assyrer der anderen Propheten ist). Irgendwann wird der kommende römische Fürst (aus Dan 9:25) diesen bereits bestehenden Vertrag für einen Zeitraum von sieben Jahren bestätigen.
Wann der Vertrag in Kraft treten wird, wissen wir nicht. Es kann vor der Entrückung sein; oder es kann eine Übergangszeit nach der Entrückung vor dem Beginn der 70. Woche geben, wenn der Vertrag zum ersten Mal in Kraft tritt. Und selbst wenn der Vertrag, von welcher Macht auch immer, vor der Entrückung geschlossen wird, kann es noch eine Übergangszeit nach der Entrückung geben. Die Schrift sagt nicht, dass die 70. Woche am Tag nach der Entrückung beginnt; sie sagt aber auch nicht, dass sie nicht beginnt.
Es scheint üblich zu sein zu sagen, dass in der Mitte der Woche der Bund gebrochen wird. Die Heilige Schrift sagt das nicht. Dan 9:27 heißt es, dass "er das Opfer und die Gaben aufhören lassen wird". Das heißt, dass die jüdischen Opfer in der Mitte der Woche aufhören werden; aber das bedeutet nicht, dass der Schutzbund gebrochen wird. Aus anderen Bibelstellen wissen wir, dass in der Mitte der Woche eine neue Ordnung der Anbetung eingeführt wird, sogar die Anbetung der Triade:
des Tieres (Off 13,1-11; der kommende römische Fürst, das Oberhaupt des wiedererstandenen Römischen Reiches
der Antichrist (2Thes 2; Off 13,12-18; Dan 11,36-39) und
Satan (Off 13:4)
Das Ergebnis ist, dass "wegen des Schutzes der Gräuel ein Verwüster [sein wird] {der König des Nordens (Dan 11,40.41)}, bis der Verzehr und das, was bestimmt ist, über die Verwüstung {die Masse der Juden} ausgegossen wird (Dan 9,27).
R. A. Hübner
Die Festlegung von Terminen ist widerwärtig und sollte verteufelt werden. Einige beobachten den Gemeinsamen Markt und haben gedacht, dass der Herr kommt, wenn sich die 10 Länder zusammenschließen, der Herr kommen wird. Tatsächlich kann die Zahl der Nationen steigen und fallen. Der Gemeinsame Markt ist nicht dasselbe wie die politische Einheit, die das Tier (Off 13,1-12), der kommende Fürst, schmiedet. Es wird drei bei der Wurzel ausreißen (Dan 7,8), was darauf hinweist, dass die drei nicht in der Lage sind, auf eigenen Füßen zu stehen, und somit völlig von ihm abhängig sind. Das bedeutet aber nicht, dass sie untergehen, denn sie sind noch da, wenn die zehn Könige und das Tier die Hure vernichten (Off 17,16).
Der gemeinsame Markt könnte eine Vorbereitung für die spätere Bildung der politischen Einheit sein. Es ist nicht klar, zu welchem Zeitpunkt er zuerst die Macht über die 10 Könige erlangt. Wir wissen jedoch, dass er zu Beginn der 70. Woche genügend Macht haben wird, um einen siebenjährigen Schutzbund für Israel zu bestätigen. Wir sollten bedenken, dass zwischen der Entrückung der Gläubigen und dem Beginn der siebzigsten Woche eine Zeitspanne liegen kann, in der einige Entwicklungen stattfinden, die den Beginn der siebzigsten Woche vorbereiten.
Zur Hälfte der Woche: In der Mitte der 70. Woche werden einschneidende Dinge geschehen. Satan wird aus dem Himmel geworfen (Off 12,7-12). Der Gräuel der Verwüstung wird im Tempel aufgestellt (Mt 24,15), der Opferdienst kommt zum Ende. Es wird also durch den Antichrist ein nie dagewesener Götzendienst eingerichtet, und deshalb wird das Gericht über Jerusalem, über das Heiligtum und das gesamte Land kommen.
Vernichtung und Festbeschlossenes: Das ist das letzte Gericht, das die Juden ereilen wird. Es ist das Gericht über den gottlosen Teil des Volkes Israel unter der Führung des Antichrists. Das Gericht geschieht insbesondere im Blick auf das Aufstellen des Götzen, mit der Errichtung des schrecklichsten Götzendienstes, den es je gegeben hat. Es ist die Zeit, wo der hinausgeworfen böse Geist zurückkommt und sieben andere böse Geister mitbringt: „Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie gehen hinein und wohnen dort; und das Letzte jenes Menschen wird schlimmer als das Erste. Ebenso wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen“ (Mt 12,45).
Anhang aus Zeit des Endes
Diesen sicherlich nicht leicht verständlichen Text wollen wir uns nun näher ansehen. Er ist von ausschlaggebender Bedeutung für das Verständnis all der prophetischen Aussagen, die sich auf die kurze Zeitspanne zwischen der Entrückung der Gläubigen und dem Beginn des Tausendjährigen Reiches beziehen. Dieser Abschnitt gibt uns den Schlüssel zum Verständnis dieser so überaus ereignisreichen Zeitspanne in die Hand.
Statt umfangreicher Erklärungen gebe ich den Text sehr frei mit eigenen Worten und auslegenden Ergänzungen versehen wieder:
Vers 24: „Siebzig Wochen von Jahren30, also 490 Jahre, wird es noch dauern, Daniel, was das Volk Israel und die Stadt Jerusalem betrifft. Danach wird die beständige Missachtung der Gesetze Gottes durch das Volk Israel aufhören und das beständige Sündigen des Volkes enden. Das Volk wird [ebenso wie alle wahren Christen heutzutage] durch den Kreuzestod Christi Annahme bei Gott finden. Zur gleichen Zeit wird Gott ein ewiges Reich [das bedeutet hier: das Tausendjährige Reich], in dem Gerechtigkeit herrscht, einführen. Alle früheren Prophezeiungen werden dann in Erfüllung gehen. Der Tempel [aus Hesekiel 40-48] wird gebaut werden und wieder Gottes irdisches Haus sein.“
Vers 25: „Beachte gut Folgendes: Die 490 Jahre beginnen mit dem Zeitpunkt, wo der Plan aufkommt, die Stadt Jerusalem wieder aufzubauen [was tatsächlich im Jahre 445 v. Chr. geschehen ist, als Nehemia vor den König Artasasta – aus der Geschichte als Artaxerxes Longimanus bekannt – trat und diesem seinen Wunsch vortrug, die Stadt Jerusalem aufzubauen; siehe Nehemia 2]. Von diesem Zeitpunkt an gerechnet bis zur Zeit des Messias [d. i. der Gesalbte, griechisch: Christus] sind es 7 und 62, also 69 Jahrwochen oder 483 Jahre. Die Stadt Jerusalem wird in einer Zeit starker Bedrängnis wieder aufgebaut werden.“
Vers 26: „Nach den 62 Wochen wird Christus gewaltsam getötet [gekreuzigt] werden und nichts haben. Danach werden die Stadt Jerusalem und der Tempel durch den Herrscher eines Volkes zerstört werden, das auch in der Endzeit eine bedeutende Rolle spielen wird. Die Zerstörung wird sintflutartig stattfinden. Jerusalem wird dem Erdboden gleichgemacht werden [was im Jahre 70 n. Chr. geschehen ist, als der römische Feldherr Titus die Stadt einnahm und der Tempel zerstörte wurde]. Gott wird das Volk, das sich dann im Land Israel befindet, in alle Himmelsrichtungen zerstreuen. Danach wird eine längere Zwischenzeit eingeschaltet, die hier nicht erwähnt wird. Doch zur Zeit des Endes wird aufs Neue ein heftiger Krieg ausbrechen; es ist von Seiten Gottes fest beschlossen, dass schreckliche Verwüstungen stattfinden werden.“
Vers 27: „Das Römische Reich wird in Form eines vereinigten Europas wiedererstehen und einen gewaltigen Herrscher haben. Dieser Herrscher wird ein siebenjähriges Freundschaftsbündnis [oder: Verteidigungsbündnis] mit den Vielen schließen [der Mehrheit des jüdischen Volkes, die dann völlig von Gott abgefallen sein wird], die ebenfalls einen äußerst bemerkenswerten Herrscher in ihrer Mitte haben werden: den Antichrist. Der Antichrist wird ein enger Verbündeter des römischen Herrschers sein. Doch in der Mitte der letzten Woche [von Jahren, die noch an den 70 Wochen fehlen, also nach 3½ Jahren] wird der in Jerusalem von frommen Juden eingeführte Opferdienst zu einem jähen Ende kommen. [Das ist der Augenblick, wo Satan aus dem Himmel geworfen wird und der Antichrist sich in den Tempel setzt und als Gott anbeten lässt; vgl. Offenbarung 12 und 2. Thessalonicher 2]. Weil dieser schreckliche Götzendienst anstelle des Opferdienstes im Tempel eingeführt wird, wird Gott einen Verwüster in das Land Israel bringen, der das Gericht Gottes über die gottlosen Juden bringen und sie so ausrotten wird. Von Gott aus ist all das fest beschlossen, so dass es kein Entrinnen geben wird.“
Zusammenfassung dieses Abschnitts in den wesentlichen Punkten
Eine Zeitspanne von 490 Jahren wird für das Volk Israel vorhergesagt. Nach dieser Zeit beginnt das Friedensreich.
Nach 483 Jahren tritt jedoch eine Unterbrechung dieser Zeitspanne ein, und zwar nach dem Tod des Messias.
Allerdings würden nach der Kreuzigung des Messias noch die Stadt Jerusalem und der Tempel durch die Römer zerstört.
Nach dieser Unterbrechung von unbestimmter Dauer wird ein siebenjähriges Bündnis zwischen einem „vereinigten Europa“ und Israel (möglicherweise bereits unter der Führung des Antichrists) geschlossen.
Nach Ablauf von 3½ Jahren wird der Opferdienst in Jerusalem zu Ende kommen, und zwar durch die Aufstellung eines Gräuelgötzen im Tempel.
Im weiteren Verlauf erfolgt Vernichtung und Verwüstung wegen der Aufstellung des Gräuelgötzen.
Die entscheidende Frage, der wir jetzt noch nachgehen wollen, ist diese: Wann kommt dieses Bündnis von sieben Jahren zustande? Wir haben gesehen, dass die Zeit von insgesamt 490 Jahren in das Friedensreich einmündet. Damit ist ausreichend klar, dass sich die Prophezeiungen in Bezug auf dieses Bündnis noch nicht erfüllt haben, denn das Friedensreich ist ebenfalls noch nicht angebrochen.
Könnte es sein, dass dieses Bündnis etwa zu der Zeit zustande kommt, wo auch die Entrückung stattfindet? Obwohl es darüber keine genauen zeitlichen Angaben in der Heiligen Schrift gibt, liegt es doch nahe, anzunehmen, dass mit Ablauf der Zeitspanne der Kirche Gottes auf der Erde, also mit ihrer Entrückung, Gott unmittelbar die Verbindung zu seinem irdischen Volk wieder aufnehmen wird, und zwar in der Weise, dass der Geist Gottes unter dem Volk Israel Menschen zum lebendigen Glauben an Gott führt. Wenn sich heutzutage Juden aufrichtig zu Gott bekehren, werden sie von Ihm der christlichen Kirche zugefügt. Das macht eine Überlappung der Zeitspanne, wo Menschen zur Kirche gehören werden und gleichzeitig Juden zum lebendigen Glauben an Christus kommen und dennoch Juden bleiben, sehr unwahrscheinlich.
Es könnte allerdings auch sein, dass die Entrückung einige Zeit vor der letzten Jahrwoche stattfindet. Zu bedenken ist allerdings, dass das Kommen des Herrn Jesus zur Entrückung der Kirche und seines nochmaligen Kommens zur Errichtung des Reiches in der Heiligen Schrift als ein Kommen gesehen wird, wenn es auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfindet. Wir können und wollen den Zeitpunkt der Entrückung nicht festlegen, wenn wir auch glauben, dass sie vor den Gerichten geschehen wird.
24 D. h. mit der Masse des jüdischen Volkes.↩︎
25 Viell. der Gräuelgötzen. O. über den Flügeln (Beschirmer) der Gräuel.↩︎
26 And. üb.: neben dem Flügel (näml. der Cherubim) werden Gräuel der Verwüstung stehen.↩︎
27 Vgl. Jes 10,22.3; 28,22.↩︎
28 And.: den Verwüster.↩︎
29 In seinem boshaften Charakter als Tier wird er erst zu Beginn der letzten dreieinhalb Jahre offenbart.↩︎
30 Dass es sich hier um Wochen von Jahren und nicht von Tagen handelt, wird durch 3. Mose 25,8 und nicht zuletzt durch die Deutung der vergangenen 69 Wochen in Vers 26 unterstützt.↩︎