Nach der Prophezeiung des Hinwegtuns des Messias finden wir eine Aussage über das Volk des kommenden Fürsten. Diese wird dann wiederum von einer Aussage über den Fürsten selbst gefolgt. Es wird dargelegt, dass das Volk die Stadt und das Heiligtum zerstören wird. Dies bezieht sich ohne Zweifel auf das römische Volk – die vierte heidnische Weltmacht –, das die Erde regierte, als der Messias kam und weggetan wurde. Daniel erfährt, dass die jüdische Nation, nachdem sie ihren Messias verworfen hatte, unter Gericht kommen und ihre Stadt und das Heiligtum vom römischen Volk zerstört werden würde, die das Land wie eine Flut überströmen und die jüdische Besatzung zu einem Ende bringen würde. Die Nation würde in Gefangenschaft geführt und das Land verwüstet hinterlassen werden.
Die Juden würden erfahren, dass die Hand jedes Mannes bis zur Zeit des Endes gegen sie gerichtet ist. Der Herr selbst wiederholt die Vorhersage dieser ernsten Ereignisse, indem Er sagt: „Und sie [die Juden] werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen; und Jerusalem wird von den Nationen zertreten werden, bis die Zeiten der Nationen erfüllt sind“ (Lk 21,24).
„Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung der Gräuel wird ein Verwüster kommen, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden“ (9,27).
An dieser Stelle geht die Prophetie weiter, um von den Ereignissen zu sprechen, die noch in der Zukunft liegen und während der letzten Woche (bzw. der letzten sieben Jahre) der Prophetie stattfinden werden. Als Christus hinweggetan wurde, waren 69 Wochen vergangen. Es blieb nur eine Woche – oder sieben Jahre –, bevor sein Königreich aufgerichtet werden würde. Aber die Juden verwarfen ihren Messias. Folglich wird die Erfüllung der Prophezeiung verschoben. Von dem Zeitpunkt an, als sie den Messias verwarfen, erkannte Gott das Volk nicht länger als mit Ihm in Verbindung stehend an. Während dieser Zeit ist eine große Lücke in der Geschichte von Gottes Volk, eine Lücke, über dessen Länge Gott keine Aussage trifft.
Wir wissen aus den Schriften des neuen Testaments, dass während dieser Zeit den Heiden durch den Fall Israels Errettung gebracht wurde. Auch wissen wir, dass Gott während dieser Zeit sein himmlisches Volk herausruft – die Versammlung. Daher kann man sehen, dass zwischen den Versen 26 und 27 eine immense und wichtige Epoche liegt, über die in der Prophezeiung keine Details angegeben werden. Die Herausrufung der Versammlung ist eine Wahrheit, die für das Kommen des Heiligen Geistes vorbehalten ist. Uns wird definitiv gesagt, dass es eine Wahrheit ist, die „. . . in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist“ (Eph 3,4-6; siehe auch Röm 16,25.26). Direkte Prophetie bezieht sich immer auf die Erde und Gottes irdisches Volk. Jeder Hinweis auf die Herausrufung der Versammlung wäre für Daniel völlig unverständlich gewesen. Wir können daher verstehen, warum diese gewaltige Zeitepoche zwischen der 69. und der 70. Woche in Stille übergangen wird.
Hier werden wir jetzt zu Ereignissen weitergeführt, die noch in der Zukunft liegen. Diese Ereignisse beruhen nicht so sehr auf den Handlungen des römischen Volkes, von denen wir schon gehört haben, sondern auf denen des Hauptes des Reiches, der hier der Fürst des Volkes genannt wird. Von diesem Mann lesen wir: „Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche.“ Dieses Haupt des wieder auferstandenen römischen Reiches wird ein Abkommen eingehen mit der Masse der jüdischen Nation, die, obwohl sie Christus noch immer als ihren Messias verwerfen, in ihr Land zurückgekehrt sein werden. Wahrscheinlich aus Angst von einem anderen Feind – der Macht des Nordens oder der überflutenden Geißel (Jes 28,15) –, werden die Juden eine Verbindung mit dem kaiserlichen Oberhaupt des römischen Reiches eingehen.
Dann scheint es so, als ob der, an den sich die Juden zum Schutz vor anderen Feinden anlehnen werden, selbst ihr größter Feind werden wird. Sein eigenes Abkommen wird er brechen und in der Mitte der Woche (oder am Ende von dreieinhalb Jahren) „Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen“. Der nächste Satz scheint den Grund für das Aufhören der Opfer anzugeben, denn er spricht von der „Beschirmung der Gräuel“. Dies ist eindeutig ein Hinweis auf das, was in anderen Schriften ausgesagt wird, nämlich dass der kommende Antichrist ein Standbild im Allerheiligsten aufrichten lassen und allen befehlen wird, diesem göttliche Ehre zu erweisen (siehe Mt 24,15; 2Thes 2,4; Off 13,14.15).
Nichtsdestotrotz wird es während der letzten halben Woche einen „Verwüster“ geben, eine überströmende Flut aus dem Norden, vor dem kein Bündnis mit dem Fürst des römischen Reiches die Juden wird schützen können. Während dieser Zeit wird die jüdische Nation durch die große Drangsal gehen. Der Herr sagt definitiv: „Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, stehen seht an heiligem Ort . . . dann wird große Drangsal sein“ (Mt 24,15-21). Während dieser furchtbaren Zeit wird die ungläubige jüdische Nation Gegenstand unaufhörlicher Gerichte sein, bis das Gericht ausgeschöpft ist, indem es vollständig über die verwüstete Stadt und Nation ausgeschüttet sein wird.